Das Ziada Projekt. Enza Renkal

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Название Das Ziada Projekt
Автор произведения Enza Renkal
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754953945



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schweben und überlegte. So sehr ich eine Begegnung mit Ric verabscheute nach dem gestrigen Tag, musste ich Leander sehen. Ich blickte erneut auf die Uhr. Ich hatte reichlich Zeit, aber ich wollte erst sicher gehen, dass der Treffpunkt sicher war und es kein Hinterhalt war.

      Ja, aber erst um halb eins. Bis dann. L.A

      Ich wickelte zur Sicherheit wieder die Alufolie um die Uhr und fuhr zurück auf die Straße. Anstatt nun nach links abzubiegen, um auf direktem Weg nach Hause zu gelangen, lenkte ich in die entgegengesetzte Richtung. Ich würde einen parallelen Weg zurücknehmen. Nur um das letzte Risiko zu umgehen. Ich hatte reichlich Zeit, um vor dem Treffen den Zeitpunkt zu inspizieren und die wollte ich nutzen.

      In der nächsten Ortschaft holte ich mir beim Bäcker einen Kaffee und drei belegte Brötchen, bevor ich, mit einer Hand lenkend und mit der anderen Hand essend, auf einem kleinen Umweg zu einer Tankstelle zurück in die Stadt fuhr. So war der Tank für den nächsten Ausflug wenigstens schon mal wieder so gut wie vollgetankt. Ich parkte den Volvo diesmal auf der anderen Stadtseite in einem kleinen verlassenen Hinterhof, der bereits das Heim von drei verlassenen Fahrrädern war. Ich musterte sie und kam zu dem Entschluss, dass ich eins davon einfach ausleihen könnte, um zu dem Treffpunkt zu fahren.

      Die Machiavelli-Brücke war definitiv kein Zufall. Die Brücke war ein gut einsehbarer Ort. Wenn ich jemanden in Zuversicht wiegen wollte, dann würde ich selbst einen solchen Treffpunkt auswählen. Natürlich könnte man dann die jeweiligen Seiten versperren, aber damit würde man bei Passanten bereits zu viel Aufmerksamkeit auf sich lenken.

      Ich hatte es mir auf einem Parkhausdach gemütlich gemacht, neben mir lag das Fahrrad, auf meinem Rücken hatte ich einen kleinen Rucksack mit einer vollausgestatteten Assistenz, also von jedem meiner Stapel eine Kleinigkeit. Für alle Fälle.

      Mit dem letzten belegten Brötchen in der Hand, saß ich auf einer kleinen Mauer und lehnte meinen Oberkörper gegen einen der Betonpfeiler. Ich hatte von hier oben auch ohne Hilfsmittel wie einem Fernglas eine gute Aussicht, wenn ich den Kopf um die Ecke schob. So konnte ich, wenn ich wollte nach unten sehen, ohne von dort gesehen zu werden. Ich hatte noch eineinhalb Stunden Zeit bis zum Treffen. Wie ich meinen Freund kannte, würde Leander aber schon 20 Minuten früher da sein. Mein Chef hingegen pflegte eine ordentliche Portion an Unpünktlichkeit. Meine Hoffnung, dass Leander bereits früher da sein würde und ich so allein mit ihm sprechen könnte, zerplatzte allerdings, als auch eine Viertelstunde vor der verabredeten Zeit noch keiner da war.

      Die Hände an meiner Hose abwischend, stand ich auf und rollte mit dem Fahrrad durch das Parkhaus nach unten. Ich lehnte es neben andere Fahrräder und hoffte, dass es so niemanden auffallen würde, dass es nicht abgeschlossen war. Vielleicht konnte ich es noch einmal gebrauchen.

      Mein Blick schweifte erneut über die Brücke und diesmal konnte ich erkennen, wie zwei bekannte Gestalten von der anderen Seite die Brücke betraten. Langsam näherte ich mich Ric und Leander und blieb in der Nähe einer Gruppe von Jugendlichen stehen.

      Das Augenrollen von Ric blieb mir nicht unbemerkt, doch ich blieb demonstrativ stehen. Er hatte diesen öffentlichen Treffpunkt ausgesucht und war das Risiko von Zeugen eingegangen. Dennoch war mehr als deutlich, dass er nicht begeistert war, dass nun fünf junge Männer, jeder mit einem Dosenbier in der Hand, gewissermaßen Teil unserer Gesellschaft war.

      »Wie geht es dir, Leander?«, fragte ich meinen Freund und ignorierte Ric fürs Erste.

      »In Ordnung«, entgegnete Leander ausweichend und mied meinen Versuch Augenkontakt aufzubauen.

      Ich griff nach dem Ärmel von Leander, um ihn von Ric wegzuziehen und ein paar private Momente mit meinem Freund zu haben, doch die große Hand von Ric legte sich auf Leanders rechte Schulter. Ich starrte die Hand an, sie berührte mich nicht, dennoch erweckte der Anblick ein ungutes Gefühl in meinem Bauch.

