LENA HALBERG - NEW YORK '01. Ernest Nyborg

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Название LENA HALBERG - NEW YORK '01
Автор произведения Ernest Nyborg
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783868411294



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und die gewaltige Bestechlichkeit von Verwaltung und Militär auf Kosten einer immer weiter verarmenden Bevölkerung.

      Aus der Ferne beobachtete Bronsteen die Vorgänge seit dem Zeitpunkt, an dem der blutige Putsch, der achthunderttausend Menschen in die Flucht trieb, seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Er erkannte die ungeahnten Möglichkeiten, die sich hier für einen Rüstungsbetrieb boten, denn zwei Dinge hatten alle rivalisierenden Gruppen gemeinsam: Sie brauchten Unmengen von Waffen und saßen auf bedeutenden Uranlagerstätten, dem begehrten Rohstoff der Nuklearindustrie. Diese Kombination war ideal für ein vielversprechendes Tauschgeschäft.

      Die möglichen Partner dafür zu finden war in einem derart korrupten Land eine leichte Übung. Die Schwierigkeit war, unbemerkt im Land agieren zu können, um an die entscheidenden Leute heranzukommen, ohne dass die internationalen Behörden Verdacht schöpften.

      Ein erster Schritt in die passende Richtung ergab sich, als die Vereinten Nationen zur Sicherung des erreichten Waffenstillstands in der heiklen Region die Stationierung von UN-Blauhelmen durchsetzten.

      Der entscheidende Durchbruch kam dann mit der Meldung, dass in diesem Zusammenhang mehrere Rebellengruppen, darunter acht der führenden Clans, die Freilassung tausender Kindersoldaten zugesagt hätten. Diese mit Gewalt rekrutierten Kinder – eingesetzt als Kämpfer, Spione und Sexsklaven – fand man überall in Afrika und die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik litten darunter besonders. Im Weiteren hieß es in dem Artikel, dass es noch keinen konkreten Fahrplan für die Wiedereingliederung der Kinder und für deren Umerziehung gäbe, da an allen Ecken die Mittel dafür fehlten.

      Das war der Angelhaken für Bronsteen – Geld. Die nächsten Aktionen waren die Bereitstellung eines Sonderbudgets für humanitäre Hilfe aus seiner privaten Stiftung und ein Anruf bei einem langjährigen Parteifreund, einem Kommissär im Sozialrat der Vereinten Nationen, zuständig für das Kinderhilfswerk.

      Es fehlte nur noch der gelungene Abschluss seiner Bemühungen die Tür in dieses Land aufzustoßen, um die Dinge ins Laufen zu bringen. Das war diese große Pressekonferenz vor der versammelten Führungselite des Landes, die meisten davon gierig auf seine Kontakte und die Chance auf fette Provisionen für die eigene Tasche. Und der Auftritt war makellos für Bronsteens Image: Förderer eines UNICEF-Projekts für Kindersoldaten. Ein perfekter Deckmantel, unter dem man mit den wichtigen Drahtziehern des Landes auch alle anderen Dinge erledigen konnte.

      Gemessenen Schritts und mit einem knappen Kopfnicken in Richtung der Wartenden ging Bronsteen zum Rednerpult. Fünfzehn Minuten hatte er sie in der prallen Sonne sitzen lassen. Nun war er der einzige mit guter Laune und ohne dunkle Schweißflecke am Sakko.

      Seine langjährige Vertraute Sarah, die Leiterin der Forschungsabteilung des Rüstungskonzerns, saß in der ersten Reihe. Die schlanke, weltgewandte Rotblonde war Bronsteens Protegé, seit er sie nach ihrer Promotion direkt von Yale in den Konzern geholt hatte. Durch rücksichtslosen Einsatz ihrer Intelligenz und ihrer Attraktivität stieg sie binnen kurzem zu seiner engen Vertrauten auf, die in die Winkelzüge eingeweiht war. Sie zog dezent den Applaus an und alle Besucher fielen ein.

      »Meine Herrschaften! Liebe Freunde, danke!«, sagte Bronsteen noch während er zum Podium hochstieg und hob die Hand als Dank für den Beifall. »Ich bin nicht hier, um mich feiern zu lassen, sondern stehe in aller Demut vor den Problemen, um einen kleinen Beitrag zu leisten, die Situation für die Jugend dieses Landes zu verbessern. Ich tue das in enger Abstimmung mit dem Kinderhilfswerk UNICEF und danke den Vereinten Nationen, mir die Möglichkeit zu geben, hier helfend mitzuwirken. Meine Stiftung stellt sich ab heute ohne Einschränkung in den Dienst der Sache. Wir haben daher fünf Millionen US-Dollar als Ersthilfe für ihr Land bereitgestellt, um die Wiedereingliederung der Kinder in Gang zu bringen. Es wird gewiss nicht einfach, aber wir haben die Zuversicht auf unserer Seite!«

      Allgemeiner Beifall – diesmal spontan. Bronsteens mitreißende Art zu sprechen und die genannte Summe wirkten auf die Gesellschaft auch ohne Unterstützung.

