Der Regent. Roland Bochynek

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Название Der Regent
Автор произведения Roland Bochynek
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750262287



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Er hatte recht! Eintausendfünfzig Euro gewonnen, mit einem Spiel! Es war nicht sein letzter Gewinn an diesem Tag.

      Am Ende des Abends hatte er mehr als die Hälfte der Zahlen richtig geraten. Heinz dagegen wurde von Pech verfolgt. Mit über einhunderttausend Euro in der Tasche verließ Berger das Casino, einen deprimierten Heinz im Schlepptau.

      „Wie viel hast du verloren?“ „Alles“, antwortete Heinz. „Die ganzen fünfhundert sind weg!“ Auf der Rückfahrt tastete Berger nach seiner Brieftasche. Er hatte Probleme, sie einzustecken. Sie war so dick, dass sie kaum in die Innentasche der Jacke passte. „Hör zu Heinz, ich weiß nicht, was mit mir heute Abend los war, möglicherweise leerte sich mein Glückskonto fürs ganze Leben in den letzten vier Stunden auf einmal aus. Dass so etwas nicht die Regel ist, das ist mir klar, ich kann es nicht erklären. Aber dein Schicksal ist das normalste der Welt! Grundsätzlich gewinnt nur die Bank. Lass dir das eine Lektion sein. Ich ersetze dir den Verlust, wenn du mir versprichst, nie wieder an ein Glücksspiel auch nur zu denken.“ „Da kannst du Gift drauf nehmen! Ich habe meine Lehre aus diesem Abend gezogen. In den Gemäuern wirst du mich nicht mehr finden. Zu Hause werde ich als Erstes alle meine Berechnungen löschen. Sämtliche Unterlagen darüber landen im Ofen.“ Heinz konnte seine Eifersucht auf Bergers Erfolg nicht vollkommen unterdrücken.

      Als sich Berger am nächsten Tag von Heinz verabschiedete, steckte er ihm im letzten Moment einen Umschlag zu. „Hier, ich habe es dir versprochen und eine Kleinigkeit dazugelegt. Denk an dein Versprechen. Keine Glücksspiele mehr!“ „Fünftausend Euro sind angemessen dafür, was Heinz gestern durchgemacht hat“, dachte er für sich, „außerdem tut es mir nicht weh.“

      Auf der Heimfahrt grübelte Berger über die Ereignisse. „War das jetzt ein einmaliger Zufall? Falls nicht, woher kommt dieses Wissen dann?“ Wenn er so recht überlegte, hatte er ja schon immer ein Gespür für Zahlen. „Beruht darauf auch der Erfolg im Job?“ Irgendwie wusste er doch in den meisten Fällen, wo sich der Einsatz lohnte, und wo nicht. Zahlen und ihre Zusammenhänge hatten ihn ja schon immer fasziniert. Ähnlich erging es ihm im Casino. Kein absolutes Wissen, nein, nur so eine Art Gefühl, was richtig ist. „Ich muss das herausfinden!“ Er nahm sein Smartphone, um in der Firma anzurufen. Er brauchte ein paar Tage Urlaub mehr. Schließlich musste er austesten, wie weit seine neu entdeckten Fähigkeiten reichten.

      Casino Karlsruhe, Spielbank Bad Dürkheim, Koblenz, Saarbrücken ... Einen Spiel-Marathon hatte er hinter sich. Dafür verließ er alle Casinos jeweils um mehr als hunderttausend Euro reicher. Es stand fest: Diese Begabung war von Dauer, zumindest mittelfristig. Das würde erhebliche Änderungen in seinem Alltag verursachen. „Den Job an den Nagel hängen, möglichst sofort, den habe ich sowieso gehasst. Ich werde Geldanlagen suchen müssen.“ Dann plante er sein Leben neu. „Auf jeden Fall baue ich mir ein Haus. Eine Traumvilla, in einer Traumlage, vielleicht irgendwo bei Landau, die Gegend und das Klima dort gefielen mir schon immer. Von so einer Möglichkeit habe ich mein Leben lang geträumt. Willkommen Luxus!“

      Berger wachte in einem Hotelbett auf.

       „Wo bin ich?“

       „Welches Hotel ist das?“

      

       „Verdammt, in welcher Stadt bin ich denn???“

      Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder orientieren konnte. Solche Zustände hatte er öfter in letzter Zeit. „So geht das nicht weiter!“ Über ein Jahr zog er schon kreuz und quer durch Deutschland, sogar ein Stück darüber hinaus, von einem Casino zum anderen. Dieses Zigeunerleben, selbst auf höchstem Niveau, war nichts für ihn. Dafür war er zu bodenständig. So langsam bekam er einen Hotelkoller. Da halfen nicht mal die komfortabelsten, teuersten Unterkünfte. Er hatte jetzt zwar einige Millionen auf seinem Konto, aber zu welchem Preis?

      Seinen Freundeskreis musste er aufgeben, hohes Ansehen hatte er trotz des vielen Geldes auch nirgends. Einige Casinos erteilten ihm sogar schon Hausverbot, dort hatte er die Gewinne etwas übertrieben. Wenn sich jetzt nichts änderte, würde er womöglich offiziell als Spiel-Junky abgestempelt. Spontan packte er seine Sachen, zahlte das Zimmer und fuhr auf direktem Weg nach Hause.