      »Wir bleiben alle schön hier«, presste Ric zwischen seinen Zähnen hervor. Er war stinksauer auf mich. Ich musterte ihn kurz und schnell. Sein rechtes Handgelenk inklusive Unterarm war in Gips. Beide Handflächen waren von Schürfwunden überzogen und er stand unsicher auf seinem rechten Bein.

      Zu meiner Überraschung wandte sich Leander schnell aus dem Griff von Ric, indem er einen Schritt zur Seite tat. Leander hatte ganz offensichtlich selbst etwas gegen die Berührung.

      »Nun«, räusperte sich Leander gegenüber Ric. »Ich würde gerne einen kurzen Moment mit Lilly haben, wenn es dir recht ist. Ich möchte nur eine ehrliche Antwort haben, wie es ihr geht und solange sie dich sieht, wird sie nicht ehrlich sein.« Nach der einsilbigen Antwort, wie es ihm ging, war ich froh ein paar mehr Worte von Leander zu hören.

      »Recht ist es mir nicht, Vite. Aber gut. Drei Minuten.«

      Demonstrativ rollte ich die Augen; Ric sollte ruhig sehen, was ich gerade von ihm hielt. Wir gingen so weit von Ric weg, dass ich mir sicher sein konnte, mit einer gedämpften Stimme nicht mehr von ihm belauscht werden zu können. Doch anstatt zu reden, nahm mich Leander zuerst in eine feste Umarmung, die ich nach kurzem Zögern erwiderte. Es tat unerwartet gut.

      »Alles gut bei dir, Leander? Wie geht es dir? Konntest oder wolltest du gerade nicht ehrlich antworten?«

      »Mir ging es schon mal besser. Die haben gestern wirklich viele, eigenartige Fragen gestellt. Erst haben sie nach Daten gefragt, die eigentlich in meiner Akte stehen sollten. Und dann wollten sie über alte Kindheitserinnerungen sprechen. Sie haben versucht mich über dich auszuhorchen. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass es gar nicht um mich ging. Die Fragen wurden nur zur Ablenkung gestellt. Nach einer dreiviertel Stunde haben sie mich über einen anderen Ausgang zu einer Lagerhalle gebracht, bevor ich wieder nach Hause durfte. Sie meinten, sie müssten zuerst mein Zuhause überprüfen, ob es weiterhin für mich als Sammler sicher sei. Sie redeten von einer Routine. Ich müsse mir keine Sorgen machen.«

      »Und Ric?«

      »Ric kam gestern spät abends zu mir. Offensichtlich verletzt, aber wenigstens schon versorgt. Er wollte nicht sagen, was passiert war und war eigenartig froh mich zu sehen. Dann hat auch er angefangen, mich über dich auszufragen. Wollte wissen, wo du bist. Hast du etwas mit seinen Verletzungen zu tun? Seine Wut dir gegenüber ist nicht zu übersehen.«

      Ich erwiderte den Blick meines Freundes. »Ja.«

      Entsetzt starrte Leander mich an und packte mich am Arm, um mich noch weiter von Ric wegzudrücken. Ich hörte seinen lauten überraschten Ausruf kaum, sondern konnte nur die Berührung auf meinem Körper wahrnehmen. Die Berührung und das gleiche Klingeln wie bereits gestern bei Ric. Die Beklemmung hinderte mich am Atmen.

      »Lass mich los«, schrie ich übertrieben laut Leander an. »Sofort!«

      Gestern war das Klingeln ein böser Vorbote gewesen. Der Anfang eines Ausbruchs von Gewalt. Ich konnte meinem Freund nicht dasselbe antun. Oder konnte ich es? Würde ich es?

      Als hätte er heißes Eisen berührt, ließ mich Leander augenblicklich los und wich von mir zurück. Ich senkte den Blick, stützte mich am Geländer der Brücke ab und versuchte wieder normal zu atmen. Das Klingeln hörte umgehend auf und als ich den Kopf hob, starrte ich in die Gesichter von Leander, der Gruppe Jugendlicher und von meinem Chef, der in wenigen Augenblicken die Distanz zu uns überwunden hatte und sich schützend vor Leander stellte.

      »Du wirst Leander nicht das Gleiche antun wie mir, Vite. Was stimmt mit dir nicht, Anders?«

      Ja. Was stimmte nicht mit mir?!

      »Das will ich selbst wissen«, giftete ich meinen Chef schlecht gelaunt an. »Ich weiß selbst, dass etwas nicht stimmt. Etwas nicht richtig ist! Hilf mir oder geh mir aus dem Weg!«

      »Wovon redet ihr?«, mischte sich Leander zu Recht ein. »Was stimmt nicht?«

      »Berühre Anders nie wieder! Hättest du sie eben nicht selbst losgelassen, hätte sie dich genauso ins Krankenhaus gebracht, wie mich gestern, als ich sie unsanft gepackt habe. Das stimmt nicht mit ihr!«

      »Hätte ich nicht«, schnauzte ich Ric an, warf aber Leander einen sanften Blick zu. Ich konnte nicht erwarten, dass die beiden mir glaubten. Ein Teil von mir wusste,