Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

Читать онлайн.
Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



Скачать книгу

die positive Antwort sieht sich Zech veranlasst, dem Mentor noch mehr Gedichte zu schicken. Diesem ist die Nachwuchsförderung jedoch endgültig lästig. Das zeigen seine Randbemerkungen in den Manuskripten, die er dem Verfasser wieder nicht zurückgibt, sondern an seinem Wohnsitz, Schloss Windischleuba, aufbewahrt: „Russ und Rauch“ hält er für „Grässliche Hofmannsthalerei“, zu „Spätherbst“ merkt er an: „Grässliche Wienerei, man wird ja seekrank bei dem ewigen Geschaukel des Enjambements!“, und das Gedicht „Zum Abend“ findet er „ganz nett“, aber „zu sehr Hofmannsthal“.17

      In einem (verlorenen) Brief, dessen Inhalt sich aus der Antwort des Empfängers erschließen lässt, macht Münchhausen Zech Vorwürfe „wegen fehlender Distanz zu den Wiener Juden-Ästheten“. Vorerst, so lässt er ihn wissen, werde er keine Zeit mehr zum Verbessern der Verse finden. Der „Schüler“ widerspricht seinem Lehrer nicht, übergeht aber dessen Ratschläge. Sämtliche Verse, die dem Baron missfallen, wirft er nicht in den Papierkorb, wie er später behauptet, sondern bietet sie weiterhin Zeitungen und Zeitschriften zur Veröffentlichung an. Mit traditioneller Lyrik möchte er sein Einkommen verbessern und mittels neuer Gedichte als Vertreter der „jungen Autoren“ Beachtung finden.

      Else Lasker-Schüler fordert Zech auf: „Bitte senden Sie von sich einige Gedichte zur Auswahl […] an Redaktion: Der Sturm Herwarth Walden“.18 Das macht er sofort. Die Dichterin bestätigt den Erhalt der Sendung und stellt ihm in Aussicht, bald ins Bergische Land zu reisen: „Vielleicht bringe ich meinen Jungen mit nach Elberfeld, da ich hörte, Sie haben auch einen Bengel.“ Der Brief schließt: „Ich grüße Sie auch Ihre Frau [sic!]. Tino von Bagdad.“19 Lasker-Schüler setzt in die Tat um, was sich Zech von Münchhausen erhofft hat. Sie schickt seine Manuskripte an die Redaktionen der Berliner Zeitungen. Eine von ihnen, „Der Tag“, veröffentlicht das Gedicht „Ausklang“.20

      Helene ist unverändert misstrauisch, was die Treue ihres Mannes betrifft. Das lässt ihn an Scheidung denken. Schattke schreibt er: „Wenn meine Frau mit dem Feuer spielen will – mag sie sich die Finger verbrennen. […] was ich tu‘ und treibe kann das Tageslicht vertragen. Sind meine Lieben zu dumm das zu begreifen, so mögen sie eben die Konsequenzen ziehen.“ Auch die Freundin ist noch wütend über den sonntäglichen Vorfall und möchte keinen Kontakt mit ihm. Ihre Briefe hat sie zurückverlangt und angekündigt, die seinen zu verbrennen. Das kann er nicht zulassen. Um Schattke umzustimmen, verweist er auf ein tragisches Paar der Literaturgeschichte: „Ich erzittre aber vor dem Verlust Ihrer Freundschaft. Lesen Sie das Schicksal Lenaus und Sophie von Löwenthals – und dann werfen Sie den ersten Stein auf mich.“ Das zeigt, in welchem literarischen Umfeld Zech, der angeblich uneitel ist, sein Werk sieht. Unter der Grußformel mit „Handkuß“ steht: „Soweit ich sie noch hatte, finden Sie die Briefe anbei“.21

      Auf Zechs Frage an Lasker-Schüler, wie seine Arbeiten Walden gefallen haben, erwidert diese: „Ihre Gedichte sind, glaube ich, genommen.“ Es ist ihr gelungen, den Herausgeber des „Sturm“ von der Qualität der Verse zu überzeugen, weshalb bald regelmäßig neue Titel in der Zeitschrift erscheinen. Sie selbst lobt: „Ihr Gedicht im ‚Tag‘ wundervoll.“22 Einen Monat später stellt sie erneut in Aussicht: „Vielleicht kommen Herwarth Walden und ich bald nach Elberfeld.“23 Das Ehepaar will im Rheinland für den „Sturm“ Werbung machen.

      Zech hat Zweig auf seinen Brief von Mitte Januar geantwortet und ihm mitgeteilt, er plane, erstmals ein eigenes Buch zu veröffentlichen. Dazu schreibt ihm der Kollege: „Ich wünsche Ihnen, dass […] es Ihnen besser ergehen möge, als mir bei Verhaeren: von Woche zu Woche hingehalten, mit immer neuen Ausreden vertröstet.“ In der (nicht überlieferten) Mitteilung hat Zech wissen lassen, er liebe das Werk des belgischen Dichters und sei auch bereit, sich für diesen zu engagieren. Die Reaktion darauf aus Wien: „Sie haben ja recht – es sind viele, die Verhaeren lieben, aber wahrhaft wertvoll ist doch nur tätige, wirkende Liebe, die Liebe weiter verbreitet.“ Zweig prophezeit richtig: „Vielleicht wird Verhaeren ihr Gedicht beeinflussen: wehren Sie sich nicht, ich habe mich auch gefürchtet und bin nun froh, mich doch dem Ganzen hingegeben zu haben.“ Er bestärkt Zech, Texte aus fremden Sprachen zu übertragen: „Ich freue mich bestätigt zu finden, dass immer diejenigen, die es verstehen, sich fremden Werken hinzugeben […] damit innerlich ihr eigenes Werk kräftigen.“ Zudem kündigt er an: „Ich selbst gehe jetzt zu Verhaeren auf Besuch nach Belgien: ich will Ihnen als Förderer des Werkes eine gemeinsame Karte senden oder eine Fotografie erwirken.“24

