LENA HALBERG - NEW YORK '01. Ernest Nyborg

Читать онлайн.
Название LENA HALBERG - NEW YORK '01
Автор произведения Ernest Nyborg
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783868411294



Скачать книгу

Desinfektionsmittel. Vorne an den Abzweigungen des Flurs, wo es rechts und links zu den wenigen Zellen ging, verendete gerade eine der Leuchtstoffbalken und flackerte unregelmäßig.

      Der Bereich der vorübergehenden Verwahrung von Personen für die Dauer der Befragung war mit einer Gitterwand abgetrennt, auf deren Schiebetür ein Schild mit der Aufschrift detention fascilities prangte. Sobald das FBI mit der Untersuchung fertig war, wurde man freigelassen, wenn sich der Verdacht als unbegründet herausstellte. Konnte man seine Unschuld nicht beweisen, kam man bis zur Verhandlung in ein reguläres Gefängnis.

      Senator Prow schlurfte müde hinter zwei FBI-Männern den Gang hinunter. Wieder war er die halbe Nacht verhört worden. Die drei Beamten, die abwechselnd die Verhöre leiteten, und die beiden Psychologen, die seine Antworten auf die Fragen in mehreren Listen protokollierten, wechselten einander ab. Sie arbeiteten mit Schlafentzug, Prow kannte das aus seiner Zeit als Soldat im Krieg. Dort hatten sie die gleiche Methode angewandt, nur das lag lange zurück und damals stand er auf der Seite der Gewinner. Sogar den Silver Star, die Auszeichnung für besondere Tapferkeit hatte man ihm verliehen, aber das interessierte nun niemanden mehr.

      Als die Stahltür der Zelle hinter ihm geschlossen wurde, war er froh endlich alleine zu sein. Er setzte sich auf die Pritsche und strich sein schütteres graues Haar nach hinten. Es war unbequem hier, denn bei den Verhören im FBI bekam man keine extra Kleidung und der Straßenanzug war untauglich zum Schlafen. Auch die Hose rutschte fortwährend, denn die Schnürsenkel und den Gürtel nahmen sie dir ab, wegen möglicher Suizidgefahr. Lächerlich, sah er etwa aus wie ein Selbstmörder?

      Eigentlich wollte Prow sich waschen und sein Hemd wechseln, aber dafür war er im Moment zu geschafft. Er ließ sich nach hinten sinken, starrte zur Decke und fluchte leise. Ein paar Blocks weiter, im Regierungsviertel am Regents Park, direkt hinter dem Capitol, lag sein wunderbares Büro mit dem dunklen Palisandertisch, von dem aus man die Schaltstellen Amerikas überblickte. Sehr nahe hatte er sich den Mächtigen dieser Welt gefühlt, wenn er mit einem Glas edlen Brandys dort gesessen war und Pläne schmiedete. Der kleine Provinzpolitiker aus Nashville schaffte es mit Bronsteens Geld bis auf einen Senatorensessel, wurde Mitglied des mächtigen Kontrollorgans für Verteidigung – des US Senat Committee for Armed Services – und Lobbyist für Bronsteens Rüstungskonzern.

      Was war in diesen letzten Wochen nur mit ihm geschehen? Er fühlte sich stets unantastbar, so lange bis diese verdammte Journalistin in seinen Computer einbrach und die Files seiner Deals stahl. Die sollte man wegen Datendiebstahls und Verletzung der Intimsphäre eines US-Senators einlochen, nicht ihn, für den immer das Wohl Amerikas an oberster Stelle stand. Insgeheim verfluchte er sich, dass er die Unterlagen überhaupt aufgehoben hatte, aber er war eben Südstaatler bis in die Knochen und die gaben nichts her, was sie einmal besaßen. In Tennessee verkaufte man kein Haus, verborgte kein Auto und vernichtete keine Dokumente.

      Die Unterlagen hatte er nur deshalb behalten, um für alle Fälle etwas gegen Bronsteen in der Hand zu haben. Doch nun drehte sich der große Boss nach dem Wind und kam fein aus der Sache heraus. Alles blieb am Senator hängen.

      Senator, das war er doch in Wahrheit nicht mehr – bestenfalls Ex-Senator. Wie eine heiße Kartoffel ließ man ihn fallen, den Politiker, dessen unsaubere Geschäfte aufgefallen waren.

      »Ja, verdammt«, murmelte er zornig, »es waren auch einige dreckige Dinge dabei, aber wen kümmerts, das macht jeder in so einer Position.«

      Alles wäre anders, wenn Lisbeth noch an seiner Seite wäre und sie Bobby, seinen Sohn, noch hätten. Ungeachtet seiner unzähligen Affären war Lisbeth seine einzige Liebe gewesen – von dem Augenblick an, wo er sie in Tennessee kennenlernte. Sie war es, die seinen Aufstieg bis nach Washington begleitet hatte, sie schrieb seine Ansprachen, suchte die Anzüge aus und lud die richtigen Leute zum Abendessen ein. Und dann kam Bobby zur Welt, sie waren eine richtige Familie. Doch das Glück hielt nicht lange, denn als er anfing für Bronsteen zu arbeiten, trennte sich Lisbeth von ihm. Es war die Angst sie könnte in etwas hineingezogen werden oder ihr Sohn könnte durch Bronsteen Schaden nehmen, was dann einige Jahre später auch geschah. Nie würde Prow diesen Tag vergessen, als sie die Nachricht erhielten, dass Bobby gefallen war. Er war eingezogen worden, kämpfte in Afghanistan. Seine Truppe kam in ein Dorf, das die Terroristen vermint hatten; Bobby saß im ersten Jeep der hineinfuhr. Die Minen hatte Bronsteen den Talibans verkauft und Prow selbst war der Vermittler des Deals gewesen. Bobby war sofort tot, sie bekamen ihn nicht einmal zurück.

