Das Ziada Projekt. Enza Renkal

Читать онлайн.
Название Das Ziada Projekt
Автор произведения Enza Renkal
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754953945



Скачать книгу

gewählt hatten. Für heute sollte ich also einfach nur meinen Teil leisten und mich ruhig verhalten. Die Arme vor der Brust verschränkend, lehnte ich den Kopf gegen die Wand.

      »Leben Sie noch?«, fragte ich den Körper unter mir.

      Er blieb bewegungslos und als ich den Kopf zur Seite neigte, sah ich, wie er versuchte mich anzuschauen, doch dafür war der Winkel zu steil.

      »Sparen Sie sich die Mühe. Bald sind Sie mich los.«

      Ich beobachtete seine Gesichtszüge. Er schien in höchstem Maße verwirrt zu sein.

      »Ach, tun Sie nicht so. Hören Sie auf zu schauspielern. Wenn man einen bestimmten Beruf ausübt, weiß man doch, dass es andere gibt, die daran Interesse haben. Sie tun ja gerade so, als hätten Sie keine Idee, wieso Sie in dieser Situation sind.«

      Er schüttelte leicht den Kopf.

      »Als ob!«, lachte ich auf. »Sie machen mich neugierig. Wieso wollen … sie Sie? Was machen Sie? Computer-Freak? Mediziner? Wissenschaftler?«

      Er nickte kein einziges Mal.

      »Also was Exotisches? Mir kann es egal sein.«

      Doch das entsprach nicht im Geringsten der Wahrheit. Es war mir überhaupt nicht egal. Auch wenn uns Sammlern das von Anfang an eingetrichtert wurde. Keine Frage stellen, kein Interesse an den Zielen, kein gar nichts. Aber in den neun Jahren hatte sich ein Muster herauskristallisiert. Es waren immer bestimmte Berufsgruppen gewesen. Entweder hatte ich ein ähnliches Nicken-Kopfschüttel-Spiel gespielt wie gerade eben – vor allem als ich noch jünger war und die Ziele mich noch nicht so ernst nahmen und dachten, dass ich sie frei lassen würde, sobald ich meine Antworten hätte – oder ich hatte es mir über Kleidung und körperliche Fitness der Ziele und den Bezirk des Zugriffes erschlossen. Der namenlose Mann schien nicht in das Muster zu passen. Oder er log mich mit seiner Mimik einfach nur an. Auch seine legere Kleidung könnte eine bewusste Inszenierung sein. Gab den Ahnungslosen, damit man ihn für unschuldig hielt.

      Die Türe zum Hinterhof schlug auf und ein mir unbekanntes Gesicht kam auf mich zu.

      »Ich bin der Transporter«, knurrte der Mann. »Ich übernehme von hier.«

      Ich runzelte die Stirn. »Wo sind Frank und Eric?«

      »Versetzt. Ich übernehme.«

      Bevor mich der Transporter unsanft von seinem Ziel zerrte, stand ich lieber selbst auf. Er hob das Ziel mit einem Arm auf die Füße und schulterte ihn. Ich stolperte hinterher.

      »Der Transport war erst für ein paar Minuten geplant. Mit wem auch immer ich hier das Vergnügen habe, ich muss sicher gehen, dass …«

      Er warf mir einen kalten Schulterblick zu. »Dass was?«

      »Zeigen Sie mir einfach Ihre Kennung.«

      Nun blieb er stehen und drehte sich langsam zu mir um. »Da meint es aber jemand besonders genau?«

      Ich hielt seinem Blick stand.

      »Schon gut. Ich lade kurz ab, dann zeige ich dir meine Kennung.«

      Indem er mich duzte, stufte er mich herab und das gefiel mir nicht. Er setzte das Ziel in dem geöffneten weißen Lieferwagen ab und kam dann zu mir zurück, um mir auf seiner Uhr seine Kennung zu zeigen. 1./97.74 Edward Parker. Eine 1./. Er war ein Teil aus dem Inneren Kreis des Nabels. Noch nie war ich jemandem aus dem Inneren Kreis begegnet. Selbst Ric, mit seiner 3./ gehörte nicht dazu. Bemüht entspannt blickte ich zu Parker auf.

      »Dann ist meine Arbeit hiermit getan.«

      »So ist es, Sammler.«

      Edward Parker ging zurück zum Transporter und schnitt zuerst das Klebeband an den Füßen und dann an den Handgelenken entzwei.

      »Um Hilfe schreien, bringt jetzt eh nichts mehr.«

      Mit einer fließenden Bewegung befreite Parker den Mann von dem Tape über dem Mund. Das Ziel spuckte das Taschentuch aus und starrte mich an. Bevor Parker die Türe des Transporters zuschlagen konnte, entwich dem Mann im Inneren nur ein Wort. Es ließ mich erstarren.

