Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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Bedeutung. Das hat schon die Sparrunde 2008 gezeigt. 2008 haben wir alle wichtigen gesellschaftlichen Akteure und die Bürgerinnen und Bürger in einem breit angelegten Prozess beteiligt. Dies werden wir auch im Jahr 2012 wiederholen.

      Fortsetzung auf S. 139

      Konnten viele Oberhausener im Jahr 2000 noch den Eindruck gewinnen, die Bäume ihrer Stadt wüchsen sprichwörtlich in den Himmel, so ist diese Stimmung zehn Jahre später einer abgeklärten Zuversicht gewichen. Doch zugleich mögen viele WAZ-Chefredakteur Peter Szymaniak zustimmen, der am 10. September 2011 kommentierte, früher sei wohl mehr Lametta gewesen; heute indes sei eben mehr Tanne.35 Daran kann man ersehen: Oberhausen ging seinen Weg des Wandels konsequent weiter und erzielte auch manche Erfolge. Oberhausen ist 2012 ohne Frage im Prozess des Wandels weiter voran gekommen als 2000. Doch der Unterschied zu den 1990er Jahren in Bezug auf das Lebensgefühl besteht ohne Zweifel darin, dass solch spektakuläre und große Projekte, wie sie die Startphase der Neuen Mitte Oberhausen prägten, nicht noch einmal umgesetzt werden konnten.

      Hinzu trat ein Schock, der Oberhausen 2002 unvermutet und hart traf, als die Deutsche Babcock AG, der letzte Konzern der Stadt mit zuletzt 22.000 Mitarbeitern, davon 3.000 in Oberhausen, im Juli Insolvenz anmeldete. Nach äußerst riskanten und letztlich unverantwortlichen Finanzierungsgeschäften innerhalb des Unternehmens zwischen der Mutter und der Kieler Werft HDW hatte der Vorstandsvorsitzende Klaus Lederer einen Schwenk der Unternehmensstrategie vollzogen und die 50-prozentige Babcock-Beteiligung an der HDW im März 2002 veräußert. Dadurch geriet jedoch die labile Finanzierungsarchitektur zwischen der ertragsstarken Tochter und ihrer schwächeren Mutter in eine schließlich verhängnisvolle Schieflage. Dem Einsatz von Insolvenzverwalter Helmut Schmitz, Übergangsvorstand Horst Piepenburg, Betriebsratsvorsitzendem Heinz Westfeld und Politikern von Michael Groschek sowie Burkhard Drescher vor Ort über NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement bis zu Bundeskanzler Gerhard Schröder war zu verdanken, dass gut die Hälfte der Oberhausener Arbeitsplätze erhalten wurde. Die meisten davon sind fortan bei den Anlagenbauern und Full-Service-Kraftwerks-Wartungsunternehmen Babcock-Borsig und Babcock Hitachi tätig.36 2007 wechselte zwar ein Teil der Babcock-Hitachi AG mit etwa 180 Mitarbeitern nach Duisburg, doch 2011 fiel die Entscheidung für die regionale Konzentration der Energie-Aktivitäten der Bilfinger & Berger Power Service, zuvor Babcock Borsig, in der neuen Europa-Zentrale mit fortan 500 Mitarbeitern am Standort Neue Mitte Oberhausen.

      Oberhausen startete mit großen Zielen in das neue Jahrtausend. Stellvertretend und herausragend stehen dafür das ambitionierte städtische Wirtschafts- und Stadtentwicklungsprojekt des O.VISION Zukunftsparks, und weiter das kleinere, ebenfalls städtisch geprägte Projekt der Marina Oberhausen. Im Spannungsbogen beider Entwicklungen wird überaus deutlich, an welche Grenzen der Oberhausener Strukturwandel stieß, welche davon mit lokalen Mitteln zu überwinden waren, gegen welch andere jedoch kein Kraut gewachsen war.

      Im Dezember 1997 wurde im Elektrostahlwerk der Thyssen Stahl AG an der Osterfelder Straße der letzte Stahl geschmolzen. Dadurch eröffnete sich der Stadt die Möglichkeit zur Überplanung einer 63 Hektar großen Industriebrache in hervorragender städtebaulicher Lage, unmittelbar neben dem CentrO im Osten der Neuen Mitte Oberhausen. Rat und Verwaltungsführung der Stadt ergriffen die Initiative zur Projektentwicklung. Aus Gründen des Planungsrechtes wie aus regionalpolitischer Überzeugung strebte man keine Ergänzung der Neuen Mitte durch weiteren Einzelhandel in größerem Umfang an, sondern Nutzungen in der Freizeitwirtschaft und in Zukunftstechnologien. Anders als im Fall der CentrO-Ansiedlung, so herrschte Einvernehmen, würde man für ein solches Ziel keinen zentralen privaten Partner gewinnen können. Also wurde die Stadt in neuer Dimension als Gestalter und Motor des Wandels tätig: Die PBO als Tochter von Stadt, EVO und Stadtsparkasse erwarben für zehn Millionen DM 1999 das Gelände. Die PBO führte den Abriss zahlreicher Werkshallen, sprich die Baureifmachung, und die Erschließung mit Hilfe einer Landesförderung von 1999 bis 2002 durch. Stadt und PBO bildeten zeitgleich ein Projektteam, entwickelten das Nutzungskonzept für den O.VISION Zukunftspark und beantragten dafür eine Infrastrukturförderung bei der EU und dem Land NRW. Was war der O.VISION Zukunftspark im Modell?

