Aus der emotionalen Achterbahn aussteigen. Patricia Zurita Ona

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Название Aus der emotionalen Achterbahn aussteigen
Автор произведения Patricia Zurita Ona
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783867813136



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eintauschen. Der Gedanke, für ihre Mutter in deren letzten Tagen da zu sein, bereitet ihr solche Freude. Ganz gleich, wie nah oder fern Sie dem Punkt sind, an dem Sie sein wollen, Sie können Ihre nächsten Schritte mit Absicht wählen und sich auf das zu bewegen, was wirklich für Sie zählt. Das heißt nicht, dass es immer leicht sein wird, auf der Grundlage Ihrer Werte zu handeln. Tatsächlich können Sie manchmal das Gefühl haben, dass Ihre Emotionen Sie in verschiedene Richtungen ziehen. Sie werden sich vielleicht ziemlich weit entfernt von dem wähnen, was Sie wirklich sein möchten, aber ich verspreche Ihnen, dass Ihr Leben umso besser sein wird, je mehr Sie sich auf das zu bewegen, was zählt. Versuchen Sie es!

      Ihre Werte leben

      Ich möchte Ihnen eine kleine Geschichte erzählen.

      Nach einer langen Vorgeschichte mit immer wiederkehrenden Depressionen, Alkoholproblemen und Selbstverletzung als Teenager fand sich Darcy in einer hoch konflikthaften Ehe wieder. Jedes Mal, wenn Darcy und ihr Mann miteinander stritten, bekam sie zu hören, dass es allein ihre Schuld sei. Sie lernte, auf die Wut ihres Mannes mit Wut zu antworten, parierte jede seiner Attacken mit einem Gegenangriff und reagierte auf seine Distanziertheit mit noch mehr Distanz. Als ich mit Darcy darüber sprach, was bei diesen Streitigkeiten wirklich wehtat, wurde klar, dass sie litt, weil sie »Freundlichkeit« als eine sehr wichtige persönliche Eigenschaft schätzte. Sie mochte sich selbst nicht, wenn sie wütend wurde, verbal zurückschlug und ihren Mann kritisierte und anschrie. In einem Versuch, ihre Werte zu leben und ohne zu wissen, wie ihr Mann reagieren würde, setzte sich Darcy das Ziel, freundlich zu sich selbst zu sein, indem sie für sich überprüfte, ob es die Sache wert war, den Streit fortzusetzen oder nicht. Jedes Mal, wenn sie nun einen Streit hatten, sagte Darcy zu ihrem Mann: »Ich sehe, du bist aufgebracht und ich bin es auch. Ich muss an dieser Stelle aufhören, weil wir einander nur verletzen.« Manchmal entschied sich Darcys Mann ebenfalls innezuhalten, manchmal schrie er einfach weiter und manchmal verließ er sehr wütend das Haus.

      Darcy erkannte, dass es nicht darum ging, freundlich zu sich selbst zu sein, um die Reaktion ihres Mannes zu beeinflussen, sondern einfach, weil sie so sein wollte – insbesondere, wenn sie wütend auf ihn war und sie stritten. Sie wollte keine wütende Frau werden. Jedes Mal, wenn Darcy mitten in der Auseinandersetzung um eine Pause bat, verspürte sie dieses unvergleichliche Gefühl der Freude darüber, dass sie sich bewusst dafür entschied, die Person zu sein, die sie sein wollte: eine freundliche Person. Es war nicht einfach und schon gar nicht schmerzfrei und dennoch war es für sie unbezahlbar.

      Man kann seine Werte nur ganz konkret, mit dem eigenen Verhalten leben, mit dem, was man tut. Als hochsensibler Mensch werden Sie von Ihren Gefühlen in diese oder jene Richtung getrieben, doch ich verspreche Ihnen, dass es einen Unterschied machen wird, wenn Sie innerlich einen Schritt zurücktreten, Ihre Werte überprüfen und Ihr Verhalten bewusst wählen. Es gibt kein besseres persönliches GPS in Ihrem Leben als Ihre Werte.

      Teil II

       Ich und meine Gefühle

       Kapitel 5

      Was sind Emotionen?

      Da Sie nun mehr darüber wissen, was dazu beigetragen hat, dass Sie ein hochsensibler Mensch geworden sind, einige der schnellen Lösungen identifiziert haben, auf die Sie manchmal vielleicht zurückgreifen und verstehen, welche Konsequenzen diese in Ihrem Leben haben, wollen wir uns noch eingehender mit dem Phänomen »Emotionen« beschäftigen und schauen, wie sie funktionieren. Denn wenn man emotional hochsensibel ist, ist es wichtig zu verstehen, wie dieser Motor einen antreibt.

