Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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nuancenreich, so dass der halbstündige Vortrag des ersten Teils, anscheinend das erste Kapitel eines Entwicklungsromans, unter Längen litt.“ Zum Inhalt des Romans teilt der Kritiker mit: „Er behandelt die seelischen Erlebnisse eines jungen Studenten in der kleinen Universitätsstadt und enthält viele feine und treffende Bemerkungen.“

      Zech beginnt demnach schon vor dem Ersten Weltkrieg mit der Niederschrift eines Werkes, das er als eines seiner wichtigsten betrachtet, „Peregrins Heimkehr“. Der zweite Teil der Lesung ist Versen aus „Die eiserne Brücke“ vorbehalten, doch auch sie kommen nicht an: „Nach der schönen und abgeklärten Prosa des Romanfragments wirkte die allzu große Bilderfülle der Gedichte oft erdrückend, namentlich bei der Gleichmäßigkeit des fast sachlichen Vortrags.“293 Über die Veranstaltung berichtet nur die „Vossische Zeitung“. Die anderen Blätter der Hauptstadt verschweigen sie.

      Der Misserfolg des Abends ist auf Zechs labile psychische Verfassung zurückzuführen. Er trägt schlecht vor, weil er sich nicht konzentrieren kann. Im Anschluss an die Lesung hat er auch keine Lust auf Gespräche mit den Studenten, sondern bittet Börsch, ihn am übernächsten Tag zu besuchen. Deprimiert fährt er nach Hause. Die Gedanken an den Konflikt mit Pfemfert lassen ihn nicht los. Vergebens hofft er, der Skandal sei mittlerweile vergessen. Dem ist nicht so, was auch aus einem Brief Zweigs an ihn hervorgeht: „Ich […] sehe aber mit Bedauern, dass Sie Ihr Vortragsreferat im Berliner Tageblatt niedergelegt haben, doch hoffentlich kommen alle diese Dinge bald wieder in Ordnung.“ Während eines Deutschlandbesuchs will sich der Schreiber bei dieser Zeitung für seinen Freund einsetzen: „Wenn ich mit [Fritz] Engel spreche, werde ich selbstverständlich alles tun, um für Sie zu sprechen.“294 Seine Mitarbeit hat Zech nicht freiwillig beendet, vielmehr ist ihm seitens der Redaktion wegen der Eigenrezensionen gekündigt worden, was ihn mit Frau und Kindern in noch größere finanzielle Bedrängnis bringt. Erstmals bittet er die „Deutsche Schillerstiftung“ in Weimar um Unterstützung und erhält 100 Mark.295

      Den Abend des 10. Dezember verbringt Zech im Restaurant des „Architektenhauses“ in Gesellschaft von Loerke. Ihn hat er um einen Beitrag für seine Zeitschrift gebeten, bisher aber nur die hinhaltende Antwort zu lesen bekommen „Bitte rechnen Sie nicht auf die Novelle für ‚Das Neue Pathos‘. Ich kann in deren Dingen leider nicht mehr als den guten Willen versprechen – und schreibe Lyrik.“296 Im persönlichen Gespräch lässt sich der Kollege umstimmen. Zech erhält das Gedicht „Inbrunst“ und die Novelle „Der Sandberg“. Tieffenbach schafft es, die Texte ins Dezemberheft aufzunehmen, dessen erste Exemplare 72 Stunden später fertig vorliegen.

      Kaum ist das eine Problem gelöst, taucht das nächste auf. Schickele schreibt: „da passiert noch etwas unangenehmes […]. Unverständlicher Weise besteht mein Verleger der Weißen Bücher darauf, meinen Gedichtband noch vor Weihnachten herauszubringen. Ich hoffe, dass Sie die [Ihnen vorliegenden] Gedichte noch nicht in Satz gegeben haben und kein Schaden entsteht.“297 Zech kann diese Besorgnis verstehen, denn er befindet sich in ähnlicher Lage. Beide Autoren stehen beim „Verlag der Weißen Bücher“ unter Vertrag. Dessen Leiter dringt darauf, „Die Leibwache“ von Schickele sowie „Die eiserne Brücke“ von Zech, jeweils vordatiert auf 1914, noch ins vorweihnachtliche Buchgeschäft zu bringen. Damit sind die Beiträge des Kollegen keine Erstveröffentlichungen mehr und entfallen im „Neuen Pathos.“ Nicht anders als Schwabach verfährt Wolff mit dem „Kinobuch“ von Pinthus, das auch im Dezember erscheint. Die Zeichnung auf dem Titel stammt von Ludwig Kainer.298

      Als sich der Schriftsteller Max Dauthendey für kurze Zeit in Berlin aufhält, möchte er mit Zech sprechen und schlägt ihm dafür genau den Nachmittag vor, an dem dieser schon mit Börsch verabredet ist. Der junge Mann wird wieder kurzfristig versetzt und erhält ein Briefchen: „verzeihen Sie bitte, dass ich Sie nutzlos bemüht habe. […] Kommen Sie doch bitte am Montag um drei Uhr zu mir. Und wenn Sie können, schreiben Sie bitte ein Referat über meinen mißlungenen Studentenabend.“299

