Название | Der Regent |
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Автор произведения | Roland Bochynek |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750262287 |
Haas stand wie in Trance vor der alten Werkstatt, die jetzt ausgedient hatte. Er wusste noch immer nicht, ob er träumte oder nicht. „Meine Frau glaubt mir das nie, zehn Millionen, sogar das Patent wird auf den Namen Haas laufen.“ Am liebsten hätte er gleich zugesagt. Langsam bekam er wieder den Glauben an die Menschheit zurück.
„Haas und Co. Spezialwerkzeuge! Wie das klingt!“
Die heiße Phase lief an. Das Team saß im Besprechungsraum der All-Invest AG. Der Firmenname klang wunderbar nichtssagend, so unscheinbar. Scherer hatte bei der Namensgebung des Unternehmens gute Arbeit geleistet, genauso wie bei allem anderen. Eine neue Firma, hoch motivierte Teams, dazu eine optimale Ausstattung. Was sollte jetzt noch schief laufen. Scherer spottete einmal darüber: „Man muss aufpassen, dass man unsere Mitarbeiter nicht schon von Weitem am Geruch von frischer Farbe und neuem Mobiliar erkennt.“ Das Unternehmen hatte sich zwei Etagen in einem modernen Bürogebäude in Neustadt an der Weinstraße angemietet, natürlich mit der Option auf Erweiterung, sofern dies erforderlich würde. Auch den Standort hatte Scherer gut gewählt. Eine wirtschaftlich eher unscheinbare Stadt aber mit optimaler Verkehrsanbindung. Hier konnte man sich gut verstecken, wenn man im Hintergrund bleiben wollte, trotzdem war man nicht vom Puls des Wirtschaftslebens abgeschnitten.
„Meine Damen und Herren!“, eröffnete Scherer die Besprechung. „Dies ist ein denkwürdiger Augenblick. Wenn uns das gelingt, was wir beabsichtigen, was wir hier und jetzt im Detail besprechen, dann werden wir auf lange Sicht die Wirtschaftswelt des Landes positiv beeinflussen. In dieser Hinsicht tragen wir alle eine große Verantwortung. Bitte geben Sie deshalb Ihr Bestes.“ Scherer erklärte die Ausgangssituation, unterlegt mit an die Wand projizierten Daten.
„Wir haben die Firma NW-Maschinenbau AG Neustadt für ein Butterbrot gekauft. Das Unternehmen ist für uns ein Bilderbuch-Beispiel. Total überschuldet und trotz voller Auftragsbücher schaffen sie es nicht, sich aus dem Sumpf zu befreien. Alleine diese Gegebenheiten lassen schon auf ein miserables Management schließen. Die genaue Ursache wollen wir jedoch erst herausfinden. Deshalb werden wir jetzt einen Schlachtplan entwickeln, wie wir das Unternehmen durchleuchten können, ohne dass Missstände verborgen bleiben. Die Grundstrategie der Prüfung steht ja schon fest. Wir wühlen uns also von oben nach unten durch den ganzen Laden. Das offizielle Prüfer-Team wird sich hauptsächlich die Bücher vornehmen.
Neben der Bestandsaufnahme werden Sie intensiv nach Schlupflöchern suchen, in denen das Kapital der Firma verschwunden ist. Dafür wurden Sie ja ausführlich geschult. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei. Gleichzeitig durchkämmt unser zweites Team unter dem Deckmantel der genauen Bestandsaufnahme des Inventars das gesamte Unternehmen. Jede Abteilung und jeder Raum wird so geprüft. Aber auf keinen Fall dürfen Sie Ihre Hauptaufgabe außer Acht lassen. Sie müssen den Kontakt zu den Mitarbeitern herstellen. Nur so können Sie erfahren wo aus Sicht der Belegschaft der Schuh drückt. Nehmen Sie sich Zeit, suchen Sie das Gespräch mit den Menschen dort. Aufgrund Ihrer Informationen haben wir dann auch die Möglichkeit, Kandidaten zu finden, die einmal Führungsaufgaben übernehmen können. Außerdem erfahren wir dadurch einiges über die Hintergründe der wirtschaftlichen Schieflage.
Als Zeitplan sehe ich sechs Wochen für die Prüfung vor, sowohl die wöchentlichen Zwischenberichte als auch den Endbericht bitte persönlich an mich senden. Sollten Sie gravierende Dinge entdecken, melden Sie sich unverzüglich, aber möglichst ohne Aufsehen in der Firma zu erregen. Zur Mitte der Prüfungszeit treffen wir uns noch einmal hier, um festzulegen, ob wir in irgendeinem Punkt die Strategie ändern müssen.“ Dann folgten einige kleine Detail-Absprachen, bevor es ernst wurde.
