Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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„Geboren bin ich […] als ältester Sohn des Seilermeisters Adolf Zech“, doch bei seinen beruflichen Anfängen macht er aus dem Hilfsarbeiter im Bergbau einen „bergbautechnischen Beamten“, der „in Deutschland, Belgien und England“ tätig gewesen sei. Die Mitarbeit an Zeitungen im Wuppertal stilisiert er zu einer „zweijährigen Tätigkeit als Redakteur“ bei der Barmer „Allgemeinen Zeitung“ und seine Anstellung als Theater-und Buchreferent beim „General-Anzeiger“ will er wegen künstlerischer Meinungsverschiedenheiten mit der Verlagsleitung aufgegeben haben.

      Eigenen Angaben zufolge verdient Zech zur Zeit 50 bis 80 Mark im Monat, hat mehrere Darlehen aufgenommen und infolgedessen 1800 Mark Schulden. Weiter erklärt er: „An der Einnahme aus den Büchern bin ich prozentual beteiligt, jedoch ist der Verkauf der Schriften trotz außerordentlich günstiger Rezensionen, ein sehr geringer.“ Dann heißt es: „Eine bösartige Krankheit, die mir zehn Wochen hindurch jede geistige Arbeit unmöglich machte, brachte mich noch tiefer in Not, so dass ich mit der Wohnungsmiete und der Verzinsung im Rückstand blieb.“ Als Referenzen für sein Schaffen gibt er Zweig und Dehmel an, ferner den Germanisten Richard Moritz Meyer, Paul Friedrich, den er vom Verlag „Neues Leben“ kennt, und Paul Block vom „Berliner Tageblatt“, obwohl von diesem derzeit keine positive Rückäußerung zu erwarten ist.312

      Zum jüngsten Heft des „Neuen Pathos“ erreichen den Herausgeber mehrere Zuschriften. Wie Hohn müssen ihm Oskar Loerkes Sätze klingen: „Konnten Sie von Blass nichts Besseres erlangen? Auch Lissauers Gedicht ist mir eigentlich keins: spielerisch und nicht zwingend in der Idee und trocken und unpraktisch in der Ausführung. Was sagen Sie?“313 Beide Fragen kann der Herausgeber nicht beantworten, ohne in Erklärungsnot zu geraten. Da er Gerrit Engelke Belegexemplare vorenthalten hat, fragt dieser: „Ist das neue Pathos-Heft schon erschienen?“314 Zweigs Reaktion auf die Nummer fällt kühler aus als sonst: „Vielen Dank auch für das Neue Pathos, das wie immer sehr stattlich aussieht und von dem ich bisher nur die Bilder betrachtet habe.“315 Möglicherweise reagiert der Freund deshalb so kühl, weil sein Name lediglich als Übersetzer des Gedichts „Die Briefe“ von Jules Romains in der Ausgabe steht und nicht unter einem Text, der ausschließlich von ihm selbst stammt.

      Zweig ist einer der Wenigen, dem Zech ein Exemplar seiner neuen Lyrikanthologie „Die eiserne Brücke“ schenkt. Freunde und Bekannte hat er wissen lassen, der „Verlag der Weißen Bücher“ werde ihnen das Werk zusenden. Das zieht sich jedoch hin oder erfolgt überhaupt nicht. Loerke beanstandet: „Ihr Buch habe ich vom Verlag nicht bekommen, sonst hätte ich Ihnen schon geschrieben. […] In Schaufenstern habe ich es noch nicht gesehen.“ Der Kollege schlägt vor, Zech solle ihm den Band persönlich in der Joachim-Friedrich-Straße vorbeibringen, wo er zu Hause ist: „Falls Sie aber ganz in meiner Nähe zu tun hätten, seien Sie doch so liebenswürdig an meiner Tür zu klingeln und zu entschuldigen, falls ich wirklich nicht da wäre. Ich sehe Sie so selten, dass ich nicht mutwillig eine Gelegenheit miteinander zu sprechen versäumen möchte.“316

      Erich Heckel wohnt etwas weiter entfernt von Zech als Loerke. Sein Atelier befindet sich in der Steglitzer Markelstraße. Trotzdem werden redaktionelle Angelegenheiten des „Neuen Pathos“ mit ihm auch im persönlichen Gespräch geregelt. Der Künstler schickt eine Notiz: „es war natürlich schad, dass wir uns nicht trafen. Ich habe Herrn Schmidt-Rottluff gebeten, Sonnabend zu Herrn Tieffenbach zu gehen. Ich selbst kann leider nicht. Hoffe aber in acht Tagen da zu sein.“317

      In zwei Zeitschriften stellt Zech das lyrische Schaffen von Kollegen vor. „Über Franz Werfel“ steht im „März“, der Kollege sei „durchaus reiner Tor. Ein Parsifal des letzten großen Mitgefühls. […] Anstoß und Grundstein einer neuen Lyrik, die endlich einmal wieder Tempel und Wallfahrtsort der Mühseligen sein kann“.318 Das „Deutsche Literaturblatt“ veröffentlicht eine Besprechung Hasencleverscher Texte, die unter dem Titel „Der Jüngling. Das unendliche Gespräch“ bei Kurt Wolff erschienen sind. Diese Rezension ist wieder ein expressionistisches Wortkunstwerk: „Hetärentum in Lustschatullen stürzt zurück in schrankenloser Hingabe, und Leib paart sich zu Leib, vom ausschließlichen Medium der Sinne beflügelt.“319