      Die emotionale Maschinerie

      Emotionen sind komplexe Systeme, bei denen mehrere Elemente – physiologische, neurologische und psychische Prozesse – wie bei einer großen Maschine ständig ineinandergreifen. Wird ein Element dieser emotionalen Maschinerie aktiviert, werden in allen Komponenten faszinierende Mechanismen in Gang gesetzt. Wohin wir auch gehen: Diese »Maschine« begleitet uns überallhin. Sie ist immer da. Wenn ihr Schalter anspringt, werden verschiedene Systeme in unserem Körper verknüpft: das sympathische, parasympathische, endokrine und neurologische. Sie koordinieren die in unserem Körper ablaufenden Prozesse. Sie koordinieren auch mikropsychische Prozesse, die alle gleichzeitig ablaufen: Aufmerksamkeit, Gedanken, Erinnerungen, Bilder und Impulse. Durch das Zusammenspiel all dieser Systeme wird Ihr Verhalten gesteuert: Sie handeln. Gefühle kommen nicht aus heiterem Himmel. Sie werden durch ein Ereignis ausgelöst – das plötzliche Glücksgefühl, wenn Sie auf den Kalender schauen und sehen, dass ein verlängertes freies Wochenende bevorsteht, die Vorfreude, wenn Sie auf einer Speisekarte Ihr Lieblingsgericht entdecken, die Traurigkeit, die Sie empfinden, wenn Ihre Fußballmannschaft verliert oder die Wut, die Sie verspüren, wenn geliebte Menschen verletzt werden. Emotionen können auch durch innere Prozesse ausgelöst werden, beispielsweise die Erinnerung an Ihren ersten Kuss, die Tagträume über Ihre nächste Urlaubsreise oder die Sorge, dass niemand Ihr Buch lesen wird. Alle Gefühle, die wir erleben, haben ein Eigenleben und wie Mini-Systeme formieren sie sich aus kleinsten Einzelkomponenten. Wenn ich beispielsweise in diesem Moment beim Schreiben nach innen schaue, fühle ich eine intensive Freude, spüre, dass mein Herz schneller schlägt und meine Wangen warm sind (körperliche Empfindungen); vor meinem geistigen Auge sehe ich ein Bild meiner früheren Wohnung (Erinnerung); beiläufige Fragen wie »Ist dies genug?«, »Ist es zu kurz?« kommen mir in den Sinn (Gedanken) und es überkommt mich ein starker Drang, jetzt auf dem Laptop so schnell ich kann zu tippen, bevor sich die Ideen wieder verflüchtigen (Impuls). Halten Sie jetzt, während Sie dies lesen (wo immer Sie sich gerade befinden), einmal inne und nehmen Sie die Mikro-Komponenten Ihres emotionalen Systems wahr. Können Sie wahrnehmen, welche Art von Gedanken, Erinnerungen oder Bildern Ihr Geist hervorbringt? Macht sich Ihr Körper deutlich bemerkbar oder steht im Moment eine Emotion im Vordergrund? Verspüren Sie einen Drang, in diesem Moment etwas Bestimmtes zu tun?

      Eine weitere Information über Emotionen ist wichtig: Sie dauern gewöhnlich nur ein paar Sekunden an, ob Sie es glauben oder nicht. Gefühle sind im Allgemeinen vorübergehend und verflüchtigen sich, bis das nächste auftaucht. Nur wenn wir darüber brüten oder nachgrübeln, warum ein Gefühl auftauchte oder ein Ereignis stattfand, dauern sie länger an. Charlie schüttete beispielsweise unabsichtlich etwas Wein über den Pullover seines Freundes. Obwohl der Freund verstand, dass es ein Versehen war und zu Charlie sagte, er solle sich deswegen keine Sorgen machen, war Charlie beschämt und brachte Stunden damit zu, sich zu fragen, warum er den Wein verschüttet hatte, warum er nicht besser aufgepasst hatte, was wäre, wenn sein Freund ihn nun nicht mehr mögen würde und so weiter.

      Ein unangenehmes Gefühl zu haben, bedeutet nicht, dass man aufgrund dieses Gefühls unbedingt handeln muss. Wenn der emotionale Schalter eingeschaltet ist, fühlen sich unangenehme Gefühle wie eine Verbrennung dritten Grades an und drängen zu unmittelbaren Maßnahmen. In Schwierigkeiten kommen wir dann, wenn wir auf der Basis dieser intensiven, momentanen Gefühle handeln, ohne zu überprüfen, ob die Situation wirklich ein Handeln erfordert und was langfristig wirklich wichtig ist. Dieses Szenario mit Troy zeigt, wie seine emotionale Maschinerie seine Reaktionen steuert:

       Troy (wütend): »Warum hast du mich nicht zurückgerufen? Ich habe dich sechs Mal angerufen und du bist nie ans Handy gegangen. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Sorgen ich mir gemacht habe.«

      Pamela: »Es tut mir leid, ich habe nach dem Yoga-Kurs vergessen, das Handy wieder einzuschalten. Ich habe es komplett vergessen und dann habe ich noch Besorgungen gemacht.«

      Troy (wütend): »Du weißt, welche Sorgen ich mir immer um dich mache; ich hatte Angst, dir könnte etwas zugestoßen sein. Ich wusste überhaupt nicht, was los ist. Du warst einfach weg und ich war hier und versuchte mich zu vergewissern, dass du in Sicherheit bist.«

      Pamela: »Ich verstehe vollkommen, dass du dir Sorgen gemacht hast, weil du mich nicht erreichen konntest. Tut mir leid, manchmal vergesse ich einfach etwas. Kann ich dich um einen Versöhnungskuss bitten, damit wir das Ganze vergessen können?

      Troy (schreit): »Nein, ich werde dir jetzt überhaupt keinen Kuss geben und außerdem werde ich das Abendessen heute mit deiner Familie absagen!«