Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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retourniert kommentarlos jene zwei Gedichte, die Zech zurückverlangt hat. Der Empfänger hakt in München nach: „Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie meine Anfrage vom letzten Schreiben bald beantworten würden.“ Er gibt die Hoffnung nicht auf, der Verleger werde den Text über Lasker-Schüler in Buchform veröffentlichen und listet auf, was er seinerseits für ihn tut: „Ihre beiden Gedichte kommen in Heft zwei des zweiten Jahrgangs des neuen Pathos zum Abdruck und zwar in guter Gesellschaft: Dehmel, Rilke, Verhaeren, Kandinski [!], Liebermann.“269 In Bachmairs „Neuer Kunst“ finden sich schließlich Zechs Essay über Blass und die Deubel-Übertragungen, doch im „Neuen Pathos“ erscheint kein Beitrag des Münchner Kollegen.

      Der „Simplicissimus“ leistet sich auf Kosten Paul Zechs einen Spaß. Er veröffentlicht von ihm ein Gedicht, „Herbstlicher Park“, das so beginnt: „Des Stadtparks brache Blumenbeete gähnen / weit in das blasse Abendrot hinaus.“270 Die Verse sind unter einer Karikatur mit dem Titel „Verlorene Liebesmüh“ platziert. Zu sehen ist eine sommerlich gekleidete junge Dame, die in einer Grünanlage auf einer Bank sitzt und vergeblich nach ihrem Verehrer Ausschau hält: „Mein Gott, nun kommt er nicht – und ich hatte ein paar so nette Zitate über den Herbst auswendig gelernt!“

      Der dritten Jahreszeit widmet Zech ein weiteres Gedicht. Auf dem Balkon seiner Wohnung in der Babelsberger Straße sitzend, sinniert er: „Dass mir Eingezwängtem, hier in dieser steinernen Kaserne […] / noch ein Blick gespart ist in oktoberfalbe Ferne / weiß ich kaum zu halten / kaum zu überdenken.“ Sein Blick streift über die Kleingärten von Wilmersdorf hinüber nach Schöneberg: „Wie ein Haus wird auf kaum abgetragenen Gartenfetzen / und ein Turm auf einem neuen Rathausbau: wird mir klar herzugetönt.“ In solchen Ruhephasen kann er für kurze Zeit die Ereignisse der Gegenwart verdrängen: „O, so seltsam sanft umfriedet mich der Horizont / dieser herbstlich eingewiegten Häuser, Front an Front, / dass ich taub bin allen Schrein von Streik und Kriegsgerüchten.“271 Doch den Alltag kann er nicht wegträumen.

      In der „Aktion“ greift Pfemfert Zech erneut an: „Sie kritisieren also unbekümmert weiter? Werden vielleicht bald wieder Dr. Paul Robert etablieren? O nein, so haben wir nicht gewettet. Das würde ich als Zech-Prellerei empfinden.“ Irrtümlich glaubt er, der Gegner verklage „Munkepunke“ tatsächlich: „Mein Vorsatz, das Ergebnis Ihres Prozesses gegen den Verleger A. R. Meyer sprechen zu lassen, ist nun undurchführbar geworden.“272

      Trotz solcher Attacken halten andere Verleger weiter zu Zech. Walden veröffentlicht seine Gedichte „Zwei Wupperstädte“. Sofern die Einwohner von Elberfeld und Barmen den „Sturm“ überhaupt lesen, dürften sie wenig Gefallen an folgenden Zeilen finden: „Die hier gezwungen den Tag vertun, / röhren den Blutschrei entflammter Brünste / und träumen von Lesbos und Averlun.“ Mit weiteren Versen beleidigt der Verfasser indirekt Helene: „Mancher hat hier sein Herz verludert, verloren; / Kinder gezeugt mit schwachen Fraun …“273 Lasker-Schüler sieht das nicht so und lobt den Verfasser für seine Lyrik: „herrlich geschrieben“.274

      Im Novemberheft der „Weißen Blätter“ veröffentlicht Schwabach „Die Abendstunden“ von Verhaeren in Zechs Übertragung275 und Wilhelm Schäfer erklärt sich bereit, Gedichte von ihm in seine Monatsschrift „Die Rheinlande“ aufzunehmen.276 Die in Paris erscheinende „Revue Germanique“ lobt: „Dans ‚Das schwarze Revier‘ […] Paul Zech se révèle artiste de premier ordre […] quelle science dans le choix des mots et des rimes, quelle force d’expression, quelle intensité d’évocation, quelle monumentale grandeur dans ces vers“.277 („In ‚Das schwarze Revier‘ erweist sich Paul Zech als Künstler ersten Ranges […] welches Wissen um die Wahl der Worte und der Reime, welche Ausdruckskraft, welch intensives Heraufbeschwören von Bildern, welch eindrucksvolle Größe in diesen Versen“.)

