Das Ziada Projekt. Enza Renkal

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Название Das Ziada Projekt
Автор произведения Enza Renkal
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754953945



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von Belang. Das waren nur allgemeine Fragen. Die Antworten stehen eigentlich alle in meiner Akte. Ist wohl zu faul zum Lesen.«

      Ric musterte mich misstrauisch. »Jetzt setz dich gefälligst hin, wenn du nicht möchtest, dass ich einen steifen Hals bekomme.«

      Ich überlegte kurz. Es war äußerst verlockend, gerade deswegen jetzt stehen zu bleiben. Mein Chef schien meine Gedanken zu erraten, denn er seufzte und fügte ein Bitte hinzu. Das erwärmte mich wenigstens etwas und ich setzte mich wieder auf die Mauer und stellte meine Sporttasche zwischen uns. Eine Art Sicherheitsabstand konnte nicht schaden.

      »Was für allgemeine Fragen hat er gestellt?«

      »Okay, in Ordnung, Ric. Ich beantworte dir deine Frage und im Gegenzug bist du mir auch eine Antwort schuldig.«

      »Kommt drauf an.«

      Ich schüttelte meinen Kopf. »Nein, es kommt nicht drauf an. Irgendetwas sagt mir, dass du dich nicht aus reiner Nächstenliebe um mein Gespräch mit Dr. Martin kümmerst. Du willst unbedingt eine Antwort von mir, auch wenn ich dein Interesse daran eigenartig finde. Wenn du etwas von mir willst, verurteile mich nicht dafür, dass ich meine Vorteile daraus ziehe. Du würdest es genauso handhaben, wie ich es gerade tue.«

      Er hob die Augenbrauen. Es war eine Mischung aus Überraschung und Stolz. Er konnte seinen Schützling nicht für etwas verurteilen, was er ihm selbst beigebracht hatte.

      »Alles hat seine Grenzen. Ich werde im Rahmen meiner Möglichkeiten deine Frage beantworten. Eine Frage, Vite. Wir wollen nicht übertreiben.«

      Damit war ich eigentlich schon zufrieden, aber ich hatte Lust zu pokern.

      »Du hast recht, wir wollen nicht übertreiben. Deswegen werde ich dir auch einfach nur eine Antwort geben. Ist nur fair. Es gab zwar zahlreiche Fragen von Dr. Martin, aber …« Ich beendete meinen unvollständigen Satz mit einem Schulterzucken.

      »Alle Fragen«, entgegnete Ric hartnäckig und fügte eilig versprechend hinzu, dass ich dafür zwei Fragen stellen konnte, die er beantworten müsse. Zufrieden mit meinem Verhandlungsgeschick wollte ich gerade meine erste Frage stellen, als Riccardo mich mit einer Handbewegung unterbrach.

      »Erst bekomme ich die Hälfte der Fragen von Dr. Martin«, insistierte mein Chef.

      In meinem Kopf ging ich die Fragen von Dr. Martin durch. Die erste Hälfte war nicht interessant. Ich konnte Ric ruhig den Vorrang lassen.

      »Gut, ich nenne dir die ersten vier von insgesamt acht Fragen. Er fragte mich nach meinem Namen, meinem Alter, meinem Geburtsdatum und Geburtsort.«

      Die erwartete Reaktion von Unzufriedenheit, da dies sicher nicht die Fragen waren, die Ric erwartet hatte, blieb von meinem Gegenüber aus.

      »Okay und was hast du auf diese vier Fragen geantwortet?«

      Ich war in der Laune, ihm den gleichen Satz ins Gesicht zu werfen, den auch schon Dr. Martin von mir gehört hatte. Dass er gefälligst in der Akte lesen solle. Aber ich hatte mir für heute schon genug bei Ric herausgenommen und sollte vernünftig sein.

      »Dass ich Lilly Anders heiße und 25 Jahre alt bin. Dass ich am 5. Mai 1996 geboren bin, aber nicht weiß wo.«

      Rics Gesicht zeigte keinerlei Regung und da er still blieb, ging ich davon aus, dass ich nun am Zug war. Was wollte ich wissen? Die Liste war lang, über meine Prioritäten war ich mir noch nicht sicher. Für einen kurzen Augenblick dachte ich, einfach mit der ersten Frage meiner Liste zu beginnen, aber meinem Mund entwich dann doch eine andere Frage.

      »Was passiert mit den Zielen nach ihrem Transport?«

      Die Antwort dieser Frage interessierte mich schon seit neun Jahren. Keiner im Nabel konnte oder wollte mir die Frage je beantworten. Auch Moretti hatte mir damals in der Ausbildung keine vernünftige Antwort geben können. Dass er aber überhaupt nicht wusste, was der Nabel mit den Zielen machte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

      Doch heute war es eine andere Situation. Ric hatte mir eine Antwort versprochen. Trotzdem blieb mein Chef eine Weile still. Es war also definitiv eine der Fragen, von denen wir Sammler keine Antwort kennen sollten. Das war nicht mehr unser Gebiet. Es ging uns nichts an. Ohne es zu wollen, hatte ich Ric verraten, dass ich auf der Suche nach Antworten war. Antworten, die nicht für meine Ohren bestimmt waren.

