Der Regent. Roland Bochynek

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Название Der Regent
Автор произведения Roland Bochynek
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750262287



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'prekäre Beschäftigung' versteckt. Man bezahlt den Mitarbeitern Hungerlöhne, die der Staat aufstocken muss. Steuergelder in Milliardenhöhe werden so für Sozialhilfen aufgewendet, die an anderer Stelle fehlen. Somit ist auch dies eine Subventionierung der Profite einiger weniger.

      Der industrielle Aufbau ist längst einem Verdrängungskampf gewichen. Es wird nicht mehr nach Bedarf produziert, sondern Bedarfe werden durch Marketing-Strategien erst geweckt. Oft für absolut unnötige, nicht selten auch schädliche Produkte. Es wird nicht hergestellt, was gebraucht wird, sondern das, was sich billig produzieren lässt.

      Allerorten wird Wachstum angestrebt, aber niemand bedenkt, dass unsere Erde nicht mitwächst. Wenn Indien und China nur annähernd unseren Lebensstandard erreichen würden, wären wahrscheinlich sämtliche Rohstoffvorräte verbraucht. Die globalen Ressourcen sind nun mal begrenzt.

      Nicht nur in den ärmsten Agrarländern arbeiten Bauern Tag und Nacht auf ihren Feldern, nur, um nach der Ernte noch ärmer zu sein als vorher. Oft sind sie fast wie Leibeigene an Knebelverträge von Konzernen gebunden. Von ihrem Ertrag können sie sich noch nicht einmal ernähren, da es sich nicht selten um genmanipulierte Agrarprodukte für industrielle Zwecke handelt, die für den menschlichen Verzehr nicht geeignet sind. Wenige Großkapitalisten teilen die Welt unter sich auf, dabei skrupellos über Leichen gehend. Das oft sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Wir alle erinnern uns an die Industrie-Katastrophen in Seveso, Bopal, Bangladesch, oder in den Ölfeldern im mexikanischen Golf. Unfälle und Unglücke lassen sich bei genauer Recherche meist auf den von Managern ausgeübten Druck auf die Mitarbeiter, oder übertriebenen Sparwahn, meist bei den Sicherheitsmaßnahmen, zurückführen.

      Wesentlich schlimmer als diese glücklicherweise eng begrenzten Katastrophen machen sich die schleichenden Folgen der Ausbeutung von Menschen und Umwelt bemerkbar. Jeder kennt die Berichte von kilometerweiten Waldrodungen, aussterbenden Tierarten sowie vertriebenen Naturvölkern. Noch niemand hat erfasst, um wie viel sich die Lebenserwartung der Menschen, sowohl in den Industriestaaten als auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern, durch die Machenschaften der Großkonzerne verringert. Wie lange kann das noch so weiter gehen?

      Schon viele Bücher wurden zu der Problematik verfasst. '1 Billion Dollar' von Andreas Eschbach, 'Planet der verrückten Affen' von Jan Umsonst oder 'Daemon', bzw. 'Darknet' von Daniel Suarez, um nur einige zu erwähnen. Das Thema bleibt immer noch aktuell. Man braucht nur die Berichte über die Konflikte im Nahen Osten, oder die an Peinlichkeiten nicht mehr zu übertreffende Präsidentenwahl 2016 in den USA zu verfolgen.

      Prolog

      Im Südwesten Deutschlands, an der Südspitze der oberrheinischen Tiefebene gab es einen von der Sonne verwöhnten Landstrich, die Südpfalz. In mediterranem Klima eingebettet lag die Stadt Landau. Nicht weit entfernt führte ein schmales Sträßchen von der idyllischen Weinstraße Richtung Haardt, dem bis zu 670 Meter hohen Gebirgszug, der die Rheinebene im Westen begrenzte. Nur hin und wieder fuhr auf der Straße ein Fahrzeug. Es hatte den Anschein, dass dieser Weg hinter der nächsten Kurve in einem Weinberg endete. In Wirklichkeit führte er kurvenreich auf eine den Bergen vorgelagerte Anhöhe. Ein paradiesischer Fleck. Bei günstigem Wetter hatte man eine fantastische Aussicht. Sie reichte im Südosten bis zum Schwarzwald. Weiter nördlich erkannte man sogar im Hintergrund von Ludwigshafen den Odenwald.

      Das Plateau selbst bildete eine gepflegte, von Kastanienbäumen umgebene Parklandschaft. Unterhalb der Kastanien erstreckten sich Weinberge, die bis weit in die Ebene reichten. Ein herrlicher Ausblick. Mitten in der Anlage stand eine stattliche Villa. Ihr Äußeres schmiegte sich harmonisch in die Landschaft. Sogar die Nebengebäude passten sich optimal an die Umgebung an. Man konnte das Anwesen mit einem verstecken Raubvogelhorst vergleichen. Aus der Entfernung erkannte man die Villa kaum. Einer der vielen Sicherheitsfaktoren. „Protze nicht mit deinem Reichtum, dann kommt keiner auf die Idee, ihn dir wegzunehmen.“

      Das Anwesen bildete im Großen und Ganzen den einzigen Luxus, den sich Berger gönnte. Dabei hätte er in jeder Provinz eine solche Residenz haben können ...