      Er brauchte einen festen Bezugspunkt, vor allem: ein sinnvolles Lebensziel. „Wie geht es jetzt weiter? Die Zockerei hat ein Ende.“ Mit seinem Vermögen ließe sich etwas anderes anfangen. Es war ja geradezu lächerlich, eine solche Summe nur auf einem Konto liegen zu lassen. Außerdem meldete sich sein Gerechtigkeitssinn wieder. Er hatte sowohl Geld als auch eine Begabung. Hatte er da nicht die Pflicht, zumindest einen Teil von beidem zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen? Aber wie konnte er das möglichst effektiv umsetzen, ohne dass er dabei von jemanden über den Tisch gezogen wurde?

      Die Idee kam ihm beim Durchblättern der Zeitung. Im Wirtschaftsteil fielen ihm die Börsennachrichten auf. Jetzt erkannte er sein Ziel. Ein Unternehmen aufbauen, alles anders machen als diese Profit-Junkies in den Konzernen. Dazu benötigte er aber wesentlich mehr Kapital. Seine 'paar Millionen' aus den Roulette-Gewinnen reichten da nicht aus. Das erforderliche Geld nahm er am besten denen ab, die er bekämpfen wollte. Ob seine Fähigkeiten auf dem Börsenparkett ebenso funktionierten? Er schaltete den Laptop ein, um mit einer umfangreichen Recherche zu beginnen. Schnell merkte er, dass dies kein Kinderspiel werden würde. Zu vieles war ihm in dem Metier unbekannt. Allein die ganzen Fachbegriffe. Er musste noch mal kräftig die Schulbank drücken. Aber er hatte ein Ziel. Um dies zu erreichen, nahm er den Aufwand gerne in Kauf.

      Er arbeitete eine Vielzahl von Fachbüchern durch und besuchte Kurse. Tagelang suchte er das Internet nach Informationen ab. Dann endlich fühlte er sich bereit. Er eröffnete ein Aktiendepot. Zuvor hatte er auf dem Laptop, nachdem er die entsprechenden Webseiten gefunden hatte, seine Begabung am Börsengeschehen ausprobiert. Es schien zu klappen, zumindest in der Theorie! Wenn er sich einen Aktienkurs aussuchte und darauf konzentrierte, dazu einige Hintergrundinformationen zu dem Unternehmen im Internet nachschlug, dann ahnte er in vielen Fällen schon, wie sich die wirtschaftliche Lage der Firma entwickelte. „So funktioniert das also! Alles Weitere wird der praktische Versuch zeigen.“

      Jetzt kam das Mühselige an dieser Aktion. Er suchte den Markt nach den Aktien ab, die seinem Gespür entsprechend die größten Renditen in kürzester Zeit versprachen. „Na ja, Roulette spielen ging einfacher.“ Aber schließlich hatte er passende 'Opfer' gefunden. Er identifizierte ein paar kleinere Unternehmen, welche sich nach seiner Vorahnung kurz vor einem technologischen Durchbruch befanden. Ein sicheres Zeichen dafür stellte ein sehr niedriger Aktienkurs dar, der in keinem Verhältnis zum wahren Wert des Unternehmens stand. Der wurde dadurch ausgelöst, dass viel Geld in Forschung und Entwicklung floss, wodurch nicht genug übrig blieb, um den Geiern an der Börse möglichst schnelle Profite zu bescheren.

      Fünf Millionen Euro riskierte er gleich bei der ersten Hausse, beinahe die Hälfte seines Vermögens. Dann kam das bange Warten. Hatte er recht mit den Prognosen? Wie hoch würde die Rendite, wenn sie denn überhaupt existierte? Nervenaufreibend war, dass die Kurse erst einmal noch tiefer sanken. Jetzt hieß es Ruhe und Nerven bewahren!

      Nach einem viertel Jahr hatte sein Aktienpaket nur noch einen Wert von drei Millionen Euro. Er wurde unsicher. Zwei Wochen später hatte er wieder eine halbe Million verloren. Allmählich zweifelte er an sich und an seiner Begabung. Aktienhandel ist eben kein Roulettespiel. Berger überlegte, wie er die Aktien loswerden konnte, ohne noch mehr zu verlieren. Das Einzige, was ihm sinnvoll erschien, war sie in kleinen Paketen anzubieten, damit der Kurs nicht völlig zusammen brach.

      Noch einmal kontrollierte er in den Börsennachrichten den aktuellen Stand des Kurses, bevor er der Bank die Order zum Verkaufen erteilen wollte. Sein Blick fiel auf eine Schlagzeile. Ein Bericht über die Firma Schroll Kunststoff Recycling AG. Er hatte 45% Anteile an dem kleinen Unternehmen, welchem der Durchbruch bei der Wiederverwertung von Kunststoffabfällen gelang, die bisher nicht als recycelbar galten. Ihr Aktienkurs explodierte. „Gewonnen!“ Er hatte auf das richtige Pferd gesetzt. Einhundertfünfzig Prozent Gewinn in sechs Monaten. „Das soll mir mal einer