      »Sie werden an einen sicheren Ort gebracht und medizinisch durchgecheckt. Die Ziele kommen nicht zu Schaden. Mehr kann ich nicht sagen. Du bist wieder an der Reihe.«

      Ich brauchte einen kleinen Augenblick, bevor ich seiner Aufforderung Folge leisten konnte. Erst mussten die neuen Informationen abgespeichert werden. Sicherer Ort, darüber musste ich in einem ruhigen Moment nachdenken. Gab es einen sichereren Ort als den Nabel? Waren die Ziele hinter uns irgendwo hinter Mauern und Türen? Medizinischer Check, den hatten wir Sammler auch alle durchlaufen müssen. Der Nabel wollte Krankheiten ausschließen und wissen, auf welchem sportlichen Niveau wir uns befanden, um uns entsprechend fördern zu können. Das war der erste Schritt der Ausbildung gewesen. Kaum war ich aus dem Krankenhaus entlassen worden, musste ich mich im Nabel vorstellen und weitere medizinische Checks durchlaufen. Hier schloss sich also die Frage an, ob auch die Ziele eine Art Ausbildung bekamen. Die Ziele kommen nicht zu Schaden. Wieso musste Ric das explizit sagen? Kamen andere Gruppen aus dem Nabel zu Schaden? Oder wollte er mich einfach nur beruhigen? Viel zu viele Fragen für den Augenblick. Ich kehrte ins Hier und Jetzt zurück.

      »Dr. Martin hat mich gefragt, wo ich aufgewachsen bin. Nachdem ich die Frage nicht beantworten konnte, hat er sie umformuliert und gefragt, wie ich aufgewachsen bin. Auf meine Antwort, ich sei in einem Kinderheim aufgewachsen, folgte die Frage, ob ich noch einmal in besagtem Kinderheim war. Auch das musste ich verneinen.«

      Hier legte ich eine Pause ein. Eine Frage fehlte nun noch und zu meinem Bedauern fiel dies auch Ric auf. Er forderte mich höflich, aber nachdrücklich, auf, weiterzusprechen.

      »Er wollte meinen alten Namen erfahren.«

      Ric sah mich erst entgeistert an und sprang dann auf.

      »Was zur Hölle erlaubt er sich? Das kann er nicht! Das darf er nicht! Scheiße, Anders, sag mir, dass du ihm nicht deinen alten Namen verraten hast!«

      »Es widerspricht den Richtlinien, also nein, ich habe ihm diesen Gefallen nicht getan.«

      Das beruhigte den Italiener ein wenig. »Wenigstens etwas. Dann hast du den Papierkram damals wohl doch gelesen. Weiß irgendjemand hier im Nabel deinen Kindernamen?«

      Ich schüttelte den Kopf und musste dabei an Leander denken. »Niemand, aber sie haben auch Lehmann nach unten in den Keller bestellt. Drei Räume weiter.«

      Jetzt wurde aus dem roten wütenden Gesicht meines Chefs ein bleiches. »Sicher? Woher weißt du das?«

      Ich überlegte kurz, entschied mich dann aber für die Wahrheit. »Wir haben uns zufälligerweise getroffen, als wir beide die Nachrichten auf unsere Uhren bekommen haben.«

      »Und wo ist Lehmann jetzt?«

      Nun würde ich einen steifen Hals bekommen, wenn ich nicht aufstehen würde, also rappelte ich mich auf und schulterte meine Sporttasche. »Er ist noch nicht herausgekommen. Ich warte hier jetzt schon fast eine Stunde.«

      Riccardo fluchte etwas Unverständliches auf Italienisch und wandte sich dann wieder an mich.

      »Du gehst ohne Umwege sofort zu mir nach Hause. So wie ich dich kenne, weißt du wo ich wohne und Zugang findest du bestimmt auch. Ich meine es ernst, Lilly. Keine Widerworte. Nicht jetzt. Ich hole Lehmann da jetzt raus.«

      Geschockt starrte ich Ric hinterher, wie er mit eiligen Schritten zum Nabel lief. Seine Anweisung war mehr als deutlich und natürlich wusste ich, wo Ric wohnte. Mein siebzehnjähriges Ich war damals auf der Suche nach neuen Verstecken für Assistenzen gewesen, als ich plötzlich auf dem Balkon von Rics Dachgeschosswohnung stand.

      Wenn mein Freund gerade in Gefahr war, dann würde ich einen Teufel tun und einfach verschwinden, um mich in dieser stickigen, nach