Das Erbe von Tench'alin. Klaus D. Biedermann

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Название Das Erbe von Tench'alin
Автор произведения Klaus D. Biedermann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783937883830



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kann nicht sein, dachte er, was soll hier unbekannt sein? Dass der Vulkan aktiv ist, wissen wir ... aber eine Fehlermeldung hatte ich bisher noch nie.

      Auch nach nochmaligem, diesmal etwas energischerem Klopfen auf das Display veränderte sich die Anzeige nicht.

      Genervt schaltete er die Meldung kurzerhand ab. Die Rauchsäule des mächtigen Gork hatte ihm auf seinem Marsch sogar als Orientierung gedient und die MFB hatte sie bisher stets normaler, aber ungefährlicher vulkanischer Aktivität zugeordnet.

      »Wenn du mir keine nützlicheren Informationen liefern kannst«, murmelte er dabei. Dann nahm er die Brille für einen Moment ab und setzte sie nach dem Verschwinden der Meldung wieder auf.

      Dennoch vorsichtiger geworden, setzte er seinen Weg fort.

      Kurz darauf entdeckte er die in den Fels gemeißelten Schriftzüge. Scotty hatte diese bei seinem Besuch vor einigen Tagen nicht deuten können, Steve Sisko aber las die Botschaft mithilfe seiner MFB, die wieder tadellos funktionierte.

      Kommst du in Frieden, so tritt ein und fürchte dich nicht. Kommst du als Feind, wird dir keine Rettung sein.

      Komische Formulierung … und was passiert wohl, wenn die Mission nicht friedlich ist?, dachte Steve und grinste. Er war für alles gerüstet. Dann fuhr er behutsam mit einer Hand über die Worte.

      »Unglaublich«, flüsterte er jetzt, »das ist weit mehr als tausend Jahre her. Wahrscheinlich hat man damals so gestelzt geredet.«

      Kurz darauf stand er auf der gleichen Anhöhe, die auch Scotty schon in Erstaunen versetzt hatte. Ihm erging es nicht anders, obwohl er dank Nikitas Berichten, so spärlich sie auch gewesen sein mochten, darauf vorbereitet war. Vor ihm breitete sich das Tal von Angkar Wat aus. Über seine MFB ließ er die Männer, die jetzt in Bushtown in dunklen Räumen vor großen Bildschirmen hockten, an diesem Blick teilhaben, der sich ihm präsentierte: Üppige Vegetation, bis hoch in die Berghänge hinauf, umschloss das Tal. Er sah einen See, der von mehreren Wasserfällen gespeist wurde und auf dessen Oberfläche sich jetzt glitzernd die Sonne spiegelte. Überall im Tal standen Bäume, die man sonst nur in sehr fruchtbaren Ebenen finden konnte. Zahlreiche Obstsorten wie Äpfel, Kirschen und Birnen, ja sogar Mandelbäume und Weinstöcke konnte er am Südhang erkennen. So hoch im Gebirge solch eine Vegetation, das ist schon mehr als merkwürdig, dachte er.

      Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen.

      Vor zwei Tagen wäre er unweigerlich auf Jared gestoßen und wäre er noch früher gekommen, hätte er sein Eindringen in dieses Tal genau wie Vincent sicher mit seinem Leben bezahlt.

      Auch nach weiteren Minuten konnte er kein Anzeichen menschlichen Lebens erkennen. Tiere hingegen gab es jede Menge. An den Hängen suchten Ziegen nach Futter und im Tal erblickte er Schafe und Hühner. Er hakte seine Daumen unter die Riemen des Rucksackes und begann den Abstieg, der von zwei sehr besorgten Krulls beobachtet wurde.

      Bald traf er auf die ersten Ruinen und schreckte dabei ein paar Hühner auf, die im warmen Sand gedöst hatten. Aufgeregt gackernd und feinen Staub aufwirbelnd liefen sie davon, um kurz darauf ihre Futtersuche fortzusetzen.

      Richtige Häuser ... tatsächlich, durchfuhr es ihn, massive Häuser ... aus Stein gebaut.

      Nikitas Informationen stimmten soweit.

      Hier haben wirklich Menschen gelebt, und als er die Burg erblickte, dachte er weiter, was immer sie hierher getrieben hat, sie sind lange geblieben ... oder hatten es zumindest vorgehabt.

      Als er den Burghof betrat, erschien erneut die Meldung auf dem Display seiner MFB und wieder schaltete er sie aus.

      Bisher war alles gut gegangen, wenn man davon absah, dass es länger als geplant gedauert hatte, bis Dennis, der ihn in einem kleinen Boot an Land hatte bringen sollen, eine geeignete Stelle gefunden hatte. Schließlich hatten sie in der Nähe der Stadt Sardi, so besagten jedenfalls die Karten, die auch schon in Nikitas MFB gespeichert gewesen waren, einen geeigneten Platz gefunden. Der Marsch vom Strand bis hierher war denkbar einfach gewesen. Nur zu Beginn war er in einem leichten Trab, den er ohne große Mühe einige Stunden lang beibehalten konnte, unterwegs gewesen. Die MFB hatte ihn dabei sicher geführt. Da er sich nicht mit Nahrungssuche aufhalten musste – für die ersten Tage hatte er genügend dabei – war er schnell vorangekommen.

