Harrys geträumtes Leben. Hans H. Lösekann

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Название Harrys geträumtes Leben
Автор произведения Hans H. Lösekann
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783957442116



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am Mittelmeer, das genau dem von Juan entsprechen könnte.

      „Ja, aber Harry, wo ist denn das Problem? Ruf den Mann doch an. Wenn er Interesse hat, soll er kommen und sich das ansehen.“

      Harry erklärte sein Problem. Bei dem Gespräch bei der Geburtstagsfeier waren auch Preise genannt worden. Wenn Herr Biela, Peters Vater, das Grundstück gefiele, würde er ein Vielfaches mehr bezahlen können und auch wollen als Juans Wunschpreis. „Wenn das klappt, könnte ich eine Menge Geld mit dem Geschäft verdienen. Aber kann ich das moralisch verantworten?“

      „Harry, komm an auf der Erde. Komm an in der Wirklichkeit. Wenn Juan seinen Wunschpreis und dein deutscher Bekannter sein Traumgrundstück erhält, dann sind doch alle froh und glücklich. Selbst wenn für dich dabei eine Menge Geld abfällt, dann hast du es dir verdient, weil du die Möglichkeit erkannt hast und die beiden zusammenführst. Ruf in Deutschland an. Hier ist das Telefon.“

      Herr Biela war nicht nur interessiert, er war begeistert. Noch am gleichen Abend rief er zurück und kündigte sein Kommen zwei Tage später per Flugzeug an. Señor Jerez und Harry überlegten sich die praktische Durchführung des Handels. Herr Biela würde nicht mit Juan verhandeln, sondern mit einem befreundeten Notar. Dieser würde, wenn es denn dazu kam, auch die amtliche Beurkundung übernehmen. In der Verkaufsurkunde würde der Preis genannt werden, den Juan tatsächlich erhielt. Herrn Biela gegenüber würden für diesen stark minimierten Preis steuerliche Gründe genannt. In einem vertraulichen Zusatzvertrag würde der tatsächliche Verkaufspreis genannt, den der Käufer auf ein Notaranderkonto zu zahlen hätte. Harry informierte Juan, dass der potentielle Käufer mit einem Notar verhandeln wolle, um inkognito zu bleiben.

      Bei dem Besichtigungstermin mit Harry, dem Notar und Herrn Biela zeigte sich dieser begeistert. Genau so hatte er sich sein Traumgrundstück vorgestellt. Bald war der Kaufpreis von 21 D-Mark pro Quadratmeter vereinbart. Die Beurkundung erfolgte am nächsten Tag. Der Käufer veranlasste telefonisch eine sofortige Überweisung auf das Konto des Notars. Die Rechnung für die Nebenkosten erhielt er separat. Harry hatte seine Rückreise bei der Busfirma um eine Woche verschoben. So konnte er in Ruhe den Eingang des Geldes abwarten.

      Juan erhielt einen Scheck über 18.000 Pesetas. Das war doppelt so viel, wie er sich erträumt hatte. Gerührt fiel er Harry um den Hals und bedankte sich immer wieder dafür, dass Harry sich so eingesetzt hatte. Der konnte vor schlechtem Gewissen nicht so recht geradeaus gucken. Als er dann aber den Bankkontoauszug über umgerechnet 66.000 D-Mark zu seinen Gunsten in Händen hielt, schwebte er auf Wolke sieben. Lachend lagen sich Señor Jerez und Harry in den Armen. „Das Geld reicht für deinen Lebensunterhalt während deines gesamten Jurastudiums.“ Sie vereinbarten, das Geld gut verzinst auf einer spanischen Bank anzulegen.

      Viel zu schnell vergingen die restlichen Tage in Gandia. Señor Jerez verabschiedete sich am Bahnhof von Harry. Die Bahn würde Benicasim schnell erreichen und von dort ging es per Bus zurück nach Bremen.

      „Du wirst bald einen Termin für die Aufnahmegespräche, die Untersuchungen und die Tests zur Legion vorliegen haben, wenn du wieder zu Hause bist. Aber mach dir keine Sorgen. Für einen Protegé-Praktikanten ist das fast nur Formsache. Wichtig ist, dass du dich amtlich in Deutschland abmeldest, damit du wegen eurer Bundeswehr keine Schwierigkeiten bekommst. Für euer Amt hast du ja die schriftliche Bestätigung von mir, dass dein neuer Wohnsitz meine Adresse hier in Gandia ist. Ich bin sicher, dass du in den neun Monaten Fremdenlegion viel erleben und viel mitnehmen wirst. Für das nächste Jahr besorge ich dir ein Stipendium für dein Jurastudium. Ich hoffe, dass das in Valencia klappt. Das ist nicht so weit und wir könnten uns hin und wieder sehen. Und nun, mein junger Freund, viel Glück, carpe diem, ergreife den Tag und schöpfe dein Leben aus.“

