Der Regent. Roland Bochynek

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Название Der Regent
Автор произведения Roland Bochynek
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750262287



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um den Anschluss nicht zu verpassen?“

      Damit hatte er Scherers Neugier geweckt. „Was haben Sie vor? Wenn es etwas Illegales ist, oder auch nur Grenzwertiges, können Sie versichert sein, dass ich das Gespräch hier sofort beende!“ „Oh nein, beruhigen Sie sich, was ich vor habe ist ganz und gar legal. Na ja, grenzwertig vielleicht in dem Sinne, dass es bis jetzt kaum jemand versucht hat, zumindest nicht in großem Stil. Stellen Sie sich vor: Ein Investor kauft ein finanziell marodes Unternehmen, bringt das auf Vordermann und ... verkauft es dann eben nicht.“

      „Was ist daran so revolutionär? Solche Investitionen sind doch bei uns Tagesgeschäft“, fragte Scherer dazwischen. „Der springende Punkt ist die Art der Sanierung. Wie geht das heute üblicherweise vonstatten? Insolvenz anmelden, die Gläubiger auf ihren Forderungen sitzen lassen, die Preise bei den Zulieferern drücken, die eigenen Mitarbeiter rausschmeißen, die Filetstücke der Firma verkaufen ... Hab ich was vergessen? Eins noch, riesige Prämien an die Vorstände auszahlen, weil sie den Laden angeblich gerettet haben. Das muss doch auch anders funktionieren.

      Warum gibt es einige Mittelstandsbetriebe, die entgegen den üblichen Konzern-Philosophien wirtschaften, aber trotzdem gut da stehen? Meist sind es Firmen, die einer Person gehören, welche sich für dieses Unternehmen voll einsetzt. Jemand, der nicht ausschließlich für die Profite arbeitet, der gegebenenfalls mal Verluste in Kauf nimmt, ohne gleich die halbe Belegschaft auf die Straße zu setzen. Solche Menschen sollten nach meiner Meinung die Bezeichnung 'Unternehmer' wie einen Adelstitel tragen. Meist werden diese Firmen so sozial geführt, dass sich ihre Mitarbeiter mit Begeisterung an ihre Arbeit stürzen. Haben Sie schon mal erlebt, dass ein Konzernmitarbeiter in einem Stammtischgespräch die Redewendung – in meiner Firma – benutzte? Wohl kaum. So etwas hört man nur bei Beschäftigten von besagten Mittelstandsunternehmen. Da ist der Begriff Werksstolz nicht nur eine Phrase für die Hochglanzprospekte. Genau da möchte ich angreifen. Stellen Sie sich vor: Unternehmen, in denen sich die Mitarbeiter nicht nur mit ihrer Arbeit, sondern auch mit ihrer Firma identifizieren. Unternehmen, deren Ziel nicht die maximalen Profite, stattdessen ausgewogene, sozial verträgliche Firmenphilosophien sind. Ein Betrieb, für den es sich lohnt, und in dem es sich lohnt zu arbeiten.“

      Scherer lehnte sich zurück und drehte nachdenklich das Weinglas in den Händen. Er ließ sich lange Zeit mit seiner Antwort. „Das klingt ja gut, sogar zu schön, um wahr zu sein. Eher wie eine Utopie. Sie wollen eine solche Firma aufbauen? Zusammen mit mir?“ „Falsch, nicht mit Ihnen.“ Amüsiert genoss Berger den verwirrten Gesichtsausdruck Scherers. „Nicht eine Firma, sondern viele, nicht Sie und ich, sondern Sie. Ich wäre voll damit beschäftigt, das Kapital dazu aufzutreiben.“ Jetzt brauchte Scherer erst mal einen kräftigen Schluck von dem Cognac, den Berger mittlerweile bestellt hatte.

      Berger schaute Scherer tief in die Augen. „Können Sie sich vorstellen, ein Investmentunternehmen zu leiten, das mein Vermögen derart verwaltet, wie ich es soeben beschrieben habe? Können Sie sich vorstellen, ein solches Unternehmen zu repräsentieren und dabei den Inhaber im Hintergrund zu verstecken? Ehrlich gesagt, ich traue Ihnen das zu. Ich habe Sie in der Bank beobachtet. Sie haben außergewöhnliche Führungsqualitäten, Sie begeistern Ihre Mitarbeiter für eine Sache, Sie sehen in ihnen Menschen, nicht nur Arbeitskräfte. Das hat mir sehr imponiert. Mit diesen menschlichen Werten möchte ich ein Imperium aufbauen.“ „Danke, danke, zu viel des Lobes.“ Scherer versuchte, seine Verlegenheit zu verbergen. „Was Sie mir hier vorgetragen haben, ist starker Tobak. Das muss gut überlegt werden. Da gibt es eine Unmenge von Fragen zu klären. Aber ehrlich gesagt, Sie haben mich neugierig gemacht. Das wäre tatsächlich eine reizvolle Aufgabe. Nur… Das alles wirkt unheimlich auf mich. Insbesondere ist da Ihr wahnsinniger Erfolg. Das ist doch nicht normal. Ich fürchte, wenn ich dieses Angebot annehme, gerate ich in etwas hinein, das ich irgendwann bitterböse bereuen würde.“

