Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

Читать онлайн.
Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



Скачать книгу

den Herausgeber des „Neuen Pathos“ zur Verfügung, kann bezweifelt werden, denn es gibt eine Liebesbeziehung zwischen ihm und Lasker-Schüler.

      Zech hat trotz der Ablehnung seines Essay-Bandes über Lasker-Schüler den Kontakt mit Bachmair nicht aufgegeben. Nach dem Erhalt einiger Texte für seine Zeitschrift „Die Neue Kunst“ teilt dieser dem Absender mit: „Die Novelle ist leider zu lang. Vielleicht schicken Sie mir einmal einige kürzere. Die vier Gedichte dagegen habe ich behalten. Sie erscheinen im ersten Heft, das für Mitte Juni zu erwarten ist.“ Er schlägt vor: „In Berlin sah ich unlängst die erste Nummer Ihres ‚Neuen Pathos‘. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Zeitschrift mir gegen die ‚Neue Kunst‘ tauschweise zusenden wollten.“190 Zech ist einverstanden: „Ich hätte Ihnen schon Heft eins gesandt, aber wir haben uns in dem Drucker getäuscht und bekamen die Zeitschrift nicht so heraus, wie wir wünschten.“

      Aufschluss über die anfänglichen Schwierigkeiten des Blattes liefern die Sätze: „Nun druckt Tieffenbach auf der Handpresse, was sich bei der kleinen Anzahl (100 Exemplare) machen lässt. Er druckt Heft eins noch einmal und sobald es da ist, bekommen Sie es nachgeliefert.“ Zech scheint jetzt, wie er Bachmair berichtet, als Autor stark gefragt: „was ich schreibe, geht gleich weg. Ich gebe Ihnen daher jetzt gleich eine kürzere Arbeit; denn ich weiß nicht, ob ich später noch darüber verfügen kann. Die Arbeit kommt nämlich in ein Buch, das ich Ende des Jahres herausbringen will.“191

      Wie schon in Elberfeld sucht Zech auch in Berlin Erholung vom Alltag nicht zusammen mit seiner Familie, sondern unternimmt alleine ausgedehnte Spaziergänge. Oftmals zieht es ihn zu den Grünflächen in der Nähe, wo ihm in der Millionenstadt ein Rest von Natur verblieben ist. Wenige hundert Meter von seiner Wohnung entfernt liegt der Hindenburgpark. In den flüchtet er abends, denn der bietet ihm eine Erlebniswelt, die seine schriftstellerische Phantasie beflügelt: „Mein Park liegt in Häuserwand, Glasaugen und rauchsträhnigen Himmel geklemmt. Schwimme ich ihm zu, durch breitzottige Straßenwellen, gekreuzt von fauchenden Wagen und vielerlei Menschengewicht […], fallen acht Abendschläge vom Turm.“ Stundenlang streift er durch die Anlage, verweilt am Kanal, der sie durchquert, und denkt sich Geschichten über Menschen aus, denen er begegnet. Spät kehrt er nach Hause zurück: „Und ein Hof ist wieder. Unheimlich still. Und mein bücherschwüles Zimmer. Ich zünde die grüne Lampe an.“192 Wenn er zu müde für solche nächtlichen Spaziergänge ist, setzt er sich auf den Balkon und träumt. Im Gedicht schildert er, was er dann sieht: „Am Abend stehn die Dinge nicht mehr blind / Und mauerhart in dem Darüberspülen / Gehetzter Stunden; Wind bringt von den Mühlen / Gekühlten Tau und geisterhaftes Blau. / Die Häuser haben Augen aufgetan“.193

      Da der Familienvater selten etwas gemeinsam mit Frau und Kindern unternimmt, springt die Freundin für ihn ein. Rudolf Zech jun. (Rudi) erinnert sich: „Sehr viel verdanke ich […] Else Lasker-Schüler und ihrem Sohn Paul […]. Wir gingen oft gemeinsam in den Zirkus, fuhren Dampfer auf märkischem Gewässer, durchstreiften belebte Straßen und beobachteten das Tierleben im Berliner Zoo.“ Auch wenn der Hausherr nicht in der Babelsberger Straße 13 anwesend ist, findet sich die Dichterin bei dessen Ehefrau und Kindern ein. In Rudis Bericht heißt es dazu: „Das anregende Geplauder der Else Lasker-Schüler öffnete uns den Blick für außergewöhnliche Dinge. Zu Hause wurde gemalt und gezeichnet, wobei sie die Rolle des Lehrers übernahm.“194

      Der achtjährige Sohn Zechs und seine zwei Jahre jüngere Schwester haben sich rasch in Berlin zurechtgefunden, Freundschaften geschlossen und besuchen in Wilmersdorf die Schule. Dagegen fühlt sich Ehefrau Helene in der Hauptstadt nicht heimisch. Paul lässt sie oft allein, wenn er in den Caféhäusern Geschäfte zu erledigen hat oder spazieren geht. Sie sieht ihre Befürchtungen bestätigt und sehnt sich zurück ins Bergische Land.

