Der Regent. Roland Bochynek

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Название Der Regent
Автор произведения Roland Bochynek
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750262287



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den letzten Worten Scherers hatte Schröder bereits sein Smartphone zur Hand genommen und eine Verbindung zu seinen Mitarbeitern aufgebaut. Er sprach nur ein Wort „Zugriff!“ Daraufhin öffnete sich die Tür und sechs Polizisten traten ein. Sie postierten sich hinter den drei Vorständen. Das Ganze lief so glatt ab, dass ein Beobachter dies als einstudierte Choreografie angesehen hätte.

      „Ich verhafte Sie wegen Betruges, Veruntreuung, sowie Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Das Gesprächsprotokoll dieser Sitzung wird natürlich auch als Beweismittel gegen Sie verwendet. Bevor Sie jetzt abgeführt werden, geben Sie noch alle Gegenstände, die dem Unternehmen gehören wie Smartphone, Laptop, Autoschlüssel der Geschäftswagen, usw. ab.

      Ich darf mich hier nochmals ausdrücklich bei Herrn Scherer, sowie seinem gesamten Team für die gute Kooperation bedanken. Auch möchte ich bekannt geben, dass es uns, nicht zuletzt wegen der optimalen Zusammenarbeit mit Ihren Mitarbeitern gelungen ist, Konten, Depots und Besitztümer der drei Herren ausfindig zu machen. Die Beschlagnahmung läuft in diesem Moment an. Die gefundenen Beträge werden den angerichteten Schaden mindestens zu zwei drittel ersetzen. Die Herrschaften haben sich offensichtlich bei der Arbeit genauso dilettantisch angestellt, wie beim Verstecken ihrer Beute. Ich denke, dass Sie über den größten Teil der beschlagnahmten Summe in etwa vier bis sechs Wochen verfügen können. Jetzt bitte abführen!“ Keiner der drei hatte mit so einer Aktion gerechnet. Sie waren so vollkommen überrumpelt, dass sie noch gar nicht richtig begriffen, wie ihnen geschah.

      Um alle Gerüchte und Unruhen im Keim zu ersticken, wurde diese Aktion so geplant, dass unmittelbar danach eine Betriebsversammlung stattfand. Die Mitarbeiter saßen bereits in einer großen Halle, während die Ex-Vorstände von der Belegschaft unbemerkt abgeführt wurden. Als Berger, Scherer und ihr Team die Halle betraten, wurde es schlagartig still. Nur leises Gemurmel drang an Bergers Ohr. Darin erkannte er Worte wie Heuschrecken, neue Ausbeuter, und noch Schlimmeres. Aber damit hatte er gerechnet. Er konnte es den Menschen nicht verübeln.

      Nach den Begrüßungsworten des Betriebsratsvorsitzenden, bei der er sein Erstaunen zum Ausdruck brachte, dass der Vorstand wieder einmal durch Abwesenheit glänzt, ergriff Scherer das Wort. Er kam gleich zur Sache:

      „… natürlich wurden die drei verhafteten Vorstände von uns fristlos entlassen, was aber nicht darüber hinwegtröstet, dass die Bücher der Firma tiefrote Zahlen aufweisen. Wir sehen uns gezwungen, das Unternehmen einer Totalsanierung zu unterziehen.“ „Wie viel Arbeitsplätze wird uns das wieder kosten?“, kam ein Zwischenruf. „Lassen Sie es mich erklären“, erwiderte Scherer, „Ja, wir werden das Unternehmen sanieren, aber in einer unüblichen Weise. Wie Sie alle wissen, sind die Auftragsbücher voll, jedoch wird nicht genügend produziert. Außerdem gibt es zu viel Ausschuss, besonders bei den in Fernost eingekauften Halbwaren.

      Das wird sich ändern. Bevor ich zu Ihnen kam, habe ich dem Personalbüro den Auftrag erteilt, sich mit allen Mitarbeitern in Verbindung zu setzen, die in letzter Zeit entlassen wurden, um sie erneut zu rekrutieren. Wir werden aus diesem Laden wieder ein blühendes Unternehmen machen!“ Verhaltener Applaus kam auf. „Wir sind keine Heuschrecken, die Firmen kaufen und dann auslutschen. Wir haben die Firma erworben, um damit Gewinne zu erwirtschaften. Dazu braucht es in doppelter Hinsicht Kapital. Das benötigte Geld wird von uns kommen, alle Schulden haben wir bereits bezahlt.

      Das andere Kapital, das ich meine, ist das Können sowie das Wissen der Mitarbeiter. Darauf bauen wir. Zukünftig werden wir so viele Kräfte einstellen wie nötig, unabhängig davon, wie sich das in den nächsten Quartalszahlen auswirkt. Wir denken wieder mittel- bzw. langfristig. Ab sofort werden nicht mehr die Bankkonten der Vorstände, sondern das Betriebsklima gepflegt, denn Sie, die Mitarbeiter, sind der wichtigste Teil des Unternehmens!“ Jetzt brandete ihm tosender Applaus entgegen.