Sechs Wochen harte Arbeit lagen hinter dem Prüfungsteam. Die Ergebnisse zeigten ein niederschmetterndes Bild. „Das ist keine Firma, das ist eine offene Schublade, in die jeder Manager nach Herzenslust hineinlangt!“, fluchte Scherer. „Allein die Spesenabrechnungen würden bedeuten, dass die drei Vorstände die letzten fünf Jahre ihre Familien nicht mehr gesehen haben. So viele Arbeitsessen kann kein normaler Mensch in dem Zeitraum abhalten! Ganz zu schweigen von den unzähligen anderen Verfehlungen. Einen solch unverfrorenen Griff in die Kasse habe ich noch nicht gesehen. Hier paarte sich absolute Unfähigkeit mit krimineller Energie. Dies ist ein Fall für den Staatsanwalt. Ich denke, das weitere Vorgehen sollten wir mit den zuständigen Behörden abstimmen. Vielleicht können wir einen Lokaltermin mit anschließender Mitarbeiterversammlung organisieren. Ich werde mich mit den Leuten der Kripo, Abteilung Wirtschaftskriminalität in Verbindung setzen.“
Das Besprechungszimmer auf der Chefetage der Maschinenbau AG, war ein luxuriös ausgestatteter Raum, im Gegensatz zu den Büros und Arbeitsplätzen der Mitarbeiter. An einem langen Oval saßen sich die Parteien gegenüber. Auf einer Seite der Vorstand der Maschinenbau, Karl Malzer mit den beiden Stellvertretern, gegenüber platzierte sich Scherer mit seinem Team, immerhin acht Personen. Scherer trug das Prüfergebnis vor. Geduldig hörten alle zu, obwohl die Zahlen eher zum Weglaufen animiert hätten. Nachdem er den Vortrag beendet hatte, herrschte betretenes Schweigen. „Herr Malzer!“, begann Scherer, „Sie haben die Ergebnisse der Prüfung gehört. Sie zeigen, dass der Betrieb unmittelbar vor der Pleite steht. Als Vorstand haben Sie doch sicher schon Pläne erarbeitet, wie die Firma zu retten ist. Was gedenken Sie als Verantwortlicher gegen diese Misere zu unternehmen?“
Sichtlich nervös setzte Malzer zu einem Vortrag an. „Äh… selbstverständlich habe ich schon Vorschläge in der Schublade. Ich hätte sie auch längst umgesetzt, wenn nicht der Verkauf des Unternehmens dazwischen gekommen wäre. Diese, äh Transaktion, verzögerte natürlich alles.“ Tiefes Durchatmen: „Mein Plan sieht vor, auch die restliche Fertigung der Halbwaren nach Fernost auszulagern. Wir könnten dadurch die gesamte Metallbearbeitung dichtmachen. Das würde uns von 30% des Personals befreien und …“ „Befreien? Vom Personal befreien???“, schrie Scherer ihn an. „Sie reden da von Menschen! Die würden Sie einfach so auf die Straße setzen? Was wollen Sie damit erreichen? Das Unternehmen schrumpft weiter, wird noch weniger überlebensfähig!“ Malzer versuchte, etwas einzuwenden, aber Scherer ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. „Ich kann Sie durchaus verstehen, diese Aktion passt haargenau zu Ihrem Charakter! Das Einzige, was sich damit verbessert, wäre die nächste Bilanz wegen der Kostenauslagerung. So machen Sie sich zum ausschließlichen Nutznießer, weil dadurch Ihre Boni steigen. Das passt genau zu Ihnen, so wie Sie die ganze Zeit auf kriminelle Weise dieses Unternehmen ausgesaugt haben.“ Malzer sprang von seinem Sessel auf. „Bleiben Sie sitzen! Wir haben genug Material in den Büchern gefunden, um Sie alle drei hinter Schloss und Riegel zu bringen. Allein Ihre Spesenabrechnungen überschreiten den Begriff sittenwidrig über alle Maße. Dazu kommen die Scheinverträge der Maschinenbau AG mit euch dreien und mit Ihren Ehefrauen. Ich frage mich, ob die Damen davon überhaupt etwas wissen. In den letzten vier Jahren wurden von Ihnen rund zehn Millionen Euro veruntreut – ja veruntreut, von euch dreien! Mit dem fehlenden Geld hätte die Firma saniert werden können. Dafür ziehen wir Sie zur Rechenschaft!“
Jeder im Raum erkannte den Angstschweiß auf Malzers Stirn. Sichtlich verlegen versuchte er, sich herauszureden: „Nun ja, äh, ich räume ja ein, dass wir vielleicht die eine oder andere unglückliche Entscheidung getroffen haben. Äh, ...die zehn Millionen sind aber starker Tobak. Außerdem muss so eine Behauptung erst mal bewiesen werden. Wir haben uns hier eindeutig branchenüblich verhalten. Das machen alle so. Ich kenne eine Vielzahl von Kollegen, die gleichzeitig als Berater für die eigene Firma tätig sind. Ich denke, wir sind ja hier unter uns. Da müsste doch sicher eine gütliche Einigung möglich sein. Wir könnten zum Beispiel als Ausgleich für die äh ... Fehlentscheidungen dieses Jahr unsere Boni etwas reduzieren?“
„Herr Malzer!“, begann Scherer sichtlich gereizt. „Erstens sind die zehn Millionen rechtssicher als veruntreut nachgewiesen, dank Ihrer eigenen Unfähigkeit, solche Dinge richtig zu vertuschen. Zweitens werden wir Sie über diese Summe voll in Regress nehmen. Drittens irren Sie sich auch darüber, dass wir unter uns sind. Der Herr zu meiner Linken, Herr Schröder, gehört nämlich nicht zu unserem Team. Er ist der für Wirtschaftskriminalität zuständige Staatsanwalt, den ich zu diesem Treffen eingeladen habe. Er wurde von uns über alles informiert. Ihm liegen alle Beweise vor, die wir