LENA HALBERG - NEW YORK '01. Ernest Nyborg

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Название LENA HALBERG - NEW YORK '01
Автор произведения Ernest Nyborg
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783868411294



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Bronsteen und ging weiter durch den Flur zur Suite, »dann wüssten sie, wie human wir sie in den Staaten behandeln.«

      Es war gegen Abend, als Tounambani vor dem vereinbarten privaten Treffen mit Bronsteen in die Bar Ambassadeur des Hotels kam. Obwohl das Licht angenehm gedämpft brannte, war sie nicht besonders gemütlich. Die großen dunklen Holzsäulen, die einen indirekt beleuchteten Himmel trugen, strahlten einen protzigen Charme aus. Und auch die durchgehenden Sitzbänke an den Wänden rundum wirkten nicht sehr einladend.

      Tounambani sah sich um, dann winkte er dem Kellner und bestellte einen Whisky sauer, den er direkt ins angrenzende Billardzimmer bringen ließ, das er für das Treffen reserviert hatte. Er legte darauf Wert, bei einer Verabredung von Dingen abseits der regulären Angelegenheiten, ohne unliebsame Zuhörer zu sein. Die Vorsicht war ihm angeboren. Tounambanis Eltern stammten ursprünglich aus Zaire, dort war auch er noch geboren worden. Sein Vater, ein einfacher Lehrer, flüchtete bei Beginn der verheerenden Bürgerkriege und über mehrere Umwege landete die Familie schließlich in Bangui. Niemand hätte vermutet, dass aus dem kleinen Einwanderer einmal ein bekannter Politiker des Landes werden würde.

      Alles, wovon er geträumt hatte – eine Position mit Einfluss und den Zugang zur privilegierten Schicht – erfüllte sich mit seiner Ernennung zum Minister. Dem kleinen, unscheinbaren und nicht sehr klugen Kind gelang es als Erwachsener, nachdem er eine politische Laufbahn als passend für sich entdeckt hatte, diese Eigenschaften zu seiner Stärke zu wandeln. Er begriff, dass man rascher auf eine entscheidende Position kam, wenn andere dachten, man wäre leicht zu beeinflussen. Mit einer ungeheuren Bauernschläue und großem Opportunismus manövrierte er sich geschickt nach oben. Binnen weniger Jahre baute er mit einigen treu Ergebenen eine brauchbare Seilschaft auf, die man zu fürchten begann. Wer sich nicht im akzeptierten Kreis bewegte, wurde gnadenlos verfolgt – entweder denunziert oder gleich eliminiert.

      Bei der Vertreibung der Rebellen stärkte Tounambani gerade noch rechtzeitig die Seite Ndogars, der sich dafür revanchierte und ihn als Leiter des Ministeriums für Bergbau und Energiegewinnung vorschlug. Von den anderen wagte es niemand, dem Rat des neuen starken Mannes der Armee zu widersprechen. Ndogar erkaufte sich mit dem Schachzug ein komplettes politisches Netzwerk zur eigenen Absicherung.

      Das Ministerium war klug ausgewählt, denn Tounambani erhielt damit die Kontrolle über alle wesentlichen Rohstoffe und Bodenschätze. Mit Hilfe von Ndogars Milizen waren die beiden ein gefährliches Gespann und machten inzwischen ein kleines Vermögen mit Diamantenschieberei und undurchsichtigen Landvergaben an windige ausländische Investoren. Der Deal mit Bronsteen und die Neuordnung der Schürfrechte an den Uranvorkommen, bislang exklusiv in den Händen eines staatlichen französischen Konzerns, war die vorläufige Krönung ihrer Aktivitäten, da ein finanzieller Rücklauf in zweistelligen Millionenbeträgen zu erwarten war. Die möglichen Gewinne aus korrupten Unternehmungen erreichten ein bis dahin ungeahntes Ausmaß.

      »Guten Abend, Herr Minister«, sagte Bronsteen.

      Tounambani, der mit seinem Whiskyglas in der Hand auf einem der Marmortische an der Seitenwand lehnte, war so in Gedanken gewesen, dass er kurz zusammenzuckte.

      »Guten Abend.«

      Bronsteen nickte kurz und schob dann einen Stuhl aus hellgrauem Samt zur Seite, der ihm den Weg zur Glasvitrine mit den Billard Queues verstellte. Bronsteen war ein Liebhaber des Spiels und hatte auch einen eigenen Tisch in seiner Residenz in Baltimore. In technischer Hinsicht konnte er es locker mit Profis aufnehmen und liebte das Spiel über die Bande, eine besonders schwierige Variante des Billards. Er öffnete den Schrank, fuhr prüfend über die Schäfte und wählte dann einen Karambol Queue aus marmoriertem Ahorn mit heller Spitze und Einlagen aus Ebenholz, den er prüfend in der Hand wog.