      Harry hatte viel Zeit auf der Rückreise im Bus, der ohne Zwischenübernachtung etwa zwanzig Stunden bis Bremen benötigen würde. Was waren das für Wochen gewesen. Sein Leben hatte tagelang auf der Kippe gestanden. Er hatte wegweisende mysteriöse Träume erlebt und sehr reale, nicht weniger wegweisende ärztliche Anweisungen erhalten. Sein väterlicher Freund in Gandia hatte ihm traumhafte Möglichkeiten aufgezeigt und mit seinen Beziehungen dafür gesorgt, dass sie wahr werden könnten. Er hatte ein kleines Vermögen verdient. Ihm wurde erst jetzt klar, wie viel Geld das war. Seine Lehrfirma hatte ihm als Anfangsgehalt als kaufmännischer Angestellter 600 D-Mark brutto monatlich angeboten. Das war für das Jahr 1961 ein gutes Angebot. Auf diesem Niveau hätte er über zehn Jahre arbeiten müssen, Gehaltserhöhungen berücksichtigt, um auf netto 66.000 D-Mark zu kommen. So viel Geld würde er mit Sicherheit während seines ganzen Studiums nicht verbrauchen.

      Er konnte während der Busfahrt nicht wirklich schlafen und war entsprechend groggy, als er endlich das Elternhaus erreichte. Sein Vater war noch auf der Arbeit und die Schwestern waren ebenfalls abwesend. Die Mutter empfing ihn mit den Worten: „Wie schön, dass du wieder da bist, mein Junge. Hast du einen schönen Urlaub in deinem so geliebten Gandia verbracht?“

      In Harry kämpften widerstrebende Emotionen. Da war vordergründig ein schlechtes Gewissen, der Mutter sagen zu müssen, dass er in Kürze wieder für lange Zeit von zu Hause fortgehen würde. Aber die Freude und der Stolz über die fantastischen Möglichkeiten überwogen eindeutig.

      Liebevoll umfasste er die Mutter. „Mutti, du kannst es dir nicht vorstellen. Mein Leben wird sich völlig ändern. Es haben sich unglaubliche Dinge ereignet und Möglichkeiten aufgetan. Stell dir vor …“ Und dann erzählte er alles wahrheitsgemäß, unglaublich stolz auf die Möglichkeit, Jura zu studieren, und tat die neun Monate Fremdenlegion als kleines abenteuerliches Zwischenspiel ab. So sah er das auch wirklich. Er erzählte auch von der Grundstücksvermittlung an Herrn Biela und dass er gut daran verdient hatte. Die tatsächliche, die horrend hohe Summe aber verschwieg er. Er wusste, dass seine Mutter das als einfach unmoralisch gegeißelt hätte.

      „Das Geld muss wegen der Devisenbestimmungen in Spanien festgelegt werden, aber es wird mir helfen, meinen Lebensunterhalt während des Studiums zu bestreiten.“

      Dass er das Geld nicht einfach nach Deutschland transferieren konnte, schon gar nicht solch eine hohe Summe, war durchaus richtig. 1961 galt Spanien zu Recht als faschistischer Staat und es gab nach und von Spanien ganz enge und kleinliche Devisenbeschränkungen.

      Die Mutter konnte die Neuigkeiten kaum fassen. „Ach Gott, Junge, jetzt gehst du schon wieder aus dem Haus. Und dann die Fremdenlegion, da hört man so viel Schlimmes.“

      Harry beruhigte seine Mutter, versuchte die Funktion des Protegé-Praktikanten als völlig harmlos hinzustellen, wies auf die kurze Zeit hin und trumpfte vor allem mit der Möglichkeit des Jurastudiums.

      „Hier in Deutschland hätte ich die Möglichkeit ohne Abitur absolut nicht. Nur in Spanien sind die Beziehungen und Möglichkeiten, die mir mein Bekannter aus Gandia bietet, von Nutzen für mich. Wenn ich das Studium beendet habe und Rechtsanwalt bin, kann ich damit natürlich auch in Deutschland arbeiten.“

      Harrys Mutter war selten um Worte verlegen. In ihrem Mienenspiel spiegelten sich Ängstlichkeit und Skepsis, aber vor allem auch Stolz. „Oh Gott, oh Gott, Junge, mein Sohn ein Rechtsanwalt. Ich kann es nicht glauben.“

       Die Fremdenlegion

      „Merde, was hat man uns denn da geschickt? Seid ihr Männer oder Karikaturen? Wollt ihr Soldaten werden oder seid ihr nur Abschaum?“ Abwechselnd wurden in verschiedenen Sprachen, Französisch, Spanisch, Deutsch, Polnisch oder Ungarisch, kurze, kernige Schimpfkanonaden auf die Kolonne abgeschossen. Es waren etwa 300 junge Männer, die den Truppentransporter im Hafen von Algier verlassen hatten und auf offenen LKWs in rascher Fahrt in die Kaserne von Sidi bel Abbes gekarrt worden waren. Harry fühlte sich müde, schlapp und ausgedörrt von dem Transport auf dem engen, heißen Truppentransporter, den Strapazen der Einschiffung in Marseille und der Ausschiffung in Algier. Alle Knochen und alle Muskeln schmerzten nach zwölf Wochen schonungsloser, brutaler Schleiferei in der Grundausbildung in Aubagne, Südfrankreich.

      Schon wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Gandia hatte er zu Hause einen Brief vom BSLE, dem Bureau des statistiques de la Légion étrangère, erhalten. Er war