Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

Читать онлайн.
Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



Скачать книгу

hat Meister den Gedichten von sechs „rheinischen Lyrikern“, unter ihnen Zech, vorbehalten. Der pseudonyme Rezensent lobt die Autoren, indem er andere heruntermacht: „Endlich emanzipiert sich hier der Rhein von jener deprimierenden Feuchtfröhlichkeit, die sich um Walter Bloem, Rudolf Herzog und Genossen schart“. Zur selben Zeit verhandelt er mit Bloem über die Uraufführung eines seiner Stücke, denn der ist am Stuttgarter Hoftheater als Chefdramaturg engagiert. Die abfällige Bemerkung über dessen Schaffen steht im Gegensatz zum Lob, mit dem er Monate zuvor den Roman „Volk wider Volk“ bedacht hat: „Bloem […] fasst kräftig zu. Seine Bilder haben Kolorit und Beweglichkeit. Seine Gestalten haben Mark und Bein. Er kennt nicht die billige Tränenrührseligkeit“.207 Von den sechs Autoren der „Fanale“ nennt Zech vier lediglich mit Namen, ohne auf deren Gedichte einzugehen. Nur Robert R. Schmidt widmet er neun Zeilen und räumt schließlich drei Viertel des Beitrags dem Autor ein, um dem es ihm ausschließlich geht: „Paul Zech ist der älteste und ausgereifteste Dichter dieses Kreises.“ Dem Lob folgt der Abdruck des Gedichts „Fabrikstadt an der Wupper“.208

      Albert Ehrenstein teilt Zech mit: „das neue Pathos erhielt ich. Ausstattung und Inhalt haben mir ausgezeichnet gefallen.“ Der Brief enthält auch die Nachricht, Kokoschka gestatte den Herausgebern, von den Bildern, die er bei Cassirer in Berlin ausstellt, Fotos machen zu lassen. Er genehmige ferner, diese Aufnahmen im „Neuen Pathos“ zu veröffentlichen. Den Vorschlag lehnen die Herausgeber ab, da Fotografien ihrer Meinung nach nicht zum Erscheinungsbild einer Zeitschrift passen, die auf der Handpresse gedruckt wird. Ehrenstein weist Zech ferner darauf hin: „In meinem Schulkollegen Dr. Luitpold Stern (vom ‚Strom‘ und ‚Arbeiterzeitung‘) haben Sie und Meidner einen Schätzer gefunden.“209 In der „Zeitschrift für Bücherfreunde“ liest Zech über „Das Neue Pathos“: „Der gemeinsame Wille aller Mitarbeiter […] zielt dahin: starkes Gefühl für die Welt und ihre Erscheinungen stark und menschlich herauszuschleudern.“ Der anonyme Verfasser des Artikels lobt: „Die Herausgeber haben in geschickter Weise verstanden, […] Proben dieses ‚neuen Pathos‘, von den älteren Begründern an bis zu den Allerjüngsten, die sich mehr und mehr einer Form annähern, welche in der Malerei Expressionismus genannt wird, zusammen zu bringen.“210 Zweigs Anerkennung für die zweite Nummer der Zeitschrift fällt knapper aus: „Vielen Dank für das schöne Heft.“211

      Zech arbeitet an einem zweiten Theaterstück, „Der Turm“. Im Manuskript einer späteren Überarbeitung steht die Widmung: „Geschrieben Sommer und Herbst 1913 für meinen Landsmann, den Dichter Peter Baum.“212 Der „Landsmann“ ist unschwer als falsche Behauptung zu erkennen. Nur die Zeitangabe trifft einigermaßen zu. Inhaltlich geht es um das Sektenwesen im Wuppertal. Die Handlung ist als Vater-Sohn-Konflikt angelegt, einem der häufigsten Themen expressionistischer Dramatik. Auch das spricht für die vom Autor genannte Datierung.

      Lasker-Schüler möchte im nächsten Heft des „Neuen Pathos“ eine Antwort auf Benns „Drohung“ veröffentlichen. Dazu hat sie Zech drei Gedichte zugesandt: „Giselheer dem Heiden“, „Giselheer dem Knaben“ und „Giselheer dem König“. Sie ermahnt ihren Freund: „bitte genau meine Correktur, bin sonst außer mir“. Zudem ordnet sie an: „Schicken sie mir sofort Journal.“ Den Wunsch kann er ihr erst einen Monat später erfüllen und die Druckanweisungen sind zu dem Zeitpunkt nur teilweise berücksichtigt. Der barsche Ton der Dichterin erklärt sich aus ihrer Stimmungslage: „Bin sehr herunter, weltmüde etcetera.“ Angeblich hat sie eine Kränkung erfahren: „Ehrenbaum-Degele soll scheußlich von mir sprechen, seh ich [ihn], geb ich ihm eine Backpfeife. / Was soll das alles?“213 Dem „reinen Liebesfreund“ Hans gelingt es innerhalb weniger Tage, Lasker-Schüler zu versöhnen.