      »Emille!«

      Mit einem lauten Scheppern schlug die Türe zu und Edward drehte sich stirnrunzelnd zu mir um.

      »Was hat er gesagt? Meint er damit irgendwie dich?«

      »Keine Ahnung. Ich kenne den Typen nicht.«

      »Ist auch besser so. Warte auf neue Anweisungen.«

      Mit diesen Worten stieg Edward Parker aus dem Inneren Kreis in den Transporter, beschleunigte und verschwand aus meiner Sicht. Doch auch wenn er und das Ziel weg waren, spürte ich noch immer den Blick von hellblauen Augen auf mir.

      Emille.

      Diesen Namen hatte ich vor neun Jahren aufgehört zu tragen. Wieso kannte das Ziel meinen alten Namen?

      3.

      Abwesend schlurfte ich durch die Eingangstür meiner WG, warf den Rucksack in die Ecke und ließ die Türe hinter mir ins Schloss fallen. Normalerweise hatte ich nach einem erfolgreichen Zugriff und einer erfolgreichen Übergabe ein Lächeln auf den Lippen. Es war ein gutes Gefühl, gute Arbeit geleistet zu haben. Und es bedeutete den Rest der Woche frei zu haben. Zumindest mehr oder weniger. Es gab gewisse Verpflichtungen und Erwartungen.

      Auch heute war alles erfolgreich gewesen, aber warum hatte das heutige Ziel meinen alten Namen gekannt, der selbst bei mir nur noch eine kleine schattenhafte Erinnerung war? Ich hob mein Armgelenk und blickte auf das heutige Datum. Heute vor neun Jahren, einem Monat und neunzehn Tagen war ich in einem sterilen, weißen Raum aufgewacht und mir wurde gesagt, dass ich mit sehr viel Glück einen schweren Unfall überlebt hatte und an einer retrograden Amnesie litt. Die Dinge, an die ich mich noch erinnern konnte, waren an einer Hand abzählbar. In meinem Kopf schwirrten damals nur noch der Name Emille Lillan Falk, ein Geburtsdatum aus acht Zahlen und ein paar Bilder, die ich nicht zuordnen konnte. Mir wurde gesagt, dass mein neuer Name Lilly Anders sei und ich für den Nabel arbeite. Meinen alten Namen sollte ich aus Sicherheitsgründen für mich behalten. Neuer Name, neue Identität, Neuanfang. Als ob ich irgendeine andere Wahl gehabt hätte.

      Eine zweite Frage drängte sich mir auf. Warum kümmerte sich jemand aus dem Inneren Kreis um den Transport? Das stand den 2./ zu. Danach kam die Disposition, zu der Ric gehörte. Wir Sammler schafften es gerade mal auf die 6./. Die ganze Sache verwirrte mich so sehr, dass ich mehrere Stunden durch die Stadt gestreunt war, ehe meine Füße mich hierher getragen hatten. Ich schielte auf die Uhr in der Küche. Es war bereits Mittag.

      »Bist du das, Lilly?«, hörte ich meine Mitbewohnerin aus dem Esszimmer rufen. Ich betrat das kleine Nebenzimmer der Küche, zog mir die Jacke aus und legte sie über den Stuhl.

      »Hast du noch mehr Mitbewohner? Wer sollte dir sonst beim Mittagessen Gesellschaft leisten?«

      »Wie war dein Tag? War viel los? Jetzt setze dich doch hin und bediene dich erstmal, ich habe eh wieder zu viel gekocht.«

      Sie schob mir einen der Teller entgegen und ich nahm mir ebenfalls von den Nudeln. Marie hatte die Soße vergessen. Lecker. Sie dachte ich würde in einem Architektenbüro aushelfen. Sie wusste nicht, was ich in Wirklichkeit tat.

      »Nein, nicht viel, ich werde die restlichen Tage vermutlich wieder von zu Hause arbeiten dürfen.«

      Das war meine Erklärung dafür, dass ich bis zum nächsten Auftrag frei hatte und lediglich ein paar Sportstunden erfüllen musste.

      »Hast du es gut. Bei uns in der Klinik ist gerade in den letzten Tagen ein extremer Zulauf. Deswegen muss ich gleich auch wieder zurück.«

      »Okay. Wollen wir heute Abend einen Film zusammen schauen? Oder Kinoabend? Ich würde dich einladen.« Die Ablenkung könnte ich gut gebrauchen.

      »Oh, das wäre schön. Aber ich habe von einer Kollegin die Spätschicht übernommen. Ich komme erst irgendwann nachts zurück. Aber das holen wir nach!«

      Sie