      Anfang November liefert das Ehepaar Tieffenbach den Privatdruck „Der blassen Blonden in der Ferne“ in einer Auflage von sechzig Exemplaren aus. Es handelt sich um Zechs Liebeserklärung an Emmy Schattke vom Sommer 1912. Die Verse sind zuvor in den „Weißen Blättern“ erschienen.278 Für das Buch hat der Autor auf einen Titel zurückgegriffen, der ihm vor einem Jahr bei der Niederschrift des Textes durch den Kopf gegangen ist: „Die Sonette aus dem Exil“.279

      Pfemfert hakt in der „Aktion“ nach: „Herr Paul Zech??? Sie stecken wie der Strauß den Kopf in den Sand. Aber man erkennt den Dr. Paul Robert am Steiß.“280 Der Angegriffene reagiert weiterhin überhaupt nicht und hofft, die Angelegenheit werde in Vergessenheit geraten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Einige Kollegen halten trotzdem weiter zu ihm, wie etwa Max Herrmann, als er im November als Gast bei Meyer logiert. Er besucht den viel Gescholtenen, ungeachtet der Streitigkeiten zwischen diesem und dem Verleger. Seiner Lebensgefährtin Leni Gebek schreibt er: „ich aß mit Meyer senior und junior zu Mittag (Kotelett mit Gemüse). Dann war ich bei Zech.“281

      Dehmel erreichen zum 50. Geburtstag von seinem Berliner Kollegen folgende Zeilen: „es wird mir schwer, nun alles, was sich in Deutschland zur Literatur zählt, zu Ihnen kommt in Liebe, Verehrung und Dank, ein paar glückwünschende Worte zu Ihrem Fünfzigsten zu finden“. Der Gratulant fährt fort: „Was ich Ihnen äußerlich sichtbar bieten kann, ist ein in den letzten Tagen vollendetes Gedicht.“282 Es trägt den Titel „Vorposten“. Diese Verse hat er nicht eigens für Dehmel zu Papier gebracht. Sie sind vor Wochen erstmals im „Saturn“ erschienen.283

      Über Zechs Nachdichtung von Verhaerens „Abendstunden“ schreibt Zweig an deren Verfasser: „Ich […] lese mit freudigem Erstaunen von Ihnen die wundervollen Gedichte in den ‚Weißen Blättern‘. Ich kann mich eigentlich nicht fassen, einen wie ungeheuren Weg Sie in diesen zwei Jahren gemacht haben.“ Beeindruckt vom Können des Kollegen will er ihm einen weiteren Auftrag verschaffen: „Ich habe eben dem Insel-Verlag geschrieben, der das neue Buch Verhaerens [‚Les Blés mouvants‘] übertragen haben möchte, Sie an erster und einziger Stelle vorgeschlagen und hoffe da bald, Ihnen Erfreuliches melden zu können.“284

      Zu den Schriftstellern, die beim „Neuen Pathos“ mitmachen wollen, gehört auch der in Elberfeld geborene Armin T. Wegner. Bei einem Treffen mit Zech im Oktober hat er sein Ziel erreicht, denn er schreibt ihm: „Ich bin stolz auf die Annahme im Pathos, sehr stolz. Ich komme mal wieder – nach meinem Abend“.285 Damit meint er eine Lesung aus eigenen Werken am 28. November bei „Reuß & Pollack“, über die später im „Berliner Tageblatt“ steht: „In dem engen Raum saßen eng gedrängt ein paar hundert Menschen und hörten mit einigermaßen erstaunten Mienen die kraftvollen Verse des jungen Dichters.“286 Zur selben Zeit veranstaltet Meyer im „Papierhaus“ einen Autorenabend, bei dem unter anderen Ernst Wilhelm Lotz, Anselm Ruest und Max Herrmann auftreten. Dieser lässt in einem Brief an Leni Gebek kein gutes Haar am Vortrag seiner Kollegen.287

      Im Advent kommt eine neue Nummer des „Literarischen Echos“ heraus. Sie enthält zwei Gedichte aus dem „Schwarzen Revier“.288 In der gleichen Ausgabe stänkert Lissauer: „Die lyrische Gestaltung Zechs ist […] oft durchsetzt von einem lediglich beschreibenden Element. Zech sieht viele Bilder, aber seine Vergleiche entbehren oft aller assoziativen Werte“. Der Kritiker empfiehlt dem Kollegen, ein Sachbuch zu schreiben: „Ich glaube, dass eine umfängliche Darstellung des rheinisch-westfälischen Kohlebeckens von Zech eine bedeutende Arbeit würde und vielleicht gelänge ihm auch ein Roman aus dieser Umwelt.“289

      Léon Deubels Leben und Schaffen sind derzeit ein bevorzugtes Thema bei französischen und deutschen Intellektuellen. In Bachmairs Zeitschrift „Die Neue Kunst“ stehen im Dezember unter dem Titel „Leidenschaft“ fünf Gedichte des Franzosen. Angeblich hat Zech sie ins Deutsche übertragen.290 Das trifft nicht zu, denn die Verse haben keine französischen Vorlagen.291 Im gleichen Heft findet sich von ihm auch eine Würdigung des Blass‘schen Lyrikbandes „Die Straßen komme ich entlang geweht“.

      Auf Einladung der „Literarischen Abteilung der Berliner freien Studentenschaft“ trägt Zech im Kreuzberger „Papierhaus“ aus eigenen