      Sarah gefiel fast alles an diesem smarten Einzelgänger mit den perfekten Umgangsformen, vor allem aber bewunderte sie seinen Mut und seinen Weitblick in geschäftlichen Dingen. Auch der heutige Tag war wieder ein Beweis dafür, wie zielsicher und mit welch perfektem Timing er Menschen manipulierte.

      Fünf Millionen für Kinder, dachte sie, und dafür Schürfrechte für Uran und Aufträge für Waffenlieferungen an die Herrn in den Uniformen im Publikum. Aber so war Bronsteen, mit einer Hand gab er den Leuten etwas und mit der anderen nahm er ihnen ein Vielfaches davon wieder ab. Eine Eigenschaft, die ihn reich und zu einem der weltweit bedeutendsten Rüstungsproduzenten gemacht hatte.

      »Ich stehe hier«, fuhr Bronsteen wie immer ohne Notizen sprechend fort, »als einer der weiß, was Krieg bedeutet, der weiß, was Angst bedeutet, der weiß, was es bedeutet, sich im eigenen Land bedroht zu fühlen. Und ich bin mir meiner Verantwortung für diese Welt sehr wohl bewusst. Denn unser Konzern versteht sich nun schon in der dritten Generation als Beitrag zur Sicherheit, um sich im Falle eines Angriffs verteidigen zu können, und leistet damit seinen Teil für den Erhalt des Friedens, den wir uns alle so sehr wünschen.«

      Er lehnte sich vor aufs Pult und senkte seine Stimme. »Nun werden Sie auch verstehen, warum mich gerade die Situation dieser Kinder so betroffen macht. Sie sind die Ärmsten in diesem wunderbaren Land – ahnungslos, getäuscht und schamlos für fremde Zwecke missbraucht. Aber, meine verehrten Freunde, sind unsere Kinder nicht das, worauf wir unsere Zukunft bauen und unser eigentlicher Reichtum? Verdienen sie nicht, dass wir alles tun, damit sie ein geordnetes Leben in Freiheit haben?«

      Es war still geworden. Einige Frauen der Politiker zerdrückten eine Träne – zumindest taten sie so.

      »Das Leben dieser Kinder wird sich zum Besseren ändern, denn wir werden in ihre Zukunft investieren«, kam Bronsteen nun zur Botschaft für die versammelte Presse, damit sie morgen darüber auch in seinem Sinne berichten würden. »In wenigen Tagen reist die erste Gruppe nach Frankreich, wo die gleiche Sprache eine Integration erleichtert, in ein eigens dafür errichtetes Camp. Hier, betreut von den weltweit besten Pädagogen, wo sie ein neues Selbstverständnis erlernen und menschliche Wärme spüren dürfen. Ich mache das nicht als humanitäre Marotte, sondern weil wir alle, wir Erwachsenen, die wir nicht in Frieden miteinander auskommen können, das Leben dieser Kinder in eine Hölle verwandelt haben. Und es ist unsere verdammte – verzeihen Sie mir das emotionale Wort – unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, diesen jungen Menschen ihr Leben zurückzugeben. Wir lassen sie in dieser schweren Zeit nicht alleine!«

      Die Besucher erhoben sich von den Sitzen und applaudierten – die Militärs, um zu zeigen, dass auch sie gegen Kinder als Soldaten waren, die Politiker, weil die Presse anwesend war und die Journalisten, weil sie eine tolle Headline für die morgige Ausgabe hatte.

      Sogar General Ndogar, der neben Sarah saß und der Rede mit steinernem Gesicht gefolgt war, stand auf und nickte beifällig.

      Sarah war begeistert, wie jedes Mal wenn sie Bronsteen reden hörte. Niemand sonst konnte Dinge auf eine derart überzeugende Art sagen. Sie ging rasch voraus in den gemieteten Sitzungssaal des Hotels, um nochmals zu kontrollieren, ob alles für das folgende Gespräch mit Ndogar vorbereitet war. Sie hoffte, dass auch Ducca rechtzeitig zur Sitzung eintreffen würde, die nach dem kurzen Presse-Cocktail auf der Terrasse stattfand. Zum Unterschied von anderen Geschäftsleuten liebte Bronsteen Gespräche mit Journalisten. Er spielte eloquent mit ihnen und nutzte die Möglichkeit Informationen in die richtigen Kanäle zu verteilen.

      Die Maschine aus Rom landete planmäßig in Bangui am M’Poko International Airport. Cesare Ducca sah auf die Uhr – es war kurz nach halb drei, Bronsteen würde gerade seine Rede halten. Als er ins Freie trat, legte sich die Hitze wie ein feuchtwarmes Tuch über alles. Sie nahm den Passagieren aus dem klimatisierten Airbus A321 beinahe die Luft zum Atmen.

      Ducca ging direkt in die Halle, er hatte für die zwei Tage Aufenthalt nur Handgepäck, und schaute suchend in die Runde. Hinten, in der letzten Reihe der Wartenden, entdeckte er einen jungen baumlangen Schwarzen in einer grauen Hoteluniform, der ein Schild mit der Aufschrift Dussa hochhielt. Damit war wohl er gemeint.

      Am Parkplatz deutete der Hotelboy