Название | Der erste Landammann der Schweiz |
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Автор произведения | Georges Andrey |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783039198467 |
Louis Auguste Augustin d’Affry wird mit Ehren überhäuft. So erfahren wir am 26. Juni 1757: «Seine Majestät, in Kenntnis des Eifers und der Klugheit, die der Graf d’Affry, sein ausserordentlicher Gesandter bei den Generalstaaten der Vereinigten Provinzen, unter Beweis gestellt hat, seitdem er sich in Holland befindet, und da seine Dienste eines Zeichens der Zufriedenheit bedürftig erscheinen, hat Seine Majestät ihm die Summe von 4000 Pfund als Jahres- und Witwerpension zuerkannt und geschenkt, die ihm zeit seines Lebens gezahlt werden sollen.»47 Als Auszeichnung für seine Verdienste in Holland gelangt d’Affry 1771 in den Genuss einer weiteren Pension von 3625 Pfund, dazu kommt am 24. November 1771 eine zusätzliche Pension von 6041 Pfund, 13 Sols und 4 Deniers, zahlbar in Paris.48 Am 27. November desselben Jahres vermacht «Seine Majestät, in der Absicht, den Grafen d’Affry, Oberst des Schweizergarderegiments, in Anbetracht sowohl seines Eifers und seiner Dienste, als auch der Hingabe, die seine Vorfahren nacheinander der Krone unter Ausschluss jeglicher anderer Macht seit über zwei Jahrhunderten erwiesen haben, dem genannten Louis d’Affry persönlich und unumkehrbar eine Pension von 10 000 Pfund Silber Frankreichs, die Sie verlieh, unbeschadet der Fonds, die Sie in Solothurn den Schatzmeistern der Schweizer Vereinigungen übergab.»49 Am 15. Januar 1772 hatte ihm der König «die Detailaufgaben eines Generalobersten der Schweizer» anvertraut, «bis Monsieur le Comte d’Artois das Alter erlangt, sie selbst ausüben zu können»; gleichzeitig setzt Ludwig XV. für ihn «eine Sonderzuteilung» für die Dauer der Ausübung dieser Funktion aus. So kann d’Affry über «eine Jahressumme von 24 000 Pfund aus den Kriegsmitteln für den Unterhalt des Schweizergarderegiments» verfügen.50 Eine am 1. September 1779 zu seinen Gunsten ausgesetzte Pension von 16 000 Pfund verschönt seine alten Tage zusätzlich. Zudem gewährt ihm der König ab 1. Januar 1773 «einen jährlichen Betrag von 4 000 Pfund für die Wohnungnahme in Paris».51 Dieses Geld kommt ihm umso gelegener, als seine in der Schweiz verbliebene Frau Schulden über Schulden macht, worüber er sich 1768/69 mehrfach bei seiner Tochter, der Gräfin von Diesbach, beklagt.52 Vater d’Affry hatte eine fälschlicherweise «für sehr reich gehaltene von Alt» geheiratet, erzählt seine Enkelin Marie, die etwas später fortfährt: «Madame d’Affry widmete sich ganz und gar ihrer wohltätigen Neigung; sie machte Schulden, um schenken zu können; aber diese überzogene Grosszügigkeit wurde durch ihre Kinder und Enkelkinder belohnt, die allesamt wohlhabende Ehen eingingen.» Marie geht sogar so weit, aus ihrer Mutter eine Art Sankt Martin zu machen, denn nachdem sie alles verschenkt hatte, «nahm sie Bettvorhänge ab und brachte sie einem Armen, damit er sich daraus eine Kleidung schneidere.»53 Der Administrator der Schweizer Truppen muss sich auch mit dem Treiben seines jüngeren Bruders Jean Pierre54 auseinandersetzen, der, wie uns seine Nichte Marie berichtet, «Mademoiselle de Garville, Tochter eines französichen Financiers, ehelichte, die für sehr reich galt. Mein Onkel war sehr verschwenderisch veranlagt; binnen zweier Jahre zehrte er seine ganze Habe auf, und mein Vater und meine Tante sahen sich gezwungen, seine Schulden zu begleichen.»55 Seine Frau war nicht weniger ausgabefreudig, wie uns ihre Schwägerin belehrt: «Sie war von den Personen, die ihr zu schmeicheln verstanden, so hingerissen, dass sie in keiner Angelegenheit mehr klar sah. Sie starb in Armut.» Hier ist festzustellen, dass die Geschicke der Familie d’Affry lange vor Ausbruch der Französischen Revolution vielfachen Prüfungen ausgesetzt waren.
