Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

Читать онлайн.
Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



Скачать книгу

Bildern und Gedanken.“33 Der Gelobte widmet Grein zum Dank sein Gedicht „Novembernacht“.34

      Aus Berlin erhält Zech überraschend die Nachricht: „Wir kommen dieser Tage nach Elberfeld, ich komm plötzlich zu Ihnen – passen Sie nur auf. Grüßen Sie ihre Frau und Däumling. Viele Grüße Ihre Else Lasker-Sc[hüler]“. Weiter schreibt sie: „Mein Mann grüßt herzlich. Wahrscheinlich kommt Oskar Kokoschka mit.“35 Vor Ankunft der Gäste hat Zech Stress durch Emmy Schattke. Sie ist über erotische Gedichte verärgert, die er ihr gewidmet hat. Das ergibt sich aus dem Wortlaut von Pauls Versuch, die Freundin zu beschwichtigen: „Ich komme mir vor wie Adam, als er aus dem Paradies vertrieben wurde. Ich finde aber keinen Schatten, meine brennende Scham zu bedecken. […] Handkuß und Grüße bestens Paul Zech“.36

      Am 10. August steigen Lasker-Schüler, Walden und Kokoschka im Elberfelder Hotel „Weidenhof“ ab. Für die Gäste und Zech ist der mehrtägige Besuch erfüllt von bleibenden Eindrücken. Über die berichten drei von ihnen später in schriftlicher Form. Lasker-Schüler schreibt ein Loblied auf ihren Heimatort und erzählt, wie sie auf den Straßen ihrer Kindheit durch die Stadt flaniert. Begleitet wird sie von Zech. Ab diesem Zeitpunkt ist er ihr „Wupperfreund“. Als Paul beim Rundgang über einen Jahrmarkt längst genug hat von Luftschaukeln und Kirmesmusik, will sie immer noch mal Karussell fahren und überredet ihn schließlich zum Besuch des Kölner „Hännesken“-Theaters.37

      Kokoschka berichtet über den Versuch der drei, Abonnenten für den „Sturm“ zu gewinnen: „Die einzelnen Nummern warfen wir in die Postkästen der Villen und Häuser in den Städten, die uns für unsere Werbung günstig erschienen.“ Der Erfolg ist bescheiden. Das mag nicht zuletzt am Erscheinungsbild der Truppe liegen, die Werbung treibt. Lasker-Schüler trägt auf ihrem langen schwarzen Haar einen Turban, steckt in weiten bunten Pluderhosen und raucht auf der Straße mit einer langen Spitze Zigaretten. Walden hat einen verschlissenen schwarzen Gehrock an, dazu ein weißes Hemd mit hohem Stehkragen und gelbe Schnabelschuhe. Kokoschka sieht nicht weniger exotisch aus: „ich war ebenso komisch-elegant noch vom kaiserlichen Schneider in Wien gekleidet.“ Die rheinische Bevölkerung toleriert solche Bekleidung nur während des Karnevals: „[Wir] wurden natürlich von den zusammenlaufenden Passanten belacht, verhöhnt, von Kindern bejubelt und von verärgerten Studenten fast verhauen.“38

      Zech geht später mehrfach auf den Besuch aus Berlin ein. In „Die Reise um den Kummerberg“ schreibt er: „Mit Kokoschka nahm ich, nach einer Visite beim August von der Heydt[-Museum], im Sturm die Königshöhe“.39 Aufzeichnungen aus der Emigrationszeit enthalten Angaben darüber, was er gemeinsam mit Lasker-Schüler unternommen hat: „Drei Vormittage lang trieben wir uns, die Dichterin und ich, auf der Königshöhe herum“. Erwähnung findet an dieser Stelle auch eine Episode, in deren Verlauf die beiden auf dem Rückweg Kindern bunte Glasabfälle aus den örtlichen Knopffabriken, sogenannte „Knippsteine“, abkaufen und damit um die Wette spielen, bis Lasker-Schüler gewonnen hat. Frei erfunden ist Zechs Behauptung: „Ich war auf ein Telegramm der Dichterin hin aus dem ‚Kohlenpott‘ herübergekommen.“ Er und seine Familie haben ihren festen Wohnsitz in Elberfeld.

      Um ein Phantasieprodukt handelt es sich auch bei der Schilderung in diesem Text, wie Lasker-Schüler nach Ende der Vorstellung im „Hännesken“-Theater aufspringt und lautstark eine Aufführung ihres Stückes „Die Wupper“ im Elberfelder Stadttheater fordert. Ihr Begleiter muss auf ihren Wunsch hin „den Lukas hauen“. Da ihm das gut gelingt, bekommt er einen Blechorden, den er an sie weiterreicht. „Mit einem halben Dutzend heißer Waffeln, ‚blutfrisch ut de Pann‘, nahm der Spaß […] schließlich ein Ende.“ Zech erzählt ferner Märchen vom Besuch einer Ausstellung im Städtischen Museum, wo Portraits prominenter Persönlichkeiten hängen, und behauptet, sein Bildnis habe sich darunter befunden. Weder gibt es 1910 ein solches Gemälde, noch hat die Stadt irgendeine Veranlassung, ihn in ihrem Museum zu ehren.