      Hasenclever kündigt Zech an, sich für diesen Artikel zu revanchieren: „Heute kommt Ihre ‚Eiserne Brücke‘ und ich werde sie gleich für die ‚Leipziger Neuesten Nachrichten‘ besprechen. Ich bin wieder im Lande und fahre am 1. Februar nach Leipzig.“ Wie er weiter wissen lässt, ermöglicht ihm Hiller einen Auftritt in Berlin: „Am 26. Februar lese ich im ‚Gnu‘ als Einziger an diesem Abend mein Stück. Und ich lade Sie herzlich dazu ein.“320

      Eineinhalb Jahre nach dem Wechsel in die deutsche Hauptstadt hat sich Zech einen Platz im literarischen Leben Berlins erkämpft. Aus dem Villenviertel Grunewald erreicht ihn eine Karte: „Sehr geehrter Herr Zech! Wir bitten Sie morgen Sonntag halb drei Uhr zu uns zu Tisch zu kommen und hoffen auf freundliches Wetter. Herzlichen Gruß Hans Ehrenbaum.“321 Im Haus seiner Eltern, Douglasstraße 22, macht ihn der Gastgeber mit seinem Lebensgefährten bekannt. Er heißt Friedrich Wilhelm Murnau. Zech will sich für die Einladung revanchieren und schreibt an Zweig: „Mein Freund Ehrenbaum ist gern bereit an der Verlaine-Ausgabe mitzuarbeiten. Falls Sie ihm also etwa anvertrauen würden, wären Sie einer guten Aufnahme sicher.“322

      Aus Leipzig hat Zech die Nachricht erhalten, der „Insel Verlag“ werde ihn mit der deutschen Übertragung der „Blés mouvants“ von Verhaeren betrauen.323 Das von Zweig genannte Honorar ist um hundert Mark gekürzt worden, trotzdem schreibt er nach Wien: „ich gehe mit besonderer Freude an diese ehrenvolle Arbeit und Sie können sich denken, dass ich Ihnen, dem ich das zu verdanken habe, keine Schande machen werde.“ Das Geld benötigt er dringend, denn das „Berliner Tageblatt“ nimmt, wie er weiter mitteilt, noch immer keine Beiträge von ihm an: „Engel schrieb mir ziemlich schroff, dass er meinen Aufsatz noch nicht bringen kann. Überhaupt muss ich mich über das B. T. sehr beklagen.“324 Auf den Gedanken, den Boykott selbst verursacht zu haben, kommt er nicht.

      Zechs Vorschlag, Ehrenbaum-Degele in die Übersetzer-Tätigkeit einzubinden, weicht Zweig aus: „Ihren Freund Ehrenbaum werde ich ganz bestimmt um Beiträge bitten, ich kann es nur jetzt nicht tun, weil ich an einem Tage an alle zugleich herantreten will, um niemand zu verstimmen. Es wird eine schöne Sache werden, das spür ich im Handgelenk.“ Die vom Verleger genannte Vergütung für die Verhaeren-Übertragung hält er für angemessen: „und dann ist eben ein Buch beim Insel-Verlag eine Sache, die nicht nach einem Jahr in die literarische Senkgrube hinabgeht. Ich freue mich sehr darauf und wünsche Ihnen frohes Schaffen.“325

      Emmy Schattke hat die „Der blassen Blonden in der Ferne“ gewidmeten Verse in den „Weißen Blättern“ gelesen und sofort erkannt, wer damit gemeint ist.326 Auf eine entsprechende Nachricht von ihr jubelt Zech: „Seele und Temperament stehen in lichterlohen Flammen. Heissa! Was sind da Kopfschmerzen?! Was Kilometer?! Und ich höre Sie wiederum murren: Bist Du schon fertig? Hast Du Dein Leben schon gelebt? Bist Du schon satt?“ Zum Geburtstag erhält die Freundin ein Exemplar der „Sonette aus dem Exil“ als Geschenk: „Das kleine Buch, das ich Ihnen anbei sende (Sie kennen Teile daraus) ist doch nur der symbolisierte große Krampf, der mir geblieben ist, seit ich Ihre Hand küssen durfte. Nichts anderes.“ Er berichtet: „Dieser Brief ist ein wenig gehetzt, liebe Blonde. Ich bin aber ruhig und grüße Sie mit der ganzen Ruhe meiner Seele.“ Das entspricht nicht den Tatsachen, denn den Schreiber beunruhigt der Gedanke, Schattkes Antwort auf seine Liebeserklärung könne der Gattin in die Hände fallen. Deshalb weist er darauf hin: „Correspondenzen sind zu senden an: „Paul Zech, Redaktion der Zeitschrift ‚Das neue Pathos‘ Berlin-Steglitz, Martinstraße 9/10“. Das ist die Adresse der Tieffenbachs. Neben diese Order klebt er eine Stiefmütterchenblüte aus der Trockenpresse.327

      Hasenclever möchte sich mit Zech treffen und schlägt dafür ein Lokal am Kurfürstendamm vor. Der Termin platzt, denn der Eingeladene erscheint nicht. Die Reaktion des Versetzten ist moderat: „Im Café Prinzeß habe ich heute (nach Verabredung) von fünf Uhr bis Viertel vor sechs auf Sie gewartet; doch traf ich Sie nicht an. Schade. Ich fahre gleich (halb sieben) wieder nach Leipzig, sehr krank und müde. Auf Wiedersehn bald wieder in Berlin (hoffentlich)“.328