      »So muss sich fremdgehen anfühlen, denke ich«, schmunzelte er, der selbst eine Sammlung erlesener handgefertigter Queues besaß, wovon manche mehrere tausend Dollar gekostet hatten, »aber ich bin zum Glück weder verheiratet noch anderweitig liiert.«

      »Ah, ich dachte Madame Sarah …«

      »Sie ist meine Entwicklungschefin und ich pflege keine intimen Verhältnisse mit Angestellten«, beendete Bronsteen die Fragen nach seinem Privatleben knapp.

      Er bestellte einen doppelten Espresso. Bei dienstlichen Anlässen und Gesprächen behielt er gerne einen klaren Kopf und trank nie Alkohol. Überdies lockte ihn das Spiel als Entspannung nach dem vollen Tag. Er war nach elf Stunden Flug im Privatjet erst mittags aus Baltimore gekommen und genoss die ruhige konzentrierte Atmosphäre des abgegrenzten Lichts über dem grünen Tisch.

      »Spielen Sie eine Partie mit?«, fragte er in Richtung Tounambani, während er die Kugeln auf den Anstoß legte.

      »Ich sehe Ihnen lieber zu«, beeilte sich dieser zu sagen, denn er hatte noch nie im Leben so einen Holzstock in der Hand gehabt und fand es auch sinnlos damit eine Kugel anzustoßen, um zwei andere zu treffen. Er hatte auch nicht angenommen, dass Bronsteen das Spiel beherrsche, sondern den Ort nur gewählt, weil er als einziger Gesellschaftsraum die Möglichkeit bot, die Tür zu schließen und unbeobachtet zu sein.

      Bronsteen stieß an und trieb mit den ersten Spielzügen die Kugeln an der Bande entlang.

      »Es kommt darauf an, nicht über die Bewegung nachzudenken, sie geschieht von selbst, wenn man bereit ist.« Er fixiert Tounambani über den Queue gebeugt und führte den Stoß aus ohne hinzusehen. Sanft über eine Seitenbande gespielt lief die Kugel über den Tisch und touchierte dann mit einem leisen Ton die beiden anderen. »Der Punkt der Berührung steht fest bevor der Lauf beginnt. Haben Sie sich je mit Zen beschäftigt?«

      Tounambani schüttelte den Kopf, ohne wirklich zu wissen was Bronsteen meinte. Eigentlich war er hier um die Details wegen des Kinderprojekts zu besprechen. Er sah auf die Uhr.

      Bronsteen war scheinbar vollkommen in das Spiel versunken, in Wahrheit jedoch ließ er Tounambani nur ein wenig zappeln. Er spielte ohne Eile noch eine Runde um den Tisch, dann stellte er den Queue ab und ging zu Tounambani hinüber.

      »Aber warum wir hier sind«, sagte er knapp. »Sie erhalten wie angekündigt die fünf Millionen Dollar als offiziellen Betrag für das Projekt und wickeln es als Vertrauensmann in unserem Sinne ab.«

      Tounambani nickte heftig. Er war dankbar, dass es nun zur Sache ging.

      »Fünfhunderttausend sind für das Freikaufen der ersten fünfzig Kindersoldaten«, fuhr Bronsteen fort, »Zehntausend pro Kind, das muss reichen, mehr zahlen wir den Rebellen nicht, und fünfhunderttausend sind für Ihre persönlichen Aufwendungen. Für die restlichen vier Millionen, bekomme ich die vereinbarte Ware.«

      »Verstanden, alles wie ich es schon mit Senator Prow abgemacht habe. Schade, dass er heute nicht hier sein kann.«

      »Vom Senator musste ich mich leider trennen, der arbeitet nicht mehr für mich«, sagte Bronsteen knapp und senkte die Stimme. »Nach außen hin darf von unserer Vereinbarung nichts durchdringen, sonst zerreißt uns die Presse.«

      »Das wird es nicht, keinesfalls. Es bleibt unter uns!«, versicherte Tounambani schnell, um nachdrücklich fortzufahren. »Auch Sie, bitte, kein Wort zu General Ndogar, er bekommt seine Ausrüstung für die Armee, das ist sein Hauptinteresse. Alles andere ist allein unsere Sache!«

      Bronsteen nickte. Wusste ich’s doch, dachte er dabei, es ist zu verlockend und du teilst dein Schmiergeld nicht.

      »Leben Sie wohl, Herr Minister, einen angenehmen Abend noch«, sagte er und wendete sich dem Billardtisch zu.

      Nachdem Tounambani die Tür hinter sich geschlossen hatte und rührte Bronsteen Zucker in seinen kalten Kaffee.

      »Die Krähen hacken sich doch gegenseitig die Augen aus«, murmelte er amüsiert. »Aber sie fürchten sich davor, dabei überrascht zu werden.«

      Er nahm den Queue wieder auf.

      Der Gang mit den glatten Betonwänden sah unwirklich aus. Starke Neoröhren an der Decke warfen ihr blaugrünliches Licht durch milchige Kunststoffscheiben auf die grauen Wände, die glänzten,