      Dem wirklichen Geschehen näher ist der Satz: „Wir schrieben auf der Wiese Spottbriefe an Walden und Kokoschka, die einen Abstecher nach Hagen gemacht hatten, um mit Osthaus, dem Begründer und derzeitigen Besitzer des ‚Folkwang-Museums‘ geschäftlich zu verhandeln.“40 Die beiden Herren besuchen den Mäzen, um mit ihm die Möglichkeiten einer Ausstellung in seinem Haus zu erörtern. Es sollen frühe Arbeiten Kokoschkas gezeigt werden, die kürzlich in Paul Cassirers Galerie an der Berliner Viktoriastraße erstmals in Deutschland zu sehen gewesen sind. Die Eröffnung ist für August geplant. Kokoschka willigt ein. Zufrieden fahren beide Männer nach Elberfeld zurück. Während ihres restlichen Aufenthaltes verbringen die Gäste aus Berlin auch einen Abend im „Café Holländer“. Zech hat sich mit Schattke versöhnt. Sie ist in der Runde mit dabei.41 Schließlich müssen die drei Besucher ihre Reise abbrechen, weil sie kein Geld mehr haben.

      Im „Sturm“ liest Zech Lasker-Schülers Artikel über Kokoschkas Werke, die sie bei Cassirer gesehen hat.42 Das macht ihn neugierig und er beschließt, die Bilder ebenfalls anzuschauen. Walden erfährt von ihm: „Gestern war ich in Hagen und habe dort die Ausstellung von Kokoschka besucht. Ich muss mich erst wieder 24 Stunden an die Wirklichkeit gewöhnen. Kokoschka hat mich betäubt. Noch kann ich nicht alles fassen.“ Nach diesem Erlebnis steht für ihn fest: So wie bisher kann und will er nicht weitermachen. Walden schreibt er: „Zwei Tage nach Ihrer Abreise empfing ich von Herrn Kerst einen saugroben Brief. Ich habe noch gröber geantwortet. Jetzt bin ich hier vollständig unten durch. Desto besser.“ Abschließend bittet er um Beistand in diesem Streit: „Es würde eine gute Waffe für mich sein, ein paar Arbeiten im ‚Sturm‘ zu haben, damit ich den Elberfeldern eins auswischen kann!“43

      Zweig hält sein Versprechen. Während des Besuchs bei Verhaeren bittet er den Gastgeber, auf einer Ansichtskarte, die er Zech schicken will, zu unterschreiben. Deren Bildseite zeigt: „Angre. La Honelle. L‘Eglise“, eine Kirche sowie vier Häuser. Eines davon ist gekennzeichnet und Zweig notiert daneben: „Viele Grüße von Verhaerens Heim.“44 Unter seinem Namen findet sich der des belgischen Dichters. Daraus macht der Empfänger Jahre später folgende Story: „Es geschah auf dem belgischen Landgut Verhaerens im Jahre 1909, dass wir uns zum ersten Mal als ‚Kollegen‘ die Hand schüttelten.“ Als Zeugen der Begegnung nennt er Zweig und schildert ein Detail der Unterhaltung, das ebenso seiner Phantasie entspringt wie die Begegnung selbst: „Verhaeren prophezeite uns beiden ein biblisches Alter und sich einen frühen und tragischen Tod.“45 Dank der Fürsprache Zweigs kann Zech ab 1910 mit dem belgischen Dichter korrespondieren und einige von dessen Werken ins Deutsche übertragen, persönlich begegnet er ihm nie.

      Fahrenkrog nimmt Verbindung mit Alfred Richard Meyer auf, einem Literaten, der bei der Leipziger „Offizin W. Drugulin“ „Lyrische Flugblätter“ am Fließband drucken lässt und sie preiswert in den Handel bringt. Beide werden sich über die Veröffentlichung einer Ausgabe einig, die zwölf Gedichte der „Jungbergischen Dichtergruppe“ enthält. Das Heft erscheint unter dem Titel „Das frühe Geläut“. Böse Berliner Zungen bezeichnen den Inhalt als „vorzeitiges Gebimmel“, was der Veröffentlichung nicht gerecht wird, auch wenn sie nicht zu den besten Nummern der Reihe gehört.46 Vertreten sind darin Zech, Fahrenkrog, Vetter und Grünewald-Bonn. Beiträge von Kerst und Kreidt fehlen. Der Buchschmuck stammt von Fahrenkrog. Die drei Seiten, auf denen seine Gedichte stehen, hat er mit einer germanischen Swastika, dem „Hakenkreuz“, ausgeschmückt. Im Anhang weist er darauf hin, demnächst werde sein Drama „Baldur“ bei „Greiner & Pfeiffer“ erscheinen. Eine zweite Ankündigung lautet „Von den Autoren lassen ihre Einzelwerke folgen: Paul Zech die Gedichtsammlung ‚Zieh deinen Pflug und liebe‘. Christian Gruenewald-Bonn die lyrischen Flugblätter: ‚Die frühe Ernte‘, ‚Die Nacht der Leiden‘ und die Gedichtsammlung: ‚Denn ich bin Gott!‘.“47

image

      Paul Zech im Garten von Ludwig Fahrenkrog

      Lasker-Schüler schreibt Zech: „Herwarth lässt sie grüßen, er hat sie gern“.48 Dem Verleger gefällt die Lyrik des „Wupperfreundes“