An Arbeit fehlt es Vater d’Affry jedenfalls nicht. Von Versailles aus erläutert er seiner Tochter am 31. Mai 1759, er habe «ein so ruheloses Dasein, dass mir auch ohne grosse Aufgaben kaum ein Moment für mich bleibt.»56 Ein Blick in die travail du Roi belehrt uns, welche Überzeugungskraft d’Affry besitzt, der die Macht gewonnen hat, Karrieren aufzubauen oder zu zerbrechen und Dynastien von Berufssoldaten in Gang zu setzen.57 In diesen Bänden wird die wahre Macht deutlich, die der Administrator der Schweizer und Graubündner Truppen ausübt, speziell d’Affry zwischen 1772 und 1792. Dank seinen zahlreichen Funktionen in unmittelbarer Umgebung von König und Hof ist d’Affry faktisch, wenn auch nicht de jure, Minister der Schweizerischen Militärangelegenheiten in Frankreich, informeller Botschafter der Schweizer Nation in Frankreich. Die Eidgenossenschaft selber unterhält keinerlei diplomatische Missionen im Ausland. D’Affry, offiziöser Vertreter der Kantone, begnügt sich entgegen einer häufig vertretenen Meinung nicht damit, den immerhin ausschlaggebenden Teil des Bündnisses zu verwalten. Keiner versteht es besser als er, die oft widersprüchlichen Interessen und Ansprüche der Kantone mit dem Willen des Königs und seiner Minister in Übereinstimmung zu bringen. Als Motor der Vereinheitlichung einer nur lose verbundenen Konföderation, die zu der Zeit nicht im Traum daran denkt und es auch technisch nicht vermocht hätte, einen Botschafter zu entsenden, der offiziell im Namen der gesamten Eidgenossenschaft handelte, übt d’Affry diskret, aber wirkungsvoll die Rolle des Vertreters der schweizerischen Interessen in Frankreich aus. Allein die Lektüre der diplomatischen Korrespondenz der die Eidgenossenschaft bildenden Orte mit Frankreich lässt uns die Bedeutung seines Handelns erkennen. D’Affrys Briefwechsel mit dem Tagsatzungskanton Zürich enthält nicht nur militärische Informationen. So ist es beispielsweise d’Affry, der in einem Schreiben vom 23. Dezember 1791 den neuen Botschafter Barthélemy vorstellt, der Ende Januar 1792 in Basel eintrifft.58 Er unterrichtet die Orte über alles, was in Frankreich passiert. Am 19. März 1792 informiert er die Schweizer von den neuesten Veränderungen im Kabinett. Da er professionelles diplomatisches Arbeiten gewohnt ist, eignet er sich in besonderer Weise dazu, seinen Landsleuten verständlich zu machen, was Frankreich ihnen zu sagen hat. Um nur ein Beispiel zu nennen: Als Dumouriez am 27. März 1792 seinen Botschafter in der Schweiz auffordert, den Freiburger Patriziern «die gerechte Erregung der Nation und des Königs wegen ihres übereilten Entwurfs einer Antwort auf die Schreiben der aufrührerischen Fürsten» zu verdeutlichen, antwortet Barthélemy, man solle die Sache lieber über den Grafen d’Affry erledigen, mit dem er vor Übernahme der Botschaft in der Schweiz bewusst zusammengetroffen sei.59 D’Affry ist ein alter Bekannter von Barthélemy, der 1779 beim Grafen d’Artois eine Pension von 2000 Pfund «für die Einkünfte und Bezüge seiner Aufgabe als Generaloberst der Schweizer und Graubündner» locker gemacht hat.60 D’Affry Sohn wird diese wertvolle Beziehung zu seiner Zeit zu nutzen wissen. Barthélemy, der von 1792 bis 1796 in der Schweiz weilte, weiss besser als sonst jemand, wie wenige Staatsmänner die Schweiz besitzt, die in der Lage wären, die Angelegenheiten des Landes insgesamt zu regeln.