Название | Apatheia |
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Автор произведения | Guido Seifert |
Жанр | Научная фантастика |
Серия | |
Издательство | Научная фантастика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957770776 |
(Joshua:) »Dann haben wir hier doch den Grund der Überhitzung, oder nicht?«
(Paladin:) »Leider nein. Sämtliche sonstigen Leistungsparameter entsprechen der Erwartung. Der erhöhte Schub korreliert zwar mit der Überhitzung, es existiert aber keine parametrische Kausalkette. Ich stehe vor einem Rätsel.«
(Joshua:) »Was können wir tun?«
(Paladin:) »Den Reaktor abschalten, die notwendigen Systeme einschließlich des LSS über die Akkumulatoren laufen lassen und so das Schiff runterkühlen.«
(Joshua:) »Dann büßen wir Bremsleistung ein.«
(Paladin:) »Richtig. Deshalb wird es wichtig sein, den Reaktor in bestimmten zeitlichen Abständen wieder hochzufahren. Der höhere Schub kompensiert einen Teil des Verlusts an negativer Beschleunigung. Dennoch kann ich zum augenblicklichen Zeitpunkt nicht sagen, ob wir mit dieser Methode in der Lage sein werden, uns wie geplant von Alpha Centauri gravitativ einfangen zu lassen.«
(Joshua:) »Und wenn wir vorbeischießen?«
(Paladin:) »Dadurch wird die Mission nicht gefährdet aber erheblich verlängert. Verpassen wir den Orbit, werden wir gezwungen sein, dass Schiff komplett abzubremsen und Richtung Alpha Centauri zu beschleunigen. Ein solches Manöver wird uns allerdings mindestens zwanzig Tonnen zusätzlichen Kernbrennstoff kosten. Dies wiederum hat zur Folge, dass wir für den Rückflug zur Erde den Reaktor über lange Strecken abschalten müssen und bis zum Decelerations-Punkt niemals diejenige Höchstgeschwindigkeit erreichen werden, die wir auf dem Hinflug erzielt haben.«
(Joshua:) »Wann kommen wir nach Hause, Paladin?«
(Paladin:) »Mindestens zehn Jahre später als geplant.«
(Joshua:) »Für eine Crew in Kryostase macht das kaum einen Unterschied.«
(Paladin:) »Das ist wohl richtig.«
(Fünf Sekunden Pause)
(Joshua:) »Würdest du sagen, dass wir hinsichtlich der Überhitzung einen kritischen Punkt erreicht haben?«
(Paladin:) »Nein. Ich beurteile die Situation als bedenklich aber noch nicht als kritisch.«
(Joshua:) »Wir lassen den Reaktor vorläufig weiterarbeiten.«
(Paladin:) »Verstanden, Kommandant.«
Persönliches Tagebuch von Joshua Feldmann, Kommandant der DAEDALUS, 08.12.2085
Die von Paladin berichteten Ungereimtheiten hinsichtlich des Fission-Fragment-Triebwerks erfüllen mich mit Sorge; und mit Ärger. Ein Raumfahrer rechnet mit Unwägbarkeiten; er rechnet mit Gefahren und unvorhergesehenen Ereignissen. Doch um ihnen wirksam zu begegnen, muss er sie verstehen. Wenn selbst eine komplexe KI zugibt, vor einem Rätsel zu stehen, wie will der Mensch da mehr leisten? So kann auch Jacob an dieser Stelle nur kapitulieren. Womöglich ist es aber genau diese Erfahrung des Paradoxen, die mich dazu bringen muss, den Begriff der ›Unwägbarkeiten‹ zu überdenken. Vielleicht gibt es doch mehr zwischen Erde und Alpha Centauri, als unsere Physik sich träumen lässt. Der Raumfahrer hätte sich dann dem scheinbar Unmöglichen in der gleichen Weise zu stellen wie dem Möglichen. Die Maxime müsste lauten: Handle auch angesichts des Widersinnigen besonnen; lasse dich von ihm niemals aus der Bahn werfen. Dies ist es vielleicht, was wir zu lernen haben.