      In der Villa brannte nur in einem Zimmer Licht. Es war sechs Uhr morgens, das Personal würde erst in zwei Stunden den Dienst antreten. Berger, ein Frühaufsteher, nutzte gerne diese Zeit, um anstehende Arbeiten ungestört zu verrichten. Weder im Haus noch von außerhalb störte ihn jetzt jemand. Aber heute blieben einige Dinge liegen. Auf die üblichen Routinearbeiten konnte er sich nicht konzentrieren. Zu groß war seine Enttäuschung. In tiefer Nachdenklichkeit versunken saß er im Arbeitszimmer. Er betrachtete den einhundert Millimeter großen Würfel aus reinstem Silizium auf seinem Schreibtisch. Noch immer klangen ihm diese Worte in den Ohren: „Das Projekt ist gescheitert.“

      Diese Worte hörte er gestern im Besprechungsraum der Firma Chip-Design in Dresden. Das gesamte Projektteam fand sich zur Besprechung ein. Die Leitung hatte Entwicklungsingenieur Eberhard Klein, einer der größten Kapazitäten auf dem Gebiet der Halbleitertechnik europaweit. Krisensitzung! Das Projekt trat auf der Stelle. Entsprechend deprimierend fiel Klein's Bericht aus. Bericht? Es klang eher wie ein Offenbarungseid. Auch sein Schlussvortrag hörte sich nicht besser an:

      „...Fassen wir zusammen: Die letzte Testserie ist abgeschlossen. Einen Monat lang haben wir das Objekt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln getestet, weitere Alternativen haben wir nicht. Es fällt mir schwer, es auszusprechen, aber das Projekt ist gescheitert. Nach unserem Kenntnisstand benötigen wir mindestens weitere zwanzig Jahre Grundlagenforschung. Vorher wird es nicht gelingen, einen Computer zu bauen, der auf Basis von Quantenverschränkungen funktioniert. Echte künstliche Intelligenz gibt es vorerst nicht.“ Den Blick auf Berger gerichtet fuhr er fort: „Ich weiß wie sehr Sie an dem Projekt hängen. Deshalb wird es nur ein schwacher Trost für Sie sein, dass wir aus dieser Forschung viele Erkenntnisse für die laufende Produktion erzielten. Die Investition, immerhin über eine Milliarde Euro, war somit nicht umsonst. Dank der großzügigen Forschungsgelder, die Sie uns bereitgestellt haben, ist die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nach wie vor bestens gesichert. Wenn Sie damit einverstanden sind, erkläre ich das Projekt für beendet. Ich werde die Teammitglieder den entsprechenden Abteilungen zuteilen, damit die hier gewonnenen Erkenntnisse in die Produktion einfließen.“ Berger blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Hier weiter zu forschen wäre Zeit- und Geldverschwendung. Immerhin konnte die Produktion der Halbleiter-Chips in der laufenden Fertigung erheblich optimiert werden. Das verschafft der Chip-Design einen gewaltigen Vorsprung vor der Konkurrenz. Trotzdem sah ihm jeder seine Enttäuschung an.

      Nach der Besprechung saßen Berger und Klein beisammen, um das weitere Vorgehen im Unternehmen abzustimmen. Er bat Klein darum, den letzten Siliziumquader zum Andenken mitnehmen zu dürfen. Er mag ja aussehen wie ein Briefbeschwerer, sicher einer der teuersten der Welt. Aber für Berger bedeutete er ein Mahnmal dafür, dass seine Fähigkeiten Grenzen hatten.

      Das endgültige Aus dieser Idee schmerzte ihn. Der Versuch, die Computerwelt zu revolutionieren war gescheitert. Er hätte das wissen müssen. Schon zu Beginn des Projektes stellte sich heraus, dass alle Informationen über Forschungserfolge in Sachen Quantencomputer, die seit Jahren immer wieder in den Medien erschienen, nicht das hielten, was sie versprachen.

      „Alle Forschungen im Quantenschaum waren Seifenblasen.“ Dieser Wortwitz machte schnell die Runde in seinem Forschungsteam. Hier zeigte sich das Dilemma der heutigen Forschungen. Weil die Wissenschaftler zu sehr am Tropf von Gönnern oder Investoren hingen, mussten auf Biegen und Brechen positive Ergebnisse vorgelegt werden. Die Angst vor gekürzten oder gar gestrichenen Forschungsgeldern verlieh vielen Forschern Flügel. Zumindest bei der Ausarbeitung ihrer Veröffentlichungen.

      Oft steckte nicht mal Absicht hinter solchen Pseudoerfolgen. Durch Erfolgszwang getrieben, wurden viele Forscher Opfer ihrer eigenen, allzu menschlichen Denkweise. Sie erkannten nicht, dass sie unbewusst ihre ganze Forschung nur darauf ausrichteten, ihre eigenen, vorgeformten Ideen zu bestätigen. Solches Scheuklappendenken führte dann häufig zu folgenschweren Fehlinterpretationen bei den Testergebnissen.

      Bestenfalls konnten die meisten 'sensationellen Forschungsergebnisse' dazu verwendet