      „Unsere Ziele für das Unternehmen sehen wie folgt aus: Alles wird hier im Haus gefertigt. Kein Outsourcing mehr, keine Leiharbeiter, höchstens mal, um Notsituationen zu überbrücken. Ausbildung von Nachwuchs, Aufstiegschancen in allen Ebenen. Die zukünftigen Geschäftsführer werden aus Ihren Reihen kommen. Die Lohnrückstände zahlen wir Ihnen mit der nächsten Abrechnung aus. Spätestens im folgenden Jahr heben wir alle Löhne und Gehälter auf das übliche Tarif-Niveau an.

      Wir wollen, dass Sie gerne zur Arbeit gehen, auch weil dadurch die Qualität der Produkte gesichert wird. Wenn Sie einmal bei Gesprächen mit Freunden wie selbstverständlich den Begriff – in meiner Firma – benutzen, dann wissen wir, dass wir unser Ziel erreicht haben. Dann haben Sie sich mit diesem, mit Ihrem Unternehmen identifiziert. Damit sich Ihre Laune noch etwas erhellt, darf ich Ihnen ankündigen, dass wir alle Mitarbeiter zukünftig am Unternehmensgewinn beteiligen werden.

      Das geschieht in Form einer zusätzlichen Altersversorgung, sowie einer jährlichen Gewinnausschüttung. Allerdings rechnen Sie in diesem Jahr noch nicht damit. Bis wir hier wieder alles im Lot haben, werden wir im laufenden Geschäftsjahr noch dicke rote Zahlen schreiben.“ Nachdem der Applaus endlich abgeebbt war, kamen natürlich eine Menge an Zwischenfragen. Aber Scherer spürte, man hatte den richtigen Weg eingeschlagen. Wenn man die Gier einzelner verhinderte, würde der Betrieb wieder funktionieren.

       Ein Imperium entsteht

      Scherer fühlte sich voll in seinem Element. Er lief quasi über vor Begeisterung. Berger versuchte, ihn etwas zu bremsen. Er erinnerte ihn gelegentlich daran, dass er auch noch eine Familie hatte. Scherer antwortete fast immer auf die gleiche Weise: „Wo außer in diesem Unternehmen, bekommt man denn noch die Chance, seine Ideen so zu verwirklichen? Das muss man doch ausnutzen!“

      Scherer hatte mit Bergers Kapital Gewaltiges geleistet. Ein Firmenkauf folgte dem anderen. Die Anfangserfolge setzten sich weiter fort. Aus der Übernahme von maroden Firmen machten die beiden mit ihrem Team eine richtige Wissenschaft. Mittlerweile hatte Scherers Mannschaft schon genug Erfahrung gesammelt, um auf den ersten Blick zu erkennen, wo die Probleme der Unternehmen lagen. Meist fand man die gleichen Unzulänglichkeiten: falsches Management, ausschließlich profitorientiertes Handeln, oder zu sparsame Investitionen. Vom Umgang mit dem Personal ganz zu schweigen.

      Noch positiver entwickelte sich die Abteilung Existenzgründung. Hier konnte man sich vor dem Zustrom kaum noch retten. Schnell hatte es sich herumgesprochen, dass sich innovative Ideen mithilfe der All-Invest AG optimal vermarkten lassen.

      Das Unternehmen wuchs schnell. Das Führungsteam Scherer - Berger entschloss sich deshalb, Tochterfirmen zu gründen. Damit war man zum Einen mehr in der Fläche, also näher bei den Kunden, zum anderen ging man so Problemen mit dem Kartellamt aus dem Weg. Jetzt kauften die Töchter die Firmen. Die All-Invest AG entging damit dem Vorwurf, eine marktbeherrschende Stellung zu erreichen. Dass alle diese Tochterunternehmen vereint nach einer gemeinsamen Philosophie arbeiteten, interessierte die Gesetzeshüter nicht. Nach relativ kurzer Zeit gab es kaum noch eine Sparte, in der die All-Invest AG nicht mit großem Erfolg tätig war.

      Holger Barth saß nervös Ingo Haas gegenüber. Er hatte überhaupt keine Erfahrung mit Bewerbungsgesprächen, schließlich war er seit seiner Lehrzeit bei ein und demselben Unternehmen beschäftigt. Das sah bei Haas anders aus, für ihn bedeutete es tägliches Geschäft. „Nun, Herr Barth, wenn ich Ihre Unterlagen durchschaue, sehe ich, dass Sie bei Ihrem alten Arbeitgeber schon einige Aufgaben gemeistert haben. Nach Ihrer Ausbildung zum Handwerker haben Sie ja so etwas wie eine kleine Karriere hingelegt. Sie sind sogar in der Führungsebene vertreten. Trotzdem suchen Sie sich jetzt, nach rund dreißig Jahren einen anderen Arbeitgeber? Das müssen Sie mir schon erklären. Schließlich sitzen Sie bei Ihrer alten Firma fest im Sattel. Sie müssten erst noch kündigen, wie ich hier lese. Was ist denn der wahre Grund für Ihre Bewerbung bei uns?“

      „Na ja, ich wollte mich einfach noch mal verändern, wenn möglich etwas heimatnaher als jetzt.“ „Also ich denke, das ist doch nur die halbe Wahrheit. Sehen Sie, wir haben an Ihnen und Ihren Fähigkeiten großes Interesse. Wir sind ein boomendes Unternehmen und suchen händeringend gute Mitarbeiter. Aber trotzdem halte ich es für unumgänglich, dass wir beide von Anfang an unsere Karten auf den Tisch legen. Also raus mit der Sprache,