      Bis zum Jahr 2000 wurde in enger Partnerschaft mit dem Oberhausener Fraunhofer Institut Umsicht, getragen von Institutsleiter Prof. Weinspach und Oberbürgermeister Drescher, die Idee eines Technologieparks als Schaufenster der Fraunhofer Gesellschaft verfolgt. Das wiesen jedoch das NRW-Wirtschaftsministerium und seine Gutachter zur Beurteilung der angestrebten „regionalökonomischen“ Effekte als nicht förderbar, weil zu unspeziell zurück. Das Land verfolgte ein striktes Konzept der „Clusterförderung“, so dass ein zukunftsfähiger Branchenzusammenhang mit guten Chancen am Ort gefunden werden musste. Diesen arbeiteten Stadt und PBO mit dem O.VISION Zukunftspark als Marktplatz für die Güter und Dienstleistungen der Gesundheitswirtschaft heraus. O.VISION sollte eine zentrale Adresse für das Ruhrgebiet und ganz NRW werden. Die Lage in der Neuen Mitte mit 23 Millionen Besuchen jährlich, ausgeführt von rund sechs Millionen verschiedenen Menschen, versprach die Aussicht auf eine erfolgreiche Ergänzung des CentrO durch einen dynamischen Zukunftsmarkt. Den Kern des O.VISION Zukunftsparks bildete der „Gläserne Mensch“, ein Erlebnismuseum zu Menschenwissenschaften und Medizin, das Ausstellungs- und Kongresszentrum im vormaligen Elektrostahlwerk einschließlich der für das Gelände zentralen Straßenbahnhaltestelle, und dazwischen auf über fünfhundert Meter Länge zwei attraktive Promenaden am Wasser für privatwirtschaftliche Ansiedlungen. Warum scheiterte aber der O.VISION Zukunftspark?

       Geschichte der Babcock Borsig Steinmüller GmbH (ehem. Babcock Borsig) ab 1945

      ▶ 1898: Die Deutsche-Babcock & Wilcox-Dampfkessel-Werke AG wird gegründet und eine Fabrik in Oberhausen auf dem Gelände der vormaligen Dampfkesselfabrik Schäfer errichtet.

      ▶ 1948: Der Sitz der Gesellschaft mit mittlerweile über 3.000 Mitarbeitern wird von Berlin nach Oberhausen übertragen.

      ▶ 1950er Jahre: Der Umsatz steigt von 80 auf 236 Millionen DM, die Dividende von 7 auf 14 Prozent.

      ▶ 1960er und 1970er Jahre: Das Geschäftsfelder erweitert sich kontinuierlich durch Neuakquisitionen z. B. im Nuklearbereich.

      ▶ 1973 : 75-jähriges Firmenjubiläum. Die Gruppe umfasst die Bereiche Kesselbau, verfahrenstechnische Maschinen und Brenner, Industrie-Anlagenbau, Umwelttechnik, Trocknungstechnik, Lüftungs-und Klimatechnik, allgemeinen Maschinenbau, Rohrleitungsbau, Stahl- und Behälterbau, Hoch-und Industriebau sowie weitere Arten von Dienstleistungen und Handel.

      ▶ 1987: Gründung von fünf operativen Einheiten des Konzerns unter Leitung der Muttergesellschaft Deutsche Babcock AG.

      ▶ 1997: Vereinfachung und Neuausrichtung der Konzernstruktur. Die Konzerngesellschaften werden gemäß ihrer Befugnisse und Produktlinien in sieben operative Geschäftsfelder neu geordnet.

       Abb. 24: Werksanlagen der Deutsche Babcock und Wilcox-Dampfkesselwerke AG, um 1905

       Abb. 25: Ansicht (Animation) der neuen Unterneh- menszentrale

      ▶ 1998: Aufteilung des Konzerns in sieben Geschäftsfelder: Antriebstechnik, Kraftwerkstechnik, Maschinenbau, Gebäudetechnik, Energie- und Prozeßtechnik, Industrieservice; Kauf der L & C Steinmüller GmbH in Gummersbach.

      ▶ 1999: Umfirmierung in Babcock Borsig Aktiengesellschaft (2001 in AG).

      ▶ 2002: Insolvenz von 60 der 300 Unternehmen der Babcock-Borsig AG. Fortbestand der Geschäftsbereiche mit Bezug zur Kraftwerkstechnik: Kraftwerksneubau/​Energietechnik (Übernahme durch japanischen Hitachi Konzern im Februar 2003), Umwelttechnik (Übernahme durch italienische Fisia Italimpianti).