Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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in Berlin arbeitet. Der bedauert: „es thut mir recht sehr leid, Ihnen die beiden Filme […] zurückgeben zu müssen. Aber die Legion‘sache kam […] von vornherein kaum in Betracht, während das ‚Vermaaren‘stück [!] bei keinem unserer Regisseure Anklang finden wollte.“ Zech muss die Hoffnung begraben, in der Filmbranche schnelles Geld zu verdienen. Lautensack fragt ihn noch: „Haben Sie nicht was Neues?“ und lobt: „Letzte Pathos-Nummer sehr schön!!!“247

      Lasker-Schüler wiederholt ihre Frage nach einem Belegexemplar: „Warum bekomme ich den Pathos nicht.“ Da sie die Antwort schon zu wissen glaubt, droht sie: „Ist etwa wieder nicht genaue Correktur – dann verlange ich Zweitdruck.“248 Aus Termingründen hat ihr Zech keinen Probeabzug von den drei „Giselheer“-Gedichten geschickt, damit sich das Erscheinen des Heftes nicht verzögert. Nun muss er die Dichterin aufsuchen, um sie zu versöhnen.

      Von Zweig erhält Zech überraschend die Nachricht: „Ich treffe Sonntag Nachmittags oder Abend in Berlin ein und möchte Sie sehr gerne sehen. Darf ich Ihnen vorschlagen, abends um 8 Uhr in das Hotel Fürstenhof zu kommen, wo ich noch ein oder zwei andere Freunde treffen will, die Sie zum Teil schon kennen“.249

      Vor Antritt seiner Reise nach Brügge meldet sich Hasenclever bei Zech und bestätigt ihm erneut, weiter als Autor beim „Neuen Pathos“ mitmachen zu wollen. Da er noch kein Belegexemplar der neuesten Ausgabe erhalten hat, wiederholt er seine Offerte: „ich kann Ihnen, bei freudiger und gewisser Mitarbeit, nichts Besseres geben als das Heißeste und Aktuellste, an dem ich bin: Das wäre aus meinem Stück, das ich schreibe und das heißen wird ‚Der Sohn‘.“ Er legt dem Herausgeber nahe: „haben Sie Vertrauen, dass das Stück, aus dem Sie vordrucken, gut ist“.250 Die Antisemitismus-Vorwürfe Meidners gegen Herausgeber und Drucker der Zeitschrift erwähnt auch er nicht.

      Richard Weißbach schreibt an Zech: „ich höre, dass während ich auf Reisen war, ein Heft des ‚Neuen Pathos‘ mit Beiträgen von Blass und Ehrenbaum-Degele erschienen ist. Ich habe das Heft nicht bekommen.“ Zu Recht fordert der Verleger des „Kondor“ und des Blass‘schen Gedichtbandes „Die Straßen komme ich entlang geweht“ Belege ein, da beide Autoren bei ihm unter Vertrag stehen. Zech geizt mit diesen Handpressen-Drucken, da er Tieffenbach jedes einzelne Stück bezahlen muss.

      Ende September wird in Paris eine „Anthologie zeitgenössischer deutscher Lyrik seit Nietzsche“ an den Buchhandel ausgeliefert. Herausgeber ist der achtundzwanzigjährige Franzose Henri Guilbeaux. Er hat für diese Edition Gedichte von vierzehn deutschsprachigen Autoren gesammelt, die Texte in seine Muttersprache übertragen und mit Erläuterungen zu den Verfassern versehen. Das Vorwort stammt von Verhaeren. Zech, der mit den Gedichten „Im Dämmer“ und „Kanalfahrt“ vertreten ist, befindet sich in illustrer Gesellschaft von Stefan George, Hofmannsthal, Rilke und Wedekind.251

      Im „Kalender für das Bergische Land 1914“, der ab Herbst 1913 erhältlich ist, unternimmt Zech: „Ein[en] Streifzug durch die neuen Werke der Bergischen Dichter“.252 Zunächst werden die Fragen erörtert: „Was ist bergische Dichtung?“ und „Worin besteht […] das Wesen der bergischen Dichtung?“ Es folgt eine Hymne auf das Schaffen des Elberfelder Kollegen Walter Bloem, an dem ihm vor kurzem unter dem Pseudonym „Dr. Paul Robert“ eine „deprimierende Feuchtfröhlichkeit“ unangenehm aufgefallen ist. Bei der Besprechung des ersten Romans von Else Lasker-Schüler, „Mein Herz“, benutzt er Begriffe aus der Bildenden Kunst: „Fleck sitzt an Fleck, synthetisch und kubisch geordnet wie Farbsträhne[n] auf den Bildern der Modernsten: Franz Marc und Kandinsky“. Um ein Stück deutscher Prosa zu erläutern, verweist er nunmehr auf Werke von Künstlern, über die er zwei Jahre zuvor geschimpft hat: „Was die Expressionisten und andere ‚Isten‘ in halszerbrecherischen Jongleurkunststückchen dem Publikum vorgaukeln“. Wörtlich ist seinerzeit an gleicher Stelle über Fahrenkrogs Gemälde zu lesen gewesen: „Da sind nicht bloße farbige Flecken und Flächen, sondern organisches Leben, das heraustritt aus dem engen Rahmen und den Beschauer überwältigt.“253

