LENA HALBERG - NEW YORK '01. Ernest Nyborg

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Название LENA HALBERG - NEW YORK '01
Автор произведения Ernest Nyborg
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783868411294



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Sein Fahrer hob beide Arme mit einer hilflosen Geste und entschuldigte sich mehrmals. Wegen der vielen hohen Gäste bei der Pressekonferenz waren weder Limousinen noch Fahrer frei gewesen, so wurde er, der Rezeptionist des Hotels, mit seinem Privatauto geschickt, um den Bankier abzuholen. Er sagte das nicht gerade freundlich, wahrscheinlich war sein Dienst lange zu Ende und die Abholung störte die Pläne für den weiteren Tag.

      Das Hotel lag nur sechs Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, trotzdem wurde die Fahrt im dichten Verkehr auf den heißen Kunstledersitzen des alten 504er zur Qual. Wegen des schwülen Klimas kurbelten sie alle Fenster hinunter, um durch den Fahrtwind etwas Abkühlung zu schaffen. Das zog aber auch den Gestank der unzähligen Mopeds ins Innere, die sich, bläulich qualmenden Rauch verbreitend, von allen Seiten an der Autokolonne vorbeiquetschten. Überhaupt schien hier jegliche Verkehrsregelung außer Kraft genommen und von einem anhaltenden Hupkonzert ersetzt zu sein.

      Ducca schnaufte, riss sich die Krawatte herunter und öffnete sein Hemd. In Rom war es am Morgen sehr kühl gewesen, so trug er zum Sakko ein Hemd mit langen Ärmeln und darunter noch ein Rippshirt. Er war zum ersten Mal in Zentralafrika und er hasste es bereits. Er legte die Hand aus dem Fenster. Das blanke Metall außen am Fahrzeug war jedoch so heiß, dass er sich den Unterarm verbrannte.

      »Cazzo!«, zischte er zornig. »Verdammte Scheiße! Ich wäre besser zu Hause geblieben.«

      Der blasse, untersetzte Mitfünfziger mit sorgsam gepflegter, grauer Fönfrisur und den dunklen buschigen Augenbrauen, schwitzte auch bei geringer Anstrengung stark und hasste jegliche Hitze. Am wohlsten fühlte er sich in luftigen Armani-Anzügen hinter seinem Schreibtisch im klimatisierten Büro. Er war Mitbesitzer der römischen Banco Merini, eine kleine Privatbank, die er, gemeinsam mit einer Villa am Stadtrand Roms und einem Penthouse im Zentrum mit Blick auf die Engelsburg, von seinem Vater geerbt hatte. Schon Sergio, Duccas Vater, spezialisierte sich auf die exklusive Betreuung von nur wenigen betuchten Kunden aus der Industrie. Als die Bank dann nach der Übernahme durch Cesare kurzfristig in die roten Zahlen rutschte, griff ihm Bronsteen unter die Arme. Seitdem hatte die Bank einen neuen Mehrheitseigentümer und nur noch einen einzigen Kunden. Für viele Geschäfte, die Bronsteen neben dem Konzern laufen ließ, war die kleine römische Familienbank eine exzellente Lösung. Ducca störte zwar die Abhängigkeit, doch durch die heiklen Aufträge konnte er jetzt ohne Risiko am ganz großen Kuchen mitnaschen.

      Immer wieder sah er zwischendurch auf die Uhr und trieb den Fahrer an, der den quälend langsamen Verkehr scheinbar stoisch zur Kenntnis nahm.

      »Ankommen gleich«, sagte er dazu mit schwerem französischem Akzent und zuckte mit den Achseln.

      »Madonna«, zerquetschte Ducca zwischen den Zähnen, »wie lange kann man für sechs Kilometer brauchen.« Obwohl er selbst in dieser Verkehrshölle keinen Meter mit seinem Maserati fahren würde.

      Verglichen mit den edlen Megahotels in Dubai, Hongkong oder der Schweiz, gehört das Ledger Plaza sicher nicht zu den Besten der Welt, aber für die Verhältnisse in Bangui ist es einsamer Luxus. Marmorhallen, Swimmingpool und eine überdachte Auffahrt für die Anreisenden sucht man bei anderen Hotels hier vergebens. Es wirkt nur ein wenig deplatziert in einer – gemessen an den Weltmetropolen – unterentwickelten Stadt und in einem Land, das durch den jahrelangen Konflikt zum Großteil zerstört ist. Ein wenig erinnerte Ducca der weiße Kasten mit den hohen Glasfenstern im Erdgeschoss an Las Vegas. Ein Eindruck, den die vielen Limousinen von Bronsteens Gästen in der Auffahrt noch verstärkten. Der Zorn stieg in Ducca hoch – ausgerechnet er als Bankier musste mit einem alten zerbeulten Peugeot vor so einem Haus ankommen.

      Zu seiner Beruhigung nahm niemand Notiz von ihm und das große Entrée war fast leer. Gebaut als Atrium hielten hohe Steinsäulen eine halbrunde Glaskuppel, durch die Licht in die Halle flutete. Darunter standen weiße Amphoren mit bunten Blumengestecken. Ducca ging vorsichtig über den spiegelglatten Marmorboden im grau-weißen Schachbrettmuster zur Rezeption, deren Theke aus dunklem Holz fast die ganze gegenüberliegende Wand einnahm.