      Im letzten Heft vom ersten Jahrgang des „Neuen Pathos“ sind Zech, Robert R. Schmidt, Ehrenbaum-Degele, Loerke, Lissauer, Blass, Albert Ehrenstein, Pinthus, Engelke, Meurer, Zweig, Hasenclever und Holz vertreten. Für die grafische Gestaltung hat der Herausgeber erneut Steinhardt, Heckel, Rösler und Bötticher gewonnen. Von Letzterem existiert ein Brief an die Redaktion, in dem es heißt: „ich bin ganz aus dem Häuschen vor Freude über das ‚neue Pathos‘. Mal endlich eine Zeitschrift, die man sich freut in den Bücherschrank zu stellen, die nicht zunächst erzählt, dass der Herr Herausgeber kein Geld hat.“300

      Kurz vor Weihnachten kommt Börschs Besuch bei Zech endlich zustande. Beide besprechen einen Artikel, der in Meurers „Neuer Theaterzeitschrift“ erscheinen soll: „Die drei Lyrikbücher aus dem Verlag der Weißen Bücher“. Das sind: „Die eiserne Brücke“ von Zech, „Der Aufbruch“ von Ernst Stadler und „Die Leibwache“ von René Schickele.301

      Stefan Zweig hat seinen nächsten Besuch in Berlin angekündigt und ein Gedicht übersandt, das, wie er mitteilt, „allerdings noch an anderer Stelle erscheinen wird, aber an einer solchen freilich, die in Deutschland nicht gelesen wird“.302 Damit ist Zech nicht einverstanden. Er will im „Neuen Pathos“ keinen Beitrag veröffentlichen, der zu gleicher Zeit irgendwo anders erscheint, antwortet jedoch: „das Gedicht soll im zweiten Heft des neuen Jahres kommen. […] Mit gleicher Post lasse ich Ihnen ein paar Prospekte zukommen. Vielleicht können Sie jemand ausfindig machen, der subskribiert.“303

      Zech wendet sich an Alfred Vallette, den Leiter des Verlags „Mercure de France“ und behauptet, er allein habe das Recht, die Werke Léon Deubels ins Deutsche zu übertragen.304 Ohne eine Antwort aus Paris abzuwarten, macht er sich daran, weitere Texte des Franzosen nachzudichten, die für das „Neue Pathos“ bestimmt sind. Der Empfänger schickt den Brief an Louis Pergaud, einen Schriftsteller, der Deubels Gedichtband „Régner“ auf eigene Kosten in Vallettes Verlag herausgebracht hat.

      Während der Weihnachtsfeiertage verbringt Zech Zeit mit Frau und Kindern, wie er es in einem Gedicht formuliert: „Stunden, die sich lieben lassen, / Stunden, die verhaltne Wut und helles Hassen / abtun unter dem entflammten Tannenreis.“305 Zum Jahreswechsel schickt er Dehmel gute Wünsche.306 Schon im Advent hat er ihm geschrieben: „das neue Pathos rüstet sich für den zweiten Jahrgang. […] Ich möchte nun den Jahrgang ohne einen Beitrag von Ihnen nicht eröffnen. Würden Sie die Güte haben und mir etwas zu Verfügung stellen? Sie werden in guter Gesellschaft sein.“307

      An Silvester meldet sich der Schriftsteller Kasimir Edschmid, dessen Texte, die er im November für „Das Neue Pathos“ eingesandt hat, im jüngsten Heft der Zeitschrift nicht berücksichtigt worden sind. Deswegen bringt er sich in Erinnerung, aber auch das nützt nichts. In den folgenden Nummern fehlen sie ebenfalls. Auch der Kollege Alfred Wolfenstein hat schon einen Beitrag für das nächste Heft eingereicht und angemerkt: „Sehr dankbar wäre ich, wenn der Bescheid freundlichst nicht allzu spät gegeben werden könnte.“308 Seinem Text ergeht es nicht anders als denen von Edschmid. Wolfenstein bleibt ungedruckt, obwohl der Verfasser nachhakt: „wenn Sie es ermöglichen würden, meinen Essai – für dessen Annahme ich bestens danke – in Ihrem Ersten Heft zu bringen, so wäre mir dies besonders lieb“.309

      Der „Verlag der Weißen Bücher“ schaltet in der „Aktion“ fünf bezahlte Anzeigen für „Die eiserne Brücke“. Das hält Herausgeber Pfemfert nicht davon ab, weiter gegen deren Autor vorzugehen. Der Konflikt hat auch mittelbare Auswirkungen. Da das „Berliner Tageblatt“ weiterhin keine Beiträge von Zech annimmt, fehlt diesem Geld. Die hundert Mark der Deutschen Schillerstiftung sind über die Feiertage aufgebraucht worden. Erneut schreibt er nach Weimar: „Ich bitte nun um die Gewährung einer erweiternden Unterstützung, da ich mich aus meiner schweren Lage nur mit einer Summe von 3 bis 400 Mark befreien kann.“310 Der Bittsteller wird aufgefordert, seine Verhältnisse zu schildern und die bisher von ihm veröffentlichten Schriften beizufügen: „Wenn dies bald geschieht, kann Ihre Angelegenheit noch dem in etwa acht Tagen an unseren Verwaltungsrat von hier abgehenden Aktenumlauf beigegeben werden.“311