      Von Nikita Ferrer, vielmehr deren Brille, war man über die Ansiedlungen von Menschen informiert, die auf dem Weg lagen. Irgendwann hatte sich Frau Ferrer dem Befehl ihres Vorgesetzten widersetzt gehabt und die Brille nur ab und zu getragen. Man hatte darüber die wildesten Spekulationen betrieben, wie er wusste. Wahrscheinlich würde sie bei einem Verhör in der Heimat irgendeine fantasievolle Geschichte zum Besten geben. Die Wahrheit würden sie nicht herausbekommen, davon ging er aus.

      Damit, dass sie sich hier in diesem armseligen Teil der Erde verlieben würde, hatte man nicht gerechnet. Das war einfach absurd. Es war offensichtlich doch geschehen, wie man von Professor Rhin erfahren hatte, und schon aus diesem Grund würde er nicht alles glauben, was sie berichtet hatte. Er würde nicht nur dieses Tal genauestens unter die Lupe nehmen müssen.

      Sein Instinkt sagte ihm, dass Nikita Ferrer nicht alles erzählt hatte. Dass Liebe die Wahrnehmung gehörig verzerren kann, war ihm durchaus bekannt, und wer wusste schon, wie weit sie mit den Menschen in diesem Teil der Welt, die sie ganz offensichtlich um den Finger gewickelt hatten, bereits solidarisch war. Sie schwärmte in ihren knappen Berichten geradezu von dieser Welt. Demnach war sie hier sehr herzlich aufgenommen worden.

      Steve kannte alle Tonprotokolle der Gespräche, die sie mit ihrem Vorgesetzten, Professor Rhin, geführt hatte, und er hatte ihre Emotionen genau herausgehört, obwohl sie diese sicher hatte verbergen wollen. Einer dafür programmierten Software hatte sie allerdings nichts vormachen können. Er hätte sie gerne an Bord kennengelernt, um ihr noch etwas auf den Zahn zu fühlen. Sein Befehl hatte aber gelautet, direkt an Land zu gehen – noch bevor man sie an Bord der U-57 aufnehmen würde.

      Er war mehr als fünf Jahre intensiv vorbereitet worden und es war ihm inzwischen klar geworden, dass das nur für diesen Auftrag geschehen war. Eines hatte er neben vielem anderen gelernt: nur sich selbst zu vertrauen, denn selbst die ausgereifteste Technik konnte versagen, was ihm ja eben unter Beweis gestellt worden war. Die Sprache, die hier gesprochen wurde, sprach er wie ein Einheimischer.

      Seinen Zwillingsbruder, der gerade dabei war, eine große politische Laufbahn einzuschlagen – er gehörte mit seinen 23 Jahren zu den jüngsten Senatoren – hatte er in den letzten Jahren so ziemlich aus den Augen verloren. Sie telefonierten zwar hin und wieder und trafen sich bei Familienfesten, aber die Nähe, die sie als Kinder gehabt hatten, war zwischen ihnen nie wieder entstanden. Sie hatten sich vollkommen unterschiedlich entwickelt. Damals hatte sie ihre Entführung nur für kurze Zeit noch zusammengeschweißt.

      Der Entführer hatte während der drei Monate ihrer Gefangenschaft ein paarmal seine Maske abgelegt. Diese wenigen Momente hatten aber genügt, dass stahlblaue Augen und eine Raubvogelnase selbst heute noch hin und wieder in Steves seltenen Träumen auftauchten. Dass sie entführt worden waren, wussten sie lediglich aus Erzählungen. Man hatte den Brüdern gesagt, dass es wohl das Beste für sie gewesen sei, dass sie dieses traumatische Erlebnis vergessen hätten. Einer der Spezialisten, die seine Eltern konsultiert hatten, hatte damals einen weitschweifenden Vortrag über das Unterbewusstsein des Menschen, über Amnesie und Traumaverarbeitung gehalten. So würden sie ihre Zukunft unbeschwerter erleben und frei von Ängsten gestalten können, hatte er gemeint. Dass sie sich eines Tages daran erinnern würden, hielt er praktisch für ausgeschlossen.

      »Sie könnten sich höchstens erinnern, wenn sie ihrem Entführer doch eines Tages gegenüberstehen sollten, aber das ist ja nicht möglich, da der sich umgebracht hat, wie man in den Nachrichten hören konnte«, hatte er die besorgten Eltern noch beruhigt.

      Nur ein schmales ledernes, an den Rändern metallverziertes Armband mit einem eingefassten Diamanten, das er immer trug, erinnerte ihn stets daran. Seine Mutter hatte jedem ihrer Söhne ein solches Band als, wie sie es nannte, Schutzband geschenkt, kurz nachdem sie wieder zu Hause waren.

      Er begann sofort mit der Erkundung,