      Lasker-Schülers Stück „Die Wupper“ bespricht Zech zusammen mit Fahrenkrogs „Baldur“ und stellt beide Werke auf eine Stufe, was ihre literarische Qualität anbelangt. Abgesehen von der peinlichen Instinktlosigkeit, die Verse der jüdischen Dichterin neben ein antisemitisch aufgeladenes Machwerk zu stellen, fällt der Criticus damit ein krasses Fehlurteil. Wegener hat er bei der Niederschrift des Artikels angekündigt: „Im Bergischen Volkskalender für 1914 finden sich […] Witze, die ich um des lieben Friedens willen machen musste. Sie werden seiner Zeit darauf kommen.“254 Damit sind Texte gemeint, in denen er auf die Werke der lokalen „Haus-Dichter“ Friedrich Wiegershaus, Paul Jörg und Emil Uellenberg eingeht, aber nicht schreibt, was er von ihnen hält.

      Trotz dieser Zurückhaltung regt sich Widerstand gegen Zechs Artikel. Der Jurist Hermann Ungemach schreibt ihm einen „Offenen Brief“, den die „Bergisch-Märkische Zeitung“ veröffentlicht: „nachdem ich Sie schon seit einiger Zeit im literarischen Teil des Berliner Tageblattes auf dem Sessel des Kunstrichters bewundern durfte, walten Sie dieses Amtes nun auch im Bergischen Kalender für 1914.“ Der Briefschreiber nimmt zunächst an der Form des Zech‘schen Artikels Anstoß: „Ihr Stil ist‘s, von dem wir reden wollen“, fügt aber hinzu: „Es will mir auch scheinen, als habe Ihr Urteil im Kalender sich nicht rein halten können von dem natürlichen Bestreben, Licht den Weggenossen und Schatten den Gegnern zu spenden.“ Anhand von Beispielen beanstandet er in dem „literarischen Streifzug“ schlechtes, vielfach unverständliches Deutsch, schiefe Bilder sowie übermäßigen, häufig auch falschen Gebrauch von Fremdworten sowie Zitaten aus deutscher und ausländischer Literatur.

      Über Zechs Werdegang zeigt sich Ungemach gut informiert: „Verehrter Herr, soviel ich weiß, haben Sie sich ohne staatlich gestempelte Bildung durch eigenen Fleiß, aus eigener Kraft zu dem heraufgearbeitet, was Sie sind. Warum tragen Sie diese selbstgeschaffene Bildung nicht als Ihr Ehrenkleid?“ Die von ihm aufgezählten Fehlurteile sind seines Erachtens verursacht durch Geltungsbedürfnis des Autors, Angepasstheit an den Zeitgeist und Dilettantismus: „Sie […] haben damit Ihre Unfähigkeit bewiesen, überhaupt für deutsche Leser über deutsche Kunst zu schreiben. Und woher nehmen Sie gar den Mut und die Fähigkeit, über den Stil anderer Schreiber zu richten?!“ Als „letzte Rettung“ empfiehlt der Jurist dem Rezensenten die Lektüre von Eduard Engels „Stilkunst“.255 Auf den „Offenen Brief“ Ungemachs folgt ein Artikel von Lissauer über „Lob und Talent“, was nicht unbedingt Zufall sein muss.

      Zech verfasst eine „Offene Antwort“, die er wieder mit Fremdwörtern vollstopft. In puncto Beleidigungen bleibt er Ungemach nichts schuldig: „Soll ich von einem, der unter mir steht, mir etwas vom Stil vorschmusen lassen?“ Beharrlich hält er daran fest: „Es gilt aber Front zu machen gegen eine Kunstkritik […] die […] den Ehrgeiz bekennt, einen Schleppkahn für fünftausend Idioten vom Stapel zu lassen, zu Nutz und Frommen einer neuen Gauneration“. Er diagnostiziert, der Brief seines Kontrahenten stelle die „Inkarnation einer Blähung“ dar, „die schlechte Verdauung zuweilen verursachen soll.“ In der „Bergisch-Märkischen Zeitung“ findet sich diese Erwiderung ungekürzt, aber mit dem Kommentar wieder: „Nichts kann unseren Lesern besser […] dartun, dass man Paul Zech nicht scharf genug auf die Finger sehen kann. Die ganze verwirrte Aufgeblasenheit des modernen großstädtischen Kaffeehausliteraten scheint uns aus diesen Zeilen Zechs zu sprechen.“ Vorgeworfen wird ihm „mißächtliche Betrachtung des eigenen Volkes“, „alberne geistige Überhebung“, „unklare schnoddrige Schreibweise“ und das „Fehlen einer Antwort auf die erhobenen Vorwürfe“.256

      Ungemach erhält von der Redaktion erneut Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Deren erster Satz lautet: „Die Antwort Zechs auf meinen offenen Brief hat die Schriftleitung dieser Zeitung schon treffend gekennzeichnet.“ Der Jurist beschuldigt den Gegner, seinen Brief absichtlich falsch zu deuten: „ich […] habe nicht gesagt, der Bergische Kalender sei für die ‚ungebildeten Stände bestimmt‘, sondern in erster Linie für die ungelehrten Stände. Für den Unterschied von ungelehrt und ungebildet ist Zechs ‚offene Antwort‘ wohl ein Musterbeispiel.“257

      Lasker-Schüler hat sich mit ihrem „Wupperfreund“ ausgesöhnt