Das Ziada Projekt. Enza Renkal

Читать онлайн.
Название Das Ziada Projekt
Автор произведения Enza Renkal
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754953945



Скачать книгу

junge Dame, danke. Herzlichen Dank.«

      Nachdem er sich abgewandt hatte, warf ich das Portemonnaie in den Briefkasten des Blumenladens. Ich beobachtete, wie der ältere Mann die Umgebung des Brunnens absuchte. Seine aufgeregte Art tat, was ich mir versprach. Meinem Ziel wurde die Position zu unangenehm und er hielt zügig auf eine der Seitengassen zu, die ich vorab bereits vom Café aus einsehen konnte. Bis zur Hauptstraße gab es keine abzweigenden Wege, aber die Möglichkeit, dass er in einem der Häuser verschwand, war zu groß. Ich konnte ihm also nicht den Weg abschneiden und musste ihm folgen.

      Erst nach seinem ersten Schulterblick machte ich mich daran, ihm so unauffällig wie möglich zu folgen. Da er sich kein weiteres Mal umdrehte, schien er sich sehr sicher zu sein, dass nichts mehr passieren würde. Im Kopf ging ich meine Möglichkeiten durch. Das dritte Haus auf der rechten Seite hatte einen zugänglichen Keller, das Schuhgeschäft zwei Häuser weiter einen Hinterhof und als letzte Möglichkeit gab es kurz vor der Hauptstraße auf der linken Seite noch eine Pension, in der ich schön öfters meine Zielzugriffe hatte. Ric würde die zweite Möglichkeit dennoch am besten gefallen, das wusste ich. Der Hinterhof hatte eine Liefereinfahrt, daher war es der perfekte Ort für die Übergabe.

      Ich wurde minimal schneller, nicht so sehr, dass ich auffallen würde, aber doch so, dass ich zeitgleich mit ihm beim Geschäft ankommen würde. Meine Uhr vibrierte, doch ich hielt weiter auf mein Ziel zu. Ich riss meinen linken Arm nach oben, um sowohl die Uhr als auch mein Ziel sehen zu können.

      Abholung in 20. R.M

      Ich stockte kurz, dann ging ich entschlossen und zügig weiter. Das war keine gewöhnliche Zeitangabe. Schon die zweite Unregelmäßigkeit an diesem Montagmorgen. Für gewöhnlich hatte ich nicht länger als fünf Minuten Zeit zu warten, bis die Transporter kamen. Aber es stand mir nicht zu, dies infrage zu stellen. Ich war nur eine kleine ausführende Kraft in einem großen Zahnrad, von dem ich kaum etwas wusste, da ich nur Kontakt zu meinem direkten Chef, Riccardo Moretti, hatte. Er selbst war weiteren, unbekannten Chefs unterstellt. Ric nannte uns mit seinem italienischen Humor Vite. Uns alle. Er machte bei uns Sammlern keine Unterschiede, egal welches Alter und welches Geschlecht. Er bezeichnete uns alle als ‚Schraube‘, mehr waren wir nicht wert. Ersetzbar. Wir waren alle nur Objekte. Objekte, die andere Zielobjekte einsammelten und dafür königlich entlohnt wurden.

      Mit zwei schnellen Schritten hatte ich mein Ziel erreicht, passgenau auf der Höhe des Schuhgeschäfts. Ich formte meine rechte Hand zu einer Faust, tippte dem Mann auf die rechte Schulter und setzte mein freundlichstes Lächeln auf. Mein kurzer schneller Schlag auf den Solarplexus ließ dem Fremden die Augen nach innen verdrehen. Bevor er, bewusstlos wie er war, zusammensacken konnte, packte ich ihn in eine feste Umarmung und schob ihn in den Eingangsbereich. Die linke Türe führte ins Geschäft, die rechte Türe in den Gang zum Hinterhof. Mein Schlag war gut dosiert. Er war zwar ohne Bewusstsein, doch in weniger als zwei Minuten würde er wieder wach sein. Genug Zeit, um dafür zu sorgen, dass er still bleiben würde. Und das für verdammte 19 Minuten.

      Ich schloss die Türe hinter mir zu und ließ ihn im dämmrigen Flur auf den Boden gleiten. Dabei fiel ein Stück Papier aus der Jackentasche des Ziels. Instinktiv griff ich danach und stopfte es in meine Jackentasche. Spuren sollten schließlich nicht zurückbleiben.

      Ein leises Murren aus seiner Kehle, schärfte meine Sinne und ich konzentrierte mich wieder auf meine Arbeit. Er musste körperlich fit sein, um jetzt schon wieder aufzuwachen. Ich riss meinen Rucksack auf und nahm ein Taschentuch als Knebel und fixierte es mit Klebeband. Nun würde er wenigstens still sein. Ich fesselte mit dem gleichen Tape zuerst die Füße und als ich seine Hände fassen wollte, starrten mich hellblaue Augen an.