Mia suchte mich heute Nachmittag in meiner Kabine auf, um mir von einem Widerspruch zwischen den ContempFiles Nr. 40 und Nr. 53 zu berichten (angeregt durch mein Abstract für die Jahre 2046 bis 2050 hat sie den heutigen arbeitsfreien Samstag dazu genutzt, sich mit dieser geschichtlichen Phase beschäftigen). Tatsächlich ist es so, dass die Friedenskonferenz die den sogenannten Wasserkrieg von 2049 beendete, in dem betreffenden Bericht mit einem unmöglichen Datum versehen wurde. Laut dieses Datums hätte die Konferenz ein Jahr zuvor stattgefunden, und zwar auf dem Höhepunkt des Krieges. Ich entgegnete Mia, dass der naheliegendste Grund, nämlich ein Flüchtigkeitsfehler des Kompilators, wohl auch der zutreffende Grund sein dürfte (ein immerhin auflösbares Paradoxon im Gegensatz zu den technischen Mysterien, mit denen uns die DAEDALUS konfrontiert). Diese Erklärung schien Mia nicht zu überzeugen. Ich gewann den Eindruck, dass sie einen dunklen Verdacht hegt, und dieser Eindruck ist für mich überhaupt der Grund, unser Gespräch aufzuschreiben. Glaubt Mia denn wirklich, dass man uns manipulieren könnte? Dass man uns die wahre Geschichte der vergangenen fünfunddreißig Jahre vorenthielte und uns mit Erfindungen versorgte? Wozu? Abwegig, möchte ich meinen.
Jacob hat Zegramulrob das Ballspiel beigebracht. Und es war nun wirklich putzig anzusehen, wie unser Zero Gravity Multipurpose Robot seine kleinen vergitterten Propeller schwenkte, um mit seinen Greifern an den an ihm vorbeischießenden Ball zu gelangen. Jacob befand, dass Zegs Propellerleistung zu gering sei, um relativ schnelle Richtungsänderungen zu bewerkstelligen. Also fragte er unseren handkoffergroßen Helfer, ob es ihm gefiele, zusätzlich mit CO2-Düsen ausgerüstet zu werden. Zeg zeigte sich begeistert, sofern man das von einem Roboter sagen kann.
Logan ist ausgesprochen eigenbrötlerisch. Er ist der Unkommunikativste von uns allen. Er ist sicher ein brillanter Wissenschaftler, aber so sehr mit Astronomie und Planetologie beschäftigt, dass er für andere Problemstellungen keinen Sinn aufbringt. Als ich ihm von den technischen Ungereimtheiten unseres Fission-Fragment-Triebwerks berichtete, nickte er nur geistesabwesend und erklärte mir, als ob ich danach gefragt hätte, dass, falls der Planet Proxima Centauri b jemals eine nennenswerte dichte Atmosphäre gehabt habe, sie längst aufgrund seines schwachen Magnetfelds und der starken koronalen Massenauswürfe seines Muttergestirns hinweggefegt worden sei.
Mia sucht oft die Krankenstation auf, obwohl sie nichts für Harry tun kann (die von Paladin kontrollierte automatisierte Behandlung ist nicht zu verbessern). Ihr Verhältnis zu Harry war immer das engste von uns allen. Die beiden verstanden sich hervorragend. Ich kann nicht sagen, ob auch tiefere Gefühle füreinander eine Rolle spielten, aber undenkbar ist das nicht.
Mission Longshot IV, Logbuch der DAEDALUS, Kommandant Joshua Feldmann, 9.12.2085 (Auszug)
11:15 – Ein Meteorit von vermutlich ursprünglich einigen Zentimetern Größe durchschießt die zweihundert Kilometer vor der DAEDALUS installierte Partikelwolke und besitzt immer noch genügend kinetische Energie, um die sieben Millimeter starke Beryllium-Schutzplatte des Schiffs zu durchschlagen. Splitter wiederum reißen ein mehrere Zentimeter großes Leck in die doppelte Wandung des GreenhouseLabs, in dem sich Mia aufhält. Paladin gibt Alarm und verriegelt das Schott zum GreenhouseLab. Ich bewegte mich, so schnell es mir möglich ist, zum Unfallort und hörte Mia von innen an das Schott schlagen. Ich fordere Paladin auf, das Schott für zwei Sekunden zur Hälfte zu öffnen, und er kommt meinem Befehl ohne zu zögern nach. Ich ziehe Mia durch den Spalt, während die Atemluft mit einem schrillen Pfeifton ins Vakuum schießt und ihr Sog ein Chaos im GreenhouseLab anrichtet.
11:40 – Mia befindet sich auf der Krankenstation, kann aber wieder entlassen werden. Mit Ausnahme des unvermeidlichen Schocks hat sie keine Schäden davon getragen.
12:05 – Ich führe mit Paladin ein Gespräch über den Unfall. Ich hänge die von ihm routinemäßig erstellte Audio-Datei an:
(Joshua:) »Hättest du Mia sterben lassen?«
(Paladin:) »Selbstverständlich nicht.«
(Joshua:) »Du hast das Schott verriegelt, während sie sich noch im Lab befand.«
(Paladin:) »Dieser Vorgang wird durch eine Subroutine geregelt und findet sozusagen außerhalb meines Aufmerksamkeitsfokus statt.«
(Joshua:) »Aber du bist in der Lage, jederzeit einzugreifen.«
(Paladin:)