      „Sie haben recht, solche Erfolge sind nicht normal. Das muss ich zugeben. Ich denke, das Wichtigste bei so einer Geschäftsbeziehung ist Vertrauen. Deshalb werde ich Ihnen mein Geheimnis anvertrauen.“ Berger holte zwei leere Blätter Papier hervor, reichte eins Scherer, das andere behielt er. „Schreiben Sie eine beliebige Zahl auf, aber so, dass ich sie nicht sehe, egal wie viele Stellen sie hat.“ Scherer schrieb, dann faltete er das Blatt zusammen. „So, jetzt ich,“ sagte Berger, schrieb ebenfalls etwas auf sein Blatt, und legte es verdeckt vor sich. „Jetzt lesen Sie Ihre Zahl bitte laut vor.“ Scherer nahm das Papier und las: „1.581.437.“ Berger griff seinen eigenen Zettel und gab ihn Scherer. „Lesen Sie jetzt, was hier drauf steht.“ Scherer zuckte zusammen, als er die Zahlen sah. „1.571.435. Wie haben Sie das gemacht? Sind Sie Zauberkünstler?“ „Nein, kein Trick. Es ist eine Begabung. Ich weiß nicht, wie ich dazu kam. Ich kann in gewissem Umfang Zahlen vorhersehen. Daher mein großer Erfolg im Aktiengeschäft. Sie sehen ja, zwei Zahlen konnte ich nicht erraten. Meistens erahne ich mehr instinktiv, welche Aktie in nächster Zeit steigt, oder fällt. Als ich diese Gabe an mir vor etwa zehn Jahren entdeckte, hatte ich mir damit mein erstes Kapital an den Roulettetischen in ganz Europa verdient.“

      Scherer versuchte Bergers Gestik zu deuten. Eine Kunst, die er sehr gut beherrschte. Aber hier gab es keine verräterische Geste zu entdecken. Der Mann musste die Wahrheit sagen. „Gibt es diese Begabung tatsächlich? Kann man so etwas türken?“ Allerdings kannte er Bergers Kontostände. Er wusste, dass der Erfolg echt war. Er rechnete jeden Augenblick damit, aus einem Traum zu erwachen. Da hilft nur eins, zum Gegenangriff überzugehen, seinen Gegner aus der Reserve zu locken. „Wie würden Sie sich meine Arbeit für Sie konkret vorstellen?“, fragte er vorsichtig.

      „Ich stelle Sie als Leiter eines Investmentunternehmens ein. Ihre erste Aufgabe besteht darin, das Unternehmen körperlich aufzubauen. Immobilien suchen, Personal einstellen, sowie die interne Organisation ausarbeiten. Dann müssen wir für mein Inkognito eine Lösung finden. Ich möchte nicht als Besitzer erkannt werden. Vielleicht kann ich offiziell die Funktion eines Unternehmensberaters übernehmen. Das müssen wir rechtlich einwandfrei abklären. Ich biete Ihnen ein Anfangsgehalt von fünfhunderttausend Euro jährlich. Natürlich gehören ein Geschäftswagen sowie eine Büroausstattung nach Ihren Wünschen dazu. Beachten Sie, das ist keiner der bei Managern üblichen zeitlich begrenzten Verträge, sondern eine Festanstellung.“

      Als er den ungläubigen Blick Scherers sah, fügte er hinzu: „Nein, das ist nicht übertrieben, schließlich repräsentieren Sie dann ja ein Unternehmen im Wert von nahezu einer halben Milliarde Euro, Tendenz steigend. Nur eines gibt es nicht: ein an die Bilanz gebundenes Prämiensystem. Da lassen wir uns etwas anderes einfallen. Ein System, das an echte Erfolge geknüpft ist, das direkt mit der realen Wertschöpfung des Unternehmens zusammen hängt.

      Was den Umfang der Firma angeht, da müssen wir Maßstäbe setzen. Ziel ist es, alle anfallenden Tätigkeiten darin unterzubringen. Die Phrase, auf das Kerngeschäft konzentrieren, ist bei uns tabu. Also vom Steuerbüro, über Rechtsabteilung, Hausverwaltung, bis zum Fuhrpark, bleibt alles im eigenen Haus. Natürlich nicht auf einmal, aber in absehbarer Zeit möchte ich sämtliche Tätigkeiten, die zur Unternehmensabwicklung gehören, in unseren Händen wissen. Wie ich schon erwähnte, ich möchte alles anders machen als diese etablierten Heuschrecken. Outsourcing, Leiharbeit, solche Dinge beschränken sich nur auf den äußersten Notfall. Mein Part wird überwiegend darin bestehen, mit Ihnen zusammen die Grundregeln des Unternehmens festzulegen. Dazu werde ich mit Aktiengeschäften für frisches Kapital sorgen. Diesen Geschäftszweig wickeln wir ebenso über das Unternehmen ab, aber darin kennen Sie sich ja bestens aus.“

      Was sollte er dazu noch sagen? „Über Nacht vom kleinen Anlageberater zum Top-Manager. Das ist doch zu schön, um wahr zu sein. Wo sitzt da der Haken?“ Er konnte keinen entdecken. Scherer spürte, wie ihn der Drang nahezu übermannte, sofort zuzusagen. Aber Berger kam ihm zuvor. „Machen Sie sich nicht zu viel Stress. Ich verlange heute Abend keine Entscheidung von Ihnen. So etwas muss natürlich überlegt, und auch mit der Familie abgesprochen werden. Überschlafen Sie das Angebot, sofern Sie heute noch zum Schlaf kommen, besser Sie lassen sich eine ganze Woche Zeit. Sie haben ja meine Mailadresse und Telefonnummer, Sie können mich also jederzeit erreichen. Scheuen Sie sich nicht, mir über diesen Weg Fragen zu stellen. Ich kann mir denken, dass noch viele auftauchen werden.“