      Nach dem Check-in blieben noch genau zehn Minuten bis zum vereinbarten Meeting, sehr knapp für eine Dusche und frische Kleidung. Deshalb winkte er Sarah, die ihm in der Lobby entgegenkam, nur kurz zu, nahm sich aber keine Zeit für eine Begrüßung, sondern lief hinter dem Boy her zum Zimmer.

      »Cesare Ducca, mein Bankier. Sarah, meine Entwicklungschefin, kennen sie ja«, stellte Bronsteen die beiden General Ndogar vor, als sie in den Room Kotangou kamen, so der klingende Name für den kleinen Sitzungssaal, den sie für das Meeting reserviert hatten. Wie üblich standen mehrere schwere Ledersessel mit gepolsterten Armlehnen rund um den Konferenztisch. Die dunklen Wandtäfelungen und das indirekte Licht verbreitete eine gediegene Atmosphäre, nur der Teppichboden mit dem braunen Kreismuster wirkte billig.

      Der General nickte kurz, gab allerdings keinem die Hand. Er deutete auf die beiden Männer, die hinter ihm standen.

      »Minister Tounambani vom Bergbauministerium, Mérou mein persönlicher Sicherheitsberater.«

      Bronsteen deutete auf die Stühle und man setzte sich. Nur Ndogars Sicherheitschef machte zwei Schritte zurück und blieb neben der Tür stehen. Sarah wunderte sich über ihn, denn er wirkte überhaupt nicht wie die üblichen Securitys. Er war schlank und sportlich, hatte ein schmales Gesicht mit einer feinen Narbe vom linken Auge bis hinunter zum Hemdkragen und längeres, vorne leicht schütteres Haar. Vor allem aber: Mérou war weiß.

      Ndogar lehnte sich zurück und machte eine große Geste.

      »Unser Land ist voll von Rebellen, versprengten Splittergruppen und organisierten Aufständischen – eine schwer zu kontrollierende Situation. Unsere Truppe ist klein und schlecht ausgerüstet«, er sprach Englisch ohne jeden Akzent, »ein Drittel davon sind überhaupt nur Gendarmen, die wir nach Erfordernis eingliedern. Deshalb sind wir, unabhängig was Sie in humanitärer Absicht für unsere Kinder vorhaben, interessiert an Ihrem Zusatzangebot, was die Modernisierung unserer Streitkräfte betrifft.«

      Bronsteen schmunzelte kurz und nickte Ndogar zu. Besser hätte ich es auch nicht formulieren können, dachte er dabei.

      Ndogar hob sich von den anderen Militärs des Landes ab. Er wirkte gebildet und redegewandt und trug auf seiner Uniform keine bunten Orden, sondern nur die goldenen Rangabzeichen. Der junge schwarze Zweimetermann mit Glatzkopf gehörte zweifellos zur Elite des Landes und war von einem mächtigen Clan gefördert worden. Sie schickten ihn nach Paris, um ein Studium der Rechte zu absolvieren, bevor er in die Armee eintrat, wo er gleich als höherer Offizier begann. Der erkaufte Rang war nicht billig, machte sich für den Clan aber schon nach kurzer Zeit bezahlt, denn Ndogar schützte seine Leute während des Bürgerkriegs mit einer beachtlichen Privatarmee.

      Er selbst wurde bei den Kämpfen schwer verletzt und nach der Vertreibung des Rebellenregimes direkt als General der Bodentruppen eingesetzt. Nun saß er an der Quelle der Macht und laut Bronsteens Informationen war er – durch Geschäfte in der Grauzone zwischen staatlicher Erfordernis und einem ausgeprägten Verlangen nach hohen Schmiergeldern – in den letzten Jahren zu einem wohlhabenden Mann aufgestiegen.

      »Es wäre daher freundlich«, unterbrach Ndogar Bronsteens Gedanken, »wenn Sie Ihre Offerte etwas präzisieren würden.«

      »Vor allem die Finanzierungsmöglichkeiten, die sie mir angedeutet haben«, warf Tounambani ein, was ihm einen abschätzigen Blick von Ndogar eintrug. Der Politiker wich dem Blick aus und begann in seiner Aktentasche zu kramen – er stand also eindeutig eine Stufe unter dem Militär.

      »Nun, General, es wäre eine spannende Aufgabe für mein Unternehmen, Ihnen bei der Neuausstattung Ihrer Armee in waffentechnischer Hinsicht unter die Arme zu greifen«, sagte Bronsteen. »Die Details sind für Sie vorbereitet.«

      Er deutete auf Sarah, die für jeden der Anwesenden eine Mappe mit Aufstellungen und Fotografien ausgedruckt hatte und nun in der Runde verteilte. Dabei handelte es sich um Rüstungsgerät für Bodentruppen aus ehemaligen Beständen der Warschauer-Pakt-Staaten, das im südlichen Ural lagerte. Im Wesentlichen standen dort zweihundert Jagdpanzer, ein Dutzend Kampfhubschrauber mit Raketenbestückung, bewegliche Artillerie und an