      Eine Zuspitzung des Konflikts unter den Herausgebern des „Neuen Pathos“ hat sich in der kargen grafischen Ausstattung der zweiten Ausgabe des Blattes angekündigt. Nun teilt Meidner Albert Ehrenstein vertraulich mit: „Walden ist für mich erledigt, ebenso Herr Zech. Ich erfuhr durch einen Zufall – einer meiner Bekannten belauschte es im Café – dass Herr Tieffenbach und […] Zech beabsichtigen, diese Zeitschrift zu einer rein arischen zu machen.“ Einzelheiten der Unterhaltung kennt Meidner nur vom Hörensagen: „Die jüdischen Mitarbeiter sollen allmählich hinausgeschmissen werden und der zweite Jahrgang des neuen Pathos […] wird ganz von norddeutsch-evangelischem Schollengeruch erfüllt sein.“ Angeblich ist folgende Vorgehensweise geplant: „Tieffenbach […] will auf eine sehr perfide Art meinen Austritt erzwingen: meine Zeichnung im nächsten Heft soll verdruckt und ganz verschmiert wiedergegeben werden. Ich werde natürlich allen jüdischen Mitarbeitern […] Mitteilung davon machen.“ Aus diesem Grund fragt Meidner nach Franz Werfels Adresse und schildert im Detail, wie sehr er unter dieser „Infamie“ leidet.214

      Der unbekannte Lauscher dürfte Inhalt und Verlauf des Gesprächs nicht völlig frei erfunden haben. Das legen Zechs judenfeindliche Äußerungen in seinen Briefen an Wegener über den Literaturbetrieb in Berlin nahe. Eine durchgehend antisemitische Haltung der übrigen Herausgeber des „Neuen Pathos“ als Ursache für das Ende von Meidners Mitarbeit darf jedoch ausgeschlossen werden. Das zeigen Inhalt und Erscheinungsbild des Blattes ab Mitte 1913. Die nächste Doppelnummer enthält Ehrensteins Gedicht „Jehova“. Von anderen jüdischen Autoren wie Lasker-Schüler, Hasenclever und Werfel erscheinen ebenfalls Beiträge. Es finden sich darin sogar Texte von Blass und Lissauer, die Zech nicht ausstehen kann und deren Werke er schlecht findet.

      Auch die grafische Ausstattung der Zeitschrift ist in der folgenden Zeit keineswegs nur „Ariern“ vorbehalten. Steinhardt liefert nach wie vor Radierungen und wird zu einem engen Freund Zechs. Das belegt der Briefwechsel des Ehepaares Jakob und Minni Steinhardt mit Rudi und Hella Zech in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts. Zu der Zeit äußert sich auch Meidner nochmals zu dem Streit, ohne auf dessen Ursache einzugehen: „Paul Zech ist ziemlich vergessen und ich selber nicht weniger. Und er war doch sehr begabt und konnte viel. Ich kannte ihn gut und hatte einige Zusammenstöße mit ihm.“215

      Was letztlich im Sommer 1913 zum Bruch zwischen zwei der vier Herausgeber des „Neuen Pathos“ führt, ist schwer zu durchschauen. Auslöser könnte Meidners Einspruch gegen den Abdruck der Kunstwerke von Marc und Campendonk sein. Unterstützung erfährt Zech von Lasker-Schüler, die den Wegfall der Beiträge ihres „Blauen Reiters“ Franz Marc missbilligt. Schriftlich äußert sie sich dazu nicht. Wichtiger sind ihr die eigenen Verse für Benn. Bald nach der ersten Anfrage mahnt sie: „Wie ist das mit den Gedichten?“216 Eine Krise, in der die Zeitschrift möglicherweise steckt, erwähnt sie nicht. Das Gleiche gilt für Steinhardt, der Zech gut gelaunt schreibt: „seit einer Woche bin ich in meiner Heimat [Zerkow], pflege mich gut und führe ein süßes faules Leben. Wie geht es Ihnen? Hat Ihnen [Eduard] Fuchs den Linoleum-Schnitt gegeben?“217 Er fragt nach einem Portrait Zechs von seiner Hand, das im „Saturn“ Verwendung finden soll. Nichts deutet auf eine Verstimmung oder die bevorstehende Aufkündigung der Mitarbeit des Künstlers am „Neuen Pathos“ hin.

      Oskar Loerke entspricht Zechs Bitte, sich mit einem weiteren Beitrag an der Zeitschrift zu beteiligen: „Verehrter Herr Landsmann, ich freue mich sehr, dass endlich einmal auch unsere Provinz drankommt. Wir müssen uns auch persönlich kennen lernen.“ Damit spielt er auf die gemeinsame Herkunft aus Westpreußen an und fährt fort: „Hier schicke ich Ihnen von mir acht Stücke zum Aussuchen: so wenig oder so viel Sie wollen, das Übrige erbitte ich mir wieder, da Abschriften bei mir das Rarste sind.“218 Dieser Kollege bedeutet für Zech eine wichtige Erweiterung seines Berliner Bekanntenkreises. Mit ihm pflegt er Umgang abseits der Kneipenszene. Loerke lädt ihn zu einem Besuch bei sich zu Hause in der Joachim-Friedrich-Straße ein, erhält sofort eine Zusage und meldet sich erneut: „vielen Dank für Ihr liebenswürdiges Versprechen, Sonnabend zu kommen. Ich wohne im rechten Flügel des Hinterhauses, natürlich ganz oben. […] Sie sind herzlich willkommen.“219

      Aus München schreibt Bachmair an Zech: „Ich muss Ihnen noch bestens danken für Ihr außerordentlich schönes Neues Pathos. Ich wollte dies schon längst tun, aber, Sie wissen ja selbst, welche Arbeit und Zeit eine neue Zeitschrift erfordert. Nun ist das erste Heft glücklich im Handel.“220