      Im Juni erscheint die zweite Nummer des „Neuen Pathos“. Wie das erste Heft umfasst sie etwa dreißig Seiten. Der längste Beitrag stammt von Schmidt. Zech ist mit zwei Gedichten sowie einer Verwey-Übertragung vertreten. Von Ehrenbaum-Degele, Benn, Pinthus, Albert Ehrenstein und Engelke finden sich jeweils zwei Gedichte, von Werfel, Loerke und Meurer je eins. Das Heft enthält insgesamt fünf Grafiken. Sie stammen von Meidner und Steinhardt. Engelke, dessen Beiträge Zech auf Dehmels Anregung hin akzeptiert hat, meldet sich bei Zech: „Ich danke Ihnen für die Annahme der Gedichte. Ich war verwundert und erfreut, gleiche Bestrebungen, wie ich sie in solcher Ähnlichkeit nicht vorhanden glaubte, zu finden.“195 Eine weitere Nachricht trifft von Lasker-Schüler ein: „Bitte schreiben Sie doch dem Saturn für die ungeheure Summe, die ich bekam, möchten sie doch das Glichée [!] meiner Photografie an Professor Kohut sofort senden. Für seine Literaturgeschichte.“196 Ohne Wissen der Freundin nimmt Zech eine Einladung Waldens und dessen zweiter Gattin an.197 Auf die Zusammenarbeit mit dem Herausgeber des „Sturm“ möchte er nicht verzichten.

      Der Student Rudolf Börsch will einen Artikel über den Verfasser des „Schwarzen Reviers“ schreiben, und benötigt dafür dessen Veröffentlichungen. Mehrfach versucht er, sich mit Zech zu treffen, doch die verabredeten Gespräche kommen nicht zustande. In Briefen an den Studenten sucht der Autor nach Ausreden: „Sie waren am Sonnabend plötzlich verschwunden als ich hinaus kam“,198 heißt es da, und: „Ich habe Sie am Sonnabend im Josty vergeblich gesucht.“199

      Für seine Rilke-Monographie hat Zech das Buch „René Maria Rilke ‚Leben und Lieder‘, Straßburg, 1894“ benutzt. Nun bittet ihn Fritz Adolf Hünich, der beim „Insel Verlag“ als Lektor tätig ist, ihm diese seltene Ausgabe zugänglich zu machen, weil er annimmt, sie sei in seinem Besitz. Die Antwort nach Leipzig lautet: „Das Erstlingswerk Rilkes habe ich vor etwa vier Jahren in Straßburg in einem Antiquariat entdeckt und für einen unverschämt teueren Preis erstanden. Meine Freude daran währte nicht lange.“ Die angebliche Ursache dafür: „Irgend ein ‚Freund‘ hat es gelegentlich mitgehen geheißen und nun suche ich schon Jahr und Tag danach.“ Das Werk ist Zech nicht gestohlen worden, sondern nie in seinem Besitz gewesen. Zech fährt fort: „Meines Wissens existiert nur noch ein Exemplar und das dürfte in der Königlichen Bibliothek in Berlin sein.“200 Dort hat er 1912 das Buch eingesehen.

      Seit dem Erscheinen von Boldts Gedicht „Lektüre“ wartet Zech auf eine Gelegenheit, sich am Verfasser und dem Herausgeber der Zeitschrift, in der das Pamphlet erschienen ist, rächen zu können. Jetzt kommt ihm die Idee, der Schmähung seines Werkes an gleicher Stelle ein Lob entgegenzusetzen. Dieser Plan gelingt. Im Juni steht in der „Aktion“ eine positive Besprechung des „Schwarzen Revier“.201 Verfasser ist ein „Paul Robert“. Zech hat den Artikel selbst geschrieben und ihn Pfemfert unter anderem Namen zugeschickt. Die Aufdeckung des Schwindels zieht sich über ein Vierteljahr hin und bereitet dem Verursacher jede Menge Ärger.

      Mehr Verdruss als Freude verschafft Zech auch die Wochenschrift „März“. Sie veröffentlicht zwar fünf Gedichte aus dem „Schwarzen Revier“, aber in der gleichen Ausgabe schreibt Blass eine Glosse über deren Verfasser: „Sicher ist es hübsch, ein Könner zu sein auf dem Gebiet des Hübsch-Sicheren (und des manchmal mehr als Hübsch-Sicheren). Wenn man überhaupt ein Könner ist. Wenn man aber schon mal ein Könner ist, dann – (?)“202 Diese Sätze muss Zech von einem Kollegen lesen, den er gegenüber Dehmel als „völlig unbegabt“ bezeichnet.203 Gegen Blass kann er sich schlecht wehren, weil der einflussreiche Fürsprecher hat, die nicht verprellt werden dürfen. Seinem Ärger macht er in einem Artikel für die Monatszeitschrift „Xenien“ Luft. Darin bespricht er, wieder unter dem Pseudonym „Dr. Paul Robert“, zwei Lyrikanthologien, die unlängst erschienen sind. Zum einen die Sammlung „Der Mistral“, herausgegeben von Meyer, Lautensack und Ruest.204 Zum anderen „Fanale“ aus dem Saturn-Verlag.205 Im ersten Buch gefällt ihm kein einziger Beitrag, im zweiten hält er jeden für ein Meisterwerk. Darüber hinaus macht er öffentlich seinem Ärger über „Munkepunke“ Luft: „Man versuche für A. R. Meyer eine Stelle als Küchenchef ausfindig zu machen, damit er uns nicht noch weiterhin die Literatur zu Brei verrühre, wie es auch durch die in seinem Verlage erscheinenden Flugblätter zum Teil geschieht.“ Lautensack und Ruest bleiben gleichfalls nicht verschont. Der Kritiker tadelt: