Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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kann, werden Sie mir wohl in der Zwischenzeit noch ein zweites dazu senden können.“ Über die Querelen unter den Herausgebern der Zeitschrift ergeht er sich in Andeutungen: „Ich bitte Sie um Diskretion dieser Mitteilung, da ich aus bestimmten Gründen nicht wissen lassen darf, wer alles Mitarbeiter am Neuen Pathos ist, soweit es den zweiten Jahrgang betrifft.“

      Erstaunlicherweise kündigt Zech Bachmair auch einen Artikel über Blass an: „Ich glaube, dass Sie durch Veröffentlichung meines Aufsatzes diesen Künstler dauernd fesseln. Lieb wäre es mir, wenn der Aufsatz bald gedruckt würde, da das betreffende Buch schon lange heraus ist.“222 Was ein Verriss sein könnte, stellt sich als Würdigung der Verse eines Kollegen dar, über den Zech bisher nur gescholten hat: „Blass ist ein Lyriker von Geblüt. Wenn er sagt: ‚Laternen schlummern süß und schneebestaubt‘ oder ‚mit welchem Glücke bin ich ganz belaubt‘ […] so ist dies keineswegs ein Produkt aus Ästhetik destilliert, sondern Seele – nichts als Seele.“ Er schränkt zwar ein: „Das Mittel der Sprache handhabt er mit einer Gleichgültigkeit, die sich an Stefan George tiefst versündigt“, lobt dann jedoch: „Andererseits aber hat gerade Blaß in der Lautmalerei, in der Wortsymbolik unerhört Fertiges geleistet.“ Bachmair nimmt den Artikel für „Die Neue Kunst“ an.223

      Von Zweig kommt ein Brief, der eingangs die erfreuliche Nachricht enthält: „Jüngst sah ich in der Wiener Arbeiter Zeitung Ihr ‚Schwarzes Revier‘ abgedruckt.“ Dann schreibt er: „Ich meinerseits führe gegen Sie Klage, dass ein Buch über Rainer Maria Rilke bei Ihnen erschienen ist und Sie es mir nicht gesandt haben“.224 Das will der Beschuldigte nicht auf sich sitzen lassen: „Ich hatte den Verleger beauftragt, Ihnen das Buch zu senden. Da er augenblicklich verreist ist, konnte ich nicht feststellen, wer die Absendung verbummelt hat. Gedulden Sie sich ein paar Tage. Ich habe kein Exemplar zu Hause.“ Zech bittet Zweig auch um weitere Beiträge für „Das Neue Pathos“ und wiederholt, für das „Berliner Tageblatt“ einen Artikel über die Werke des Kollegen schreiben zu wollen. Zugleich kündigt er an: „Vom Journalismus möchte ich mich unter allen Umständen zurückziehen. Die Kraft, die man dafür aufwendet, ist weggeworfen. Ich hoffe irgend ein Lektorat zu bekommen.“

      Trotz der „Lohnschreiberei“ und den Verpflichtungen als Herausgeber bleibt Zech noch Zeit für die Weiterarbeit an seinem Theaterstück „Der Turm“. Zweig erfährt: „Ich habe jetzt soviel Ruhe, dass ich endlich zum Drama komme. Die Vorarbeiten liegen schon seit einem Jahr im Schreibtisch.“ Es gibt eine zweite wichtige Neuigkeit: „Ich habe nun endlich einen seriösen Verleger.“ Damit meint er Erik-Ernst Schwabach. Dieser, Erbe eines großen Vermögens, hat den „Verlag der Weißen Bücher“ gegründet, in dem auch „Die weißen Blätter“ erscheinen. Weiter heißt es an gleicher Stelle: „Im Herbst bringe ich das Gedichtbuch ‚Die eiserne Brücke‘ heraus, im Frühjahr einen Novellenband ‚Baalsopfer‘. Beide Bücher sind die Produktion der Jahre 1909/1912.“

      Indem Zech A. R. Meyer indirekt als „unseriös“ diffamiert, tut er ihm Unrecht, denn dieser hat ihm in Berlin zum literarischen Durchbruch und zu einer Wohnung verholfen. Obwohl „Das schwarze Revier“ als “lyrisches Flugblatt“ so erfolgreich ist, lässt der Verfasser Zweig wissen: „Ich bedauere aber doch, dass ich es in der vorliegenden Form herausgegeben habe. Es ist nur ein Drittel der Gedichte, die eigentlich diesem Zyklus angehören. Die anderen zwei Drittel sind meines Erachtens stärker“. Offenbar hat er vergessen, selbst für die Auswahl verantwortlich gewesen zu sein. Zudem ärgert er sich über „Munkepunke“, weil dieser und seine Freunde Meidners Äußerungen über das belauschte Caféhaus-Gespräch weiterverbreiten: „Das neue Pathos entwickelt sich nach außen stetig. Übelwollende Menschen (der A. R. Meyer Kreis gehört hierzu) unterschieben dem Unternehmen antisemitische Tendenzen. Ich lach nur!“225

      Zweig antwortet: „Was Sie mir von Alfred R. Meyer schreiben und der lächerlichen Anschuldigung gegen Sie, so glaube ich nichts davon und selbst, wenn man es mir sechsmal gesagt hätte.“ Er erinnert Zech daran, ihn gewarnt zu haben: „Ich muss nur immer an unser gutes Gespräch damals in Berlin denken, wo ich Ihnen alle Gehässigkeiten Ihrer ehemaligen Freunde und des ganzen Berliner Gesindels schon voraussagte für den Fall, dass Sie bald einen Erfolg haben sollten.“226 Was Zweig nicht ahnt: Zech will weiterhin mit diesem „Gesindel“ die Nächte im Berliner „Caféhaussumpf“ zubringen. Er hat viele Freunde in dieser Runde. Unter anderen Rudolf Johannes Schmied, den Verfasser eines erfolgreichen Jugendromans „Carlos und Nicolas“, sowie den Künstler Friedrich von Schennis.

      Das dritte Heft des „Neuen Pathos“ müsste turnusgemäß Anfang August in den Handel kommen. Seine Fertigstellung verzögert sich aber um mehrere Wochen, nicht zuletzt deshalb, weil es sich erstmals um eine Doppelnummer handelt. Kurz vor Redaktionsschluss bekommt Zech von Hasenclever das Angebot: „ich schicke Ihnen morgen etwas, ein, ich glaube, Vollendetes: ‚Schlussgesang eines Zwanzigjährigen (am Ende des ersten Akts einer Tragödie)‘. Es sind Verse. Ich muss aber Korrektur haben. Ist noch Zeit?“227 Am nächsten Tag trifft der Beitrag ein. Sein Verfasser fragt im Begleitschreiben: „Wie finden Sie das hier? Es ist der Schluss des ersten Aktes meines Dramas, das sonst in Prosa ist.“ Bei diesem Text handelt es sich um den lyrischen Monolog des „Sohnes“ aus Hasenclevers gleichnamigen Stück, einem der wirkungsvollsten Werke des literarischen Expressionismus. Zech erkennt die Bedeutung des Beitrags und geht deshalb auf die Forderung des Kollegen ein, der wissen will: „Kann es so gedruckt werden und kann ich (bitte!) Correktur bekommen – die ich umgehend retourniere!? Herr Tieffenbach wird schon mit sich reden lassen und das freundlichst tun.“228

      Zweig sieht sich durch Zechs Schilderungen in seiner Meinung über die Berliner Bohème bestätigt. Den Angriffen auf den Kollegen kann er Positives abgewinnen: „Nun scheint es ja so weit zu sein und das Widerliche beweist da indirekt ein sehr Erfreuliches.“ Damit meint er Zechs neuesten Erfolg: „Ich bekam gerade auch das Paul Zech-Heft des ‚Saturn‘ mit dem bösartigen Linolschnitt und dem wundervollen ersten Gedicht“.229 Er bezieht sich auf „Heiland der Armen“ und Zechs Portrait von Steinhardt. Die letzte Seite des Heftes enthält Lasker-Schülers Karikatur ihres Freundes, unter der die Parole steht: „Mit Huf und Tritt von Stall zu Stall.“230

      Zech informiert Bachmair: „Ich habe den Anfang zu dem Aufsatz ‚Ernst Blaß‘ etwas abgeändert und sende Ihnen das Manuscript anbei. Ich bitte Sie, das beim Satz zu beachten. Korrektur erhalte ich doch?“ Die nächste Frage lautet: „würden Sie mir vielleicht das Honorar für die beiden gedruckten Beiträge anweisen? Ich bin seit Wochen wieder in einer mißlichen Lage.“231 Dieser Bitte entspricht der Verleger nicht, möglicherweise deshalb, weil seine Geduld allmählich zu Ende geht. Er schreibt zurück: „Sie scheinen mich in der Art missverstanden zu haben, als Sie annahmen: Ihre Arbeit sei mir zu wenig umfangreich … und schickten mir daher noch einen ziemlich umfangreichen Vorabschnitt.“232 Bachmair unterbreitet einen Vorschlag, wie der Text zu kürzen wäre, den Zech aber nicht akzeptiert.

      A. R. Meyer und Zech wollen ein Abkommen aushandeln, auf dessen Grundlage der Konflikt zwischen ihnen beiden beigelegt werden soll. Eingeschaltet ist der Berliner Rechtsanwalt und Literat Martin Beradt. Ihn charakterisiert der Schriftsteller Paul Mayer in der „Aktion“ so: „Er ist einer der vornehmsten Kämpfer gegen den mumienhaften Begriffsfetischismus der juristischen Scholastik, gegen die Formalisierung der Lebenstatbestände von Anno Dazumal.“233 Als Zech den Entwurf für die Vereinbarung in Händen hält, nimmt er gegenüber dem Anwalt dazu wie folgt Stellung: „da mein Verleger A. R. Meyer seit einigen Wochen gegen mich in einer ganz undiskutablen Weise vorgeht, kann ich beim besten Willen das Abkommen, das wir in Ihrer Gegenwart durchgesprochen haben, nicht anerkennen“. Seine Vorwürfe contra Meyer lauten: „er verbreitet Gehässigkeiten und Verleumdungen gegen meine Person und meine Tätigkeit als Herausgeber der Zeitschrift ‚Das neue Pathos‘.“ Das Übereinkommen will er nicht unterschreiben: „[da] es mir Dinge zumutet, die mir finanzielle und ideelle Nachteile bringen.“234 Er fühlt sich im Recht und sieht keinen Grund, weshalb ausgerechnet er nachgeben soll.

      Am 20. August notiert Loerke in sein Tagebuch: „Heute habe ich mir im ‚Sturm‘ […] die Arbeiten von Paul Zech zusammengesucht. Es wird von ihm so viel Rühmens gemacht. Aber an den meisten