      Es war Krieg, sagte sich Prow tausende Male. Es war weder seine Schuld noch seine Absicht gewesen, schließlich hatte er die Mine nicht hingelegt. Trotzdem verstand er Lisbeth, die seit diesem Tag nicht mehr mit ihm sprach.

      Gequält warf er sich herum, warum fiel ihm all das ein? Waren die Verhöre noch nicht genug Belastung?

      »Aufwachen!«

      Er riss erschreckt die Augen auf und sah in ein Gesicht, das ihn anstarrte. Es war einer der FBI-Männer. Mühsam rappelte sich Prow auf, er musste über seinen Gedanken eingeschlafen sein und hatte keine Ahnung wieviel Zeit vergangen war.

      »Es ist halb vier, Besuch ist da.«

      »Halb vier, morgens …?«

      »Nachmittag. Kommen Sie.«

      »Wer ist denn da?«

      Wortlos stemmte sich Prow von der Pritsche hoch. Er ging zum Waschbecken und ließ sich rasch Wasser über die Hände laufen und wusch sich das Gesicht. Dann nahm er sein zerknülltes Sakko und folgte dem Mann, der schon vor der Zellentür wartete.

      Sie gingen hinauf in die Verhörräume. Im Gehen schlüpfte Prow in sein Sakko und strich es notdürftig glatt. Wahrscheinlich wartete wieder einer von Bronsteens Anwälten, um ihm noch weitere Schweinereien unterzujubeln, für die er den Kopf hinhalten sollte. Aber damit war Schluss, schwor er sich, keine Geständnisse mehr.

      Die Zimmer für die Verhöre sahen alle gleich aus – hellgraue, schmucklose Wände, der übliche Spiegel, hinter dem jeder, der wollte, zuhören konnte und der festgeschraubte Tisch in der Mitte, über dem das Mikrophon für die Aufzeichnung von der Decke hing. Prow wurde auf den Stuhl gegenüber der Spiegelwand bugsiert, der ebenfalls verschraubt war, und erhielt Handschellen – eine Vorsichtsmaßnahme wenn Besucher zu Häftlingen kamen. Nur bei der Vernehmung mit den FBI-Spezialisten und bei Gesprächen mit dem eigenen Anwalt durfte man ohne Fesseln sitzen.

      Lena war froh darüber, denn als sie den Raum betrat, starrte Prow sie ungläubig an und wäre ihr, nachdem sich sein Schock gelegt hatte, beinahe an die Gurgel gesprungen. Nur die Handschellen, die mit einer Stahlkette im Boden verankert waren, hielten ihn von dem Angriff ab.

      »Du … du dreckige, du …«, zischte er dabei hasserfüllt. Seine Lippen wurden weiß, so kniff er den Mund zusammen. Mit den Händen ballte er Fäuste, die er impulsiv gegen sie hob, soweit die Kette dies zuließ.

      Lena fuhr zuerst erschrocken zurück, dann richtete sie sich auf und ging zum Tisch.

      Du machst mir keine Angst mehr, dachte sie, und beugte sich so nahe zu ihm vor, dass nur ein halber Meter zwischen ihr und seinem wütenden Gesicht waren. Sie würde sich nicht von ihm mitreißen lassen, sondern sachlich und höflich bleiben. Sie stellte ihre Aktentasche ab und setzte sich.

      »Sie gestatten, dass ich mich setzte, Senator, wir haben einiges zu besprechen«, sagte sie, nachdem sie ihn ruhig gemustert hatte, ohne jegliche Aufregung in der Stimme und mit ausgesucht höflichem Tonfall.

      Prow lehnte sich zurück auf seinen Stuhl. Langsam gewann er die Fassung wieder und sein Nacken entspannte sich.

      »Wird nicht zu vermeiden sein, wie ich Sie kenne«, meinte er giftig. »Man müsste euch Journalisten alle aufhängen.«

      »Seltsam, irgendwann einmal sagten Sie mir, Sie hätten ein großes Herz für uns. Das wäre auch besser, denn sonst werden Sie sich schwerlich Freunde bei der Presse machen, die Sie aber beim Prozess vielleicht bräuchten«, konterte Lena unverfroren.

      »Der Prozess wird eine Farce«, bellte Prow, »das wissen Sie genauso gut wie ich. Alles, was ich gemacht habe, war nur im Auftrag und in Abstimmung mit Bronsteen,