Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

Читать онлайн.
Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



Скачать книгу

restlichen Gebäude an der Uhlandstraße sowie der Vermarktung dieser Grundstücke war ein nachhaltiger Eingriff in die Struktur des Stadtteils. Welche Auswirkungen hatten diese Maßnahmen auf den Stadtteil und die Sozialpolitik in Oberhausen?

      Zunächst mal per Augenschein hat sich aus einem ehemaligen Schmuddelgebiet eine schicke Wohnsiedlung entwickelt. Das war für das Selbstwertgefühl der Menschen ganz, ganz wichtig. Man muss allerdings sagen, die im Knappen- und Brücktorviertel groß gewordenen Menschen sind weitestgehend im Viertel geblieben. Ähnlich wie dies auch zutrifft auf die Alstadener, die Liricher oder die Osterfelder, um nur wenige Beispiele für Oberhausener Stadtviertel mit festen Strukturen zu nennen. Viele Oberhausenerinnen und Oberhausener sind so stark in ihrem Viertel verwurzelt, dass sie aus ihrem Umfeld nicht weg ziehen. Gerade deshalb bemühen wir uns verstärkt am Angebote von Dienstleistungen, die es Senioren erleichtern, in ihren Wohnungen zu verbleiben, anstatt frühzeitig in Seniorenwohneinrichtungen zu ziehen.

      Das Image des Uhlandviertels im engeren Sinne hat sich total gewandelt mit dem Abriss der ehemaligen Obdachlosenwohnungen. Den ehemaligen sozialen Brennpunkt Uhlandstraße und Strickersweg gibt es nicht mehr.

       Hatte diese Maßnahme auch Auswirkungen auf die Sozialpolitik der Stadt?

      Ja, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als in den 1960er Jahren die Wohnungen umgebaut wurden zu größeren Einheiten. Damals wurde über einer Haustür ein Schild angebracht, das sinngemäß lautete: Hier baut die Stadt familiengerechte Wohnungen. Da hat sich also durchaus ein Wandel von der reinen Unterbringung ergeben hin zu Wohnungen, von der Wohnungsgröße und der Ausstattung her, die sich stetig dem normalen Wohnungsbau angeglichen haben.

       Mit der Umwandlung des Bunkers Alte Heid in ein Bürgerzentrum von 1998 bis 2001 wurde eine Einrichtung geschaffen, die heute mehr ist als ein Ort der Begegnung für die Bewohnerinnen und Bewohner des Knappenviertels. S. hat das Bunkermuseum heute seinen festen Platz im Veranstaltungskalender der Stadt. Das Image und die Lebensqualität im Knappenviertel haben sich durch vielfältige Maßnahmen und Aktionen deutlich verbessert. Welche Erkenntnisse können Sie für ein integriertes Stadtentwicklungskonzept aus dem Stadtteilprojekt Knappenviertel gewinnen?

      Ganz eindeutig, dass man Veränderungen nur mit den Bürgerinnen und Bürgern machen kann und nur so etwas erreichen kann. Die breite Bürgerbeteiligung ist wesentliche Voraussetzung für sinnvolle Umsetzungen. Und dann müssen natürlich auch entsprechende Ressourcen vorhanden sein, die sich nicht nur auf Finanzmittel beziehen, sondern auch auf Ideen, die nicht nur im Rathaus entstehen, sondern konkret vor Ort.

      Das Bürgerzentrum im ehemaligen Bunker an der Alten Heid ist das Aushängeschild, das Highlight der Umgestaltung des Knappenviertels. Nach wie vor ein Vorzeigeprojekt für auswärtige Besucher. Jetzt war ja der Oberbürgermeister von Saporishja da, der hoch interessiert war, sich den Bunker anzusehen.

      Ausgangspunkt für die Umgestaltung des Bunkers war der Schützenverein im Oberhausener Osten, der mit der Schließung der Gaststätte Töpp keine Möglichkeit mehr hatte, den Schießsport auszuüben. Die Schützen haben dem Beispiel anderer Städte folgend vorgeschlagen, den Bunker entsprechend umzubauen. Und das war der Anstoß für die diversen Nutzungen, die sich dann ergeben haben. Ein weiterer Höhepunkt ist die große Veranstaltungshalle, ist das Bistro, das sehr gute Essensangebote für die Bevölkerung anbietet, sind die auf dem Bunker befindlichen Räume des Jugend- und Sozialbereichs der Stadtverwaltung. Auch der Second-Hand-Shop „Stöber“ von Flickwerk erfreut sich sehr großer Beliebtheit. Dann kommen noch die vielen Kurse hinzu, die hier stattfinden mit sehr unterschiedlichen Angeboten, die ja abgestimmt sind auf das, was die Bürger insbesondere auch im Knappenviertel nachfragen. Da kann man nur sagen, das Bürgerzentrum Alte Heid ist eine Einrichtung, die ihresgleichen sucht. Einmal wegen der Breite des Angebotes, aber auch wegen der architektonischen Umgestaltung, die soweit ich weiß beispiellos geblieben ist.

