Название | Buchstäblichkeit und symbolische Deutung |
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Автор произведения | Matthias Luserke-Jaqui |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783772002151 |
Etwa zu der Zeit, als im lateinisch-westlichen KulturbereichKultur BoethiusBoëthius um 507 n. Chr. das gesamte aristotelische Organon zu übersetzen sich vornimmt, erreicht die syrisch-christliche Übersetzungsliteratur aristotelischer Schriften allmählich ihren Höhepunkt in den Werken des SergiusSergius (†536 n. Chr.) und des Severus SebokhtSeverus Sebokht (†667 n. Chr.).5 Der früheste bekannte syrische Übersetzer ist ProbhaProbha (ca. 450 n. Chr.). Vollständige syrische Übersetzungen der Poetik sind heute nicht mehr bekannt. Lediglich aus indirekten Hinweisen lässt sich die syrische Textvorlage der ältesten erhaltenen arabischen Übersetzung rekonstruieren. Ob die syrische Übersetzung der Poetik eine unmittelbare Übertragung einer älteren griechischen Handschrift, möglicherweise sogar eines aristotelischenAristoteles Originals, zumindest aber eine getreue Kopie des griechischen Archetypus darstellt, lässt sich nur vermuten, ist in der Forschung aber umstritten. Da die spätere arabische Poetik-Übersetzung auf der früheren syrischen Übersetzung des griechischen Textes beruht, sei zunächst der Blick auf die syrischePoetik (Aristoteles)Poetik (Aristoteles) Übersetzertätigkeit gerichtet. Wolfhart Heinrichs hat in seiner Arbeit Arabische Dichtung und griechische Poetik die syrische und die arabische Poetik-Geschichte untersucht. Aufbauend auf dem epochalen Werk von Jaroslaus Tkatsch gelangt Heinrichs zu wichtigen, teilweise Tkatsch korrigierenden Resultaten. Er betont, dass zwei Seiten der syrisch-arabischen Poetik-RezeptionRezeption zu unterscheiden seien: Einmal die eigentliche Poetik-Tradition des aristotelischenAristoteles Textes, zum anderen die Tradition der alexandrinischen Organon-Proömien, die sich mit der Einordnung der Poetik in das Corpus Aristotelicum beschäftigen und ihre Zurechnung zu den logischen Schriften systematisch begründen.6 Beide Seiten sind aber nicht streng voneinander zu trennen, vielmehr ergeben sich häufige Verbindungen. Was die alexandrinischen Organon-Proömien betrifft, ist festzuhalten, dass die Poetik – ebenso wie die Rhetorik – ihre Überlieferung gerade der Zuordnung zum aristotelischen Organon verdankt. Wann und durch wen diese Zuordnung im spätalexandrinischen Schulbetrieb vollzogen wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Diese Zuordnung ist jedoch nicht mit dem Ausschluss der RhetorikRhetorik und Poetik aus dem spätgriechischen und byzantinischen Schulbetrieb zu verwechseln, die sich durch die „Verdrängung der Rhetorik durch Hermogenes-Aphthonius und die Zuordnung der Poetik zur Grammatik [erklärt]“7. Schon im frühen griechischen Aristotelismus, der nach Moraux vom „‚Willen zur Orthodoxie‘“8 gekennzeichnet ist, war die Poetik von untergeordneter Bedeutung. Von der Renaissance des Andronikos von RhodosAndronikos von Rhodos, dem ersten Redaktor der aristotelischen Schriften ca. 100/50 v. Chr. (Datierung nach Moraux), bis ca. zur Mitte des dritten Jahrhunderts n. Chr. war es „wichtigstes Anliegen der meisten Kommentatoren der Zeit […], die sogenannten Lehrschriften, und an erster Stelle die rein philosophischen unter Ausschluß etwa der Tierschriften, der Politik, der Rhetorik und der Poetik zu verstehen, zu untersuchen und zu erklären“9. Umso erstaunlicher, aber angesichts der Autorität, die die aristotelischen Schriften genossen, keineswegs überraschend, ist nun die Zuordnung der Poetik zum aristotelischen Organon, zu dem heutzutage die fünf folgenden aristotelischenAristoteles Schriften zusammengefasst werden: KategorienKategorien, Vom SatzVom Satz, AnalytikAnalytik (1. und 2. Analytik), TopikTopik und Sophistische WiderlegungenSophistische Widerlegungen. Die überlieferungsgeschichtliche Sicherung der Poetik im Organon vollzog sich im Rahmen der alexandrinischen Schulbildung nur sukzessive.10 Johannes PhilopanosPhilopanos, Johannes missbilligte möglicherweise diese Zuordnung der Poetik und lässt somit „eine andere Phase dieser Auseinandersetzungen in der Schule von Alexandreia erkennen, inPoetik (Aristoteles)Poetik (Aristoteles) welcher die Poetik eine nicht ganz deutliche Sonderstellung gegenüber Topik, Sophistik und Rhetorik einnimmt“11. Das Ergebnis dieses überlieferungsgeschichtlichen Konstituierungsprozesses, der sehr stark von philosophisch-logischen Systematisierungszwängen geprägt ist und dessen Ausrichtungspunkt der aristotelischeAristoteles Syllogismus-Begriff ist, formuliert der Armenier EliasElias der Armenier um 600 n. Chr. folgendermaßen: „pente gar eisin eide ton syllogismon, apodeiktikos dialektikos rhetorikos sophistikos poietikos [Ü: Es gibt nämlich fünf Schlussfiguren, die apodeiktische, dialektische, rhetorische, sophistische und poetische]“12. Jede Art von Syllogismus stellt einen anderen Gewissheitsgrad der Erkenntnis dar „und ist dadurch als solche sachlich gerechtfertigt“13. In dieser Fünfteilung wird die Poetik (und auch die RhetorikRhetorik) in ihrer Zuordnung zum Organon in Form eines poetischen Syllogismus verankert. Für die syrisch-arabische RezeptionRezeption der griechischen Kommentatorenliteratur ist dies von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Poetik wird hier, wie bei den alexandrinischen Gelehrten, als logische Schrift gelesen. Dies führt im Laufe der Jahrhunderte zu erheblichen Verständnisschwierigkeiten und zu Irritationen. Die Poetik wurde als eine Schrift über die Logik der DichtungDichtung, über die Logik der poetischen Aussage, nicht aber als eine Schrift über die Dichtung selbst verstanden. Dieses Missverständnis führte zwangsläufig zu dem Problem, „welchen Wahrheitsgehalt und welches Erkenntnisvermögen man diesen poetischen Syllogismen zuordnen wollte, und da lag es nahe, ‚poetisch‘ mit ‚falsch‘ (wie EliasElias der Armenier) und weiter ‚falsch‘ mit ‚Phantasie‘ (wie Philopanos) zu verbinden“14. Von der syrischen Kopie der PoetikPoetik (Aristoteles), die als Vorlage für die arabische Übersetzung diente, ist nur sehr wenig bekannt.15 Das sogenannte Fragmentum SyriacumFragmentum Syriacum wurde erstmals von Margoliouth im Jahre 1887 ediert16 und löste rege Aktivitäten in der altphilologischen Poetik-Forschung aus, die einen bedeutenden Höhepunkt in der zweibändigen Arbeit von Tkatsch fand.Aristoteles17 Dieses Fragment ist in der Enzyklopädie Buch der DialogeBuch der Dialoge des Bischofs Mār Mattai Severus bar ŠakkūMār Mattai Severus bar Šakkū (†1241) erhalten, „der ein bedeutender Vertreter der unter arabischem Einfluß stehenden Nachblüte der peripatetischen Philosophie in der sogenannten syrischen Renaissance war“18. Die Vorlage zu diesem Fragment ist jene ominöse griechische Handschrift S19 oder Σ, die älteste Handschrift der aristotelischenAristoteles Poetik, „von der wir wissen“20, die selbst aber nicht erhalten ist. Dieser griechische Text wurde ins Syrische übertragen. Tkatsch vermutet, dass die syrischen Gelehrten frühestens im fünften Jahrhundert mit der Poetik durch diese Handschrift S oder eine andere bekannt geworden seien.Aristoteles21 Die erste nachweisbare Spur der Poetik bei den Syrern bzw. der erste Nachweis einer syrischen Übersetzung der Poetik findet sich zu Beginn der arabischen Poetik-Handschrift des Abū Bišr, wo dies ausdrücklich vermerkt ist.22 Einen syrischen Kommentar zur Poetik hat es neben der syrischen Übersetzung vermutlich nicht gegeben, eher „scholienartige Bemerkungen oder gedrängte Ausführungen über bestimmte Partien“23. Man sollte allerdings den Erkenntnisgewinn dieser Hypothesen nicht zu hoch veranschlagen, worauf auch Heinrichs ausdrücklich hinweist, denn die Kenntnis der syrischen Peripatetik sei äußerst bruchstückhaft; erschwerend käme hinzu, dass wichtige Werke nach wie vor unediert in Bibliotheken lägen und es nur wenige Anhaltspunkte für die Existenz einer vorislamischen syrischen Poetik gäbe.24 Zu den wenigen festen Anhaltspunkten gehört ein syrischer Brief des nestorianischen Katholikos Timotheus I.Timotheus I. (†823 n. Chr.)25, worin „nach irgendeinem Kommentar für das Werk der Rhetoren oder das der Poeten oder nach irgendwelchen Scholien gleichwie im Syrischen“26 gefragt wird. Die Schlussfolgerung von Tkatsch, dass dieser Brief eine frühere syrische Übersetzung der Poetik voraussetze27 und damit deren Existenz indirekt bestätige, ist aber übereilt. Denn Heinrichs