      Bevor er auch nur eine Hand gegen mich bewegen konnte, hatte ich ihn mit dem Bauch nach unten auf den Boden gestoßen und fixierte ihn mit meinem Knie auf dem Rücken. Ich zurrte seine Hände fest zusammen. Fester als notwendig, aber er sollte wissen, er sollte spüren, wie machtlos und ausgeliefert er war. Das war hier gerade die perfekte Vorbereitung für Haarwaxing. Er murrte weiter durch den Knebel, aber das interessierte mich genauso wenig, wie seine schwachen Versuche sich zu befreien. Ich ließ seine Oberarme los und nutzte nur mein Knie zwischen seinen Schulterblättern, um ihn unten zu halten und entriegelte meine Uhr mit dem Fingerabdruck meines rechten Daumens. Mit dem Symbol für den erfolgreichen Zugriff gab ich der Zentrale, genannt Nabel, gleichzeitig auch meinen Standort weiter.

      Der Kerl unter mir gab nicht auf. Ich spielte mit dem Gedanken ihm einfach ein weiteres Mal das Bewusstsein zu rauben, aber so wehrlos wie er war, hatte das ganze keinen Reiz mehr. Gespräche mit den Zielen sollten nicht stattfinden. Im Grunde war es nicht verboten, aber allein wegen der meist knapp bemessenen Zeit zwischen Zugriff und Abholung hatte es schlicht und einfach keinen Zweck und das Ziel sollte nicht durch psychologische Tricks bereits Informationen erhalten. Ich sollte die Kommunikation also knapphalten und meine Zunge hüten. Imperativ statt Konjunktiv. Kein Spielraum für Interpretation. Klare, zielgerichtete Anweisungen.

      »Seien Sie still, dann können Sie im Sitzen warten.«

      Der Körper unter mir verstummte. Ich half ihm, sich mit dem Oberkörper gegen die Wand zu lehnen und suchte den Augenkontakt. Wegschauen wäre ein Zeichen von Unterordnung, von Schwäche. Mein Ziel schien das auch zu wissen, denn er starrte entschlossen zurück. Es war eine Mischung aus Ärger, Trotz und etwas anderem, dass ich zuvor bei keinem der anderen Ziele gesehen hatte. Mitleid? Warum zum Teufel sollte der Typ Mitleid mit mir haben? Ich bereute jetzt schon, dass er nicht mehr bäuchlings vor mir lag und ich in seine blauen Augen schauen musste. Ich sah an mir herunter, ich trug ein Halstuch. Das könnte man wunderbar als Augenbinde verwenden, dann würde er mich nicht mehr anstarren. Ich hatte bis zum Eintreffen des Transporters noch eine ganze Weile zu warten und das wollte ich ohne diese Augen. Auch wenn ich den Grund dafür nicht benennen konnte, die Augen machten mich nervös. Das Ziel schüttelte mit dem Kopf und murmelte etwas unverständliches in das Taschentuch.

      »Still sein, habe ich gesagt!«

      Ich unterstrich meine Wortwahl mit einem festen Griff an seine Kehle. Er riss seine Augen auf. Aber darin konnte ich nicht die erwartete Reaktion von Angst sehen, sondern viel mehr Überraschung und Erstaunen darüber, was ich tat. Er sollte verdammt nochmal Angst haben. Und still sein. Und aufhören mich mit diesen hellblauen Augen anzustarren.

      »Machen Sie die Augen zu!«

      Er unterwarf sich mir nicht und starrte mich weiter an. Das wurde mir langsam zu blöd. Ich riss mir das Tuch vom Hals und wollte es gerade als Augenbinde um seinen Kopf legen, als er seinen Kopf gegen meinen schnellen ließ. Ich taumelte von dem plötzlichen Schmerz zurück und fasste instinktiv an meine Stirn. Keine offene Wunde. Maximal eine leichte Gehirnerschütterung.

      Das Ziel versuchte erfolglos, sich an der Wand nach oben zu schieben. Er probierte mit seiner Schulter den Knebel loszuwerden, doch auch das wollte nicht funktionieren. Ich beförderte ihn wieder auf den Boden und machte es mir auf seinem Rücken bequem. Dann eben so. Ich blickte auf die Uhr, noch 16 Minuten, bis die Transporter da wären. Ich öffnete die Korrespondenz Funktion und tippte eine Nachricht an Ric.

      Warum zur Hölle schon wieder ein neuer Bote? Hat der Nabel so einen Verschleiß? Warum kommen die verdammten Transporter erst so spät? Erbitte Gehaltserhöhung und Weihnachtsgeld.

      Ich musste grinsen und löschte die Textnachricht wieder. Diese Art von Humor würde Ric nicht verstehen. Ich probierte es sachlicher.

      Schon wieder ein neuer Bote? Sag mir nicht, dass du den alten Garrick entlassen und ersetzt hast. L.A

      So konnte ich das stehen lassen. Ich drückte auf Senden. Ich mochte den alten Garrick. Er war es gewesen, der mit damals vor neun Jahren das Bild meines ersten Zieles übergeben hatte. Damals, mit sechzehn, hätte ich ein Ziel wie heute wahrscheinlich nicht zugeteilt bekommen. Mein Handgelenk vibrierte.

      Ich hasse es, wenn du deine rhetorischen Fragen stellst, Vite. Du hast den Neuen doch heute zugeteilt bekommen. Also spar dir solche Fragen in Zukunft. Über Interna spreche ich nicht mit dir. Und Lilly, jeder ist ersetzbar. R.M

      Ich schnaubte genervt. Ric war einfach zu ernst. Zumindest wenn es unmittelbar um die Arbeit ging. Erst nach Feierabend und mit dem