      Gegenüber Rudolf Presber, dem Redakteur der Zeitschriften „Über Land und Meer“ sowie „Arena“, klagt Zech: „Ich ringe schon seit Jahren um ein wenig Anerkennung und es wird mir durchaus nicht leicht gemacht, sodass ich manchmal an meinem bescheidenen Talent zweifle.“ Nach dieser nicht ernst gemeinten Untertreibung fährt er fort: „Börries von Münchhausen, der zuweilen meine neuen Verse liest, ermuntert mich stets zu weiterem Schaffen und schrieb mir kürzlich unter anderem ‚Sie müssen sich durchsetzen. Bei Ihrer durchaus originellen Eigenart kann ein Erfolg nicht ausbleiben‘.“ Dann kommt er zur Sache und verweist auf ein „lyrisches Flugblatt“, das in Kürze mit Gedichten von ihm erscheinen soll. Seinem Brief fügt er die Verse „Nachtgesang“ bei und hofft auf deren Veröffentlichung.25 Der Redakteur druckt von nun an tatsächlich regelmäßig Zechs Lyrik in beiden Blättern ab.

      Im Juli 1910 stirbt in Briesen Emilie Zech. Ihr ältester Sohn fährt zur Beerdigung nach Westpreußen: „Der Zug geht und kommt in langsamen Atempausen. Gleitet in den Bahnhof wie das kantige Gewicht einer Stangenwaage und wiegt dem Hutzelort die Pfunde seines Daseins zu.“26 Als die Tote auf dem evangelischen Friedhof an der Schönseer Straße zu Grabe getragen wird, geben ihr noch zwei weitere Söhne das letzte Geleit. Zum älteren von beiden hält Paul mehr als den üblichen oberflächlichen Kontakt, obwohl er ihn früher nicht gemocht hat: Eines der Gedichte, die an Münchhausen gegangen sind, „Sommernacht“, trägt die Widmung „Für Rudolf Zech“.27 Auch Elisabeth, die Lieblingsschwester, ist mit Ehemann und Kindern aus dem nahen Strasburg zur Beerdigung gekommen. Die zwölfjährige Ida, Pauls jüngste Schwester, wohnt noch im Elternhaus. Auf die Anwesenheit von Bruder Gustav, geboren Ende 1894, gibt es keinen Hinweis. An der Spitze des Trauerzuges gehen in Briesen hinter dem Sarg der Pfarrer sowie der Witwer Adolf Zech und die Kinder der Toten. Ihnen folgt eine große Anzahl von Enkeln, nahen Verwandten, Freunden und Nachbarn. Den Vater wird Paul künftig meiden, wie er später bedauert: „Man hat viele Jahre hinter sich. Vielleicht war man in einem der allerfrühesten so schuldig. Kurz nachdem mir die Mutter wegstarb und der Vater mir so fremd wurde, dass ich ihn nicht mehr wiedersah.“28

image

      Emilie Zech im Jahre 1910

      Zech fährt von Westpreußen aus nicht direkt ins Bergische Land. Schattke schreibt er: „Freitag voriger Woche habe ich meine Mutter begraben. Auf der Rückreise vom Begräbnis machte ich in Berlin Halt und besuchte Else Lasker-Schüler, der es auch sehr schlecht geht.“29 Er berichtet auch von einem Gespräch mit Walden, dem er dabei vorgeschlagen hat, Besprechungsexemplare des „Sturm“ an die Lokalzeitungen im Wuppertal zu schicken. Wieder daheim, erreicht ihn vom Herausgeber die Mitteilung: „Wie ich festgestellt habe, erhält der Generalanzeiger von Elberfeld bereits seit Bestehen unsere Zeitschrift zugestellt. Eine Notiz über den Sturm ist unseres Wissens bisher noch nicht erschienen.“ Walden bittet: “Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie das freundlichst veranlassen würden.“30

      1910 feiert Elberfeld sein dreihundertjähriges Bestehen als Stadt. Vor Beginn einer „Festwoche“, die im Sommer den Höhepunkt der Feierlichkeiten bildet, erscheint eine Sonderbeilage des „General-Anzeigers“, in der das Programm ausführlich vorgestellt wird. Von Zech steht im Innenteil ein Gedicht, „Nachtgebet“31, aber die Titelseite ist einem „Festgruß“ von Walter Bloem vorbehalten.32 Die Barmer „Allgemeine Zeitung“ bringt zum Jubiläum ein Feuilleton „Elberfeld und seine zeitgenössischen Dichter“ von Leo Grein. Darin heißt es: „Zech ist […] der vollendetste