      Noch eine Zwischenfrage. Wer in der Weihnachtszeit 2011 in die Tageszeitung schaute, musste mit einiger Verwunderung feststellen, zumindestens für diejenigen vielleicht, die nicht im Knappenviertel selber wohnen, dass für das Knappenviertel unwahrscheinlich geworben wurde. Ist das auf ein neues Selbstbewusstsein zurückzuführen oder ist es tatsächlich der Wunsch, nach außen hin präsenter zu werden?

      Ich würde beides anführen. Also zunächst einmal ist sehr viel Aktivität angestoßen worden und wird aktuell weiter angestoßen von „K.In. O“, der Knappeninitiative Oberhausen, die ganz zu Beginn sehr deutlich betont hat, dass sie nicht nur ein Zusammenschluss der Gewerbetreibenden sein will, sondern die insbesondere die Jugendlichen im Knappenviertel im Visier hat. „K.In. O“ bemüht sich sehr, dass die ortsansässigen Unternehmen den Jugendlichen Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Das ist eine der für meine Begriffe sehr bemerkenswerten Aufgaben, die ansonsten von Interessengemeinschaften nicht übernommen werden. Und auch sonst tragen die in „K.In. O“ zusammen geschlossenen Unternehmen sehr viel zum gesellschaftlichen Leben, zum Zusammenhalt innerhalb des Knappenviertels bei, durch die jährlich stattfindenden Stadtteilfeste, durch Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem 1. Mai, aber auch durch diverse Veranstaltungen im Bürgerbegegnungszentrum. Inzwischen ist die Zahl von 40 Mitgliedern bei „K.In. O“ weit überschritten worden und der Zulauf ist ungebremst. Das hat nicht nur mit besseren Verkaufschancen zu tun, sondern auch mit der Mitverantwortung für die Menschen im Knappenviertel.

       Aus Ihren Schilderungen geht deutlich hervor, dass das Knappenviertel eine positive Entwicklung durchlaufen hat in den letzten 20 Jahren. Gab es trotz der im Verlaufe der in letzter Zeit deutlich schlechteren Förderbedingungen für ähnlich gelagerte Projekte positive Ausstrahlungen in andere Stadtviertel der Stadt Oberhausen? Sind möglicherweise Anregungen aufgegriffen worden, die sich auch für die Stadtteilentwicklung in anderen Teilen der Stadt positiv ausgewirkt haben?

      Ganz zweifellos. Wir sind ja ausgezeichnet worden mit dem Projekt im Knappenviertel und haben einen bundesweiten Preis errungen. Ausstrahlung hatte dies auf den zweiten Stadtteil in Oberhausen mit besonderem Entwicklungsbedarf.

      Der Stadtteil Lirich hat sehr davon profitiert. Die Erfahrungen, die wir im Knappenviertel gemacht haben, sowohl positive als auch negative, konnten intern genutzt werden. Und die Entwicklung in Lirich ist durchaus mit der Entwicklung im Knappenviertel vergleichbar. Ebenso ein ehemals, zumindest von außen betrachtet, nicht sehr beliebter Wohnstandort, der sich inzwischen beachtlich gemausert hat. Auch was die Initiative der Gewerbetreibenden, aber auch ansonsten der im Stadtteil tätigen Vereinsvorsitzenden anbelangt, findet man durchaus Parallelen sehr zum Wohl der Bevölkerung.

       Über die von Ihnen benannten positiven Ausstrahlungen des Projektes Knappenviertel auf weitere Stadtteile hinaus: Hat das Projekt Impulse gegeben oder gar die praktische Arbeit beeinflusst zu einer gesamtstädtischen Planungsperspektive, wie sie in den letzten Jahren mit dem Begriff der integrierten Stadtentwicklungsplanung in der Fachdiskussion immer wichtiger geworden ist?

      Das Projekt Knappenviertel ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie Erneuerungsprozesse im Stadtteil oder auch gesamtstädtisch organisiert werden können. Im Knappenviertel ist es gelungen, alle Bereiche des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens am Veränderungsprozess zu beteiligen. Hier wurde keine Politik „von Oben“ gemacht, sondern sehr konkret mit den Betroffenen vor Ort die Situation analysiert und die Interessen Aller beim Veränderungsprozess berücksichtigt. Vereine, Gewerbetreibende, Handel, soziale Organisationen – alle haben mit dem Willen und dem Ziel, die Situation für alle zu verbessern, mitgewirkt. Diese Vorgehensweise hat in der Folge die gesamtstädtische Planungsperspektive positiv beeinflusst. Der Prozess im Knappenviertel hat gezeigt, dass und wie eine integrierte Stadtentwicklungspolitik funktionieren kann. Sie verbessert die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger.

       Oberhausen steht im Jahr 2012 vor der großen Herausforderun die Finanzen der Stadt für die kommenden Jahre neu zu ordnen. Sie erläuterten die Vorzüge einer integrierten Arbeitsweise in Planungsaufgaben als ein Querschnittsthema. Hat dieses Vorgehen auch Bedeutung für die Erreichung der Sparziele Oberhausens und für die weitere Steigerung von Effizienz im Verwaltungshandeln?

      Eine