Название | Der Wünscheerfüller |
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Автор произведения | Achim Albrecht |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942672221 |
Das mühsame Keuchen und Rasseln seines Atems, die Speichelblasen im Wattebart und die trüben Augen unter den mächtigen schneeweißen Augenbrauen ließen das Ansehen des Weihnachtsmannes in meinen Augen auf einen historischen Tiefstand sinken. Außerdem stank er penetrant vor sich hin, als ob er einen Nebenjob als Duftkerze ausüben würde. Aus dem verklebten Schritt waberte eine Schokoladenwolke und die Achseln mit ihrem zottigen Wildwuchs verströmten ein herb männliches Aroma von Tabak, Hölzern und Zitrusfrüchten. Für das Deo hatten Heerscharen unschuldiger Pflanzen ihr Leben geben müssen und ich war dazu verurteilt, ihretwegen mit einem ständig wiederkehrenden Würgereiz zu kämpfen. Ein wildes Hupkonzert von der Straße kämpfte sich durch den Nebel und erreichte das Zimmer als mehrstimmiges Quäken.
Als vorausschauende Vorsichtsmaßnahme hatte ich mehrere Lagen breites Isolierband über den bärtigen Mund meines verkrampften Freundes geklebt. Das war nicht ganz einfach zu bewältigen, denn die Ausläufer des Bartes hefteten sich begierig an den Klebstoff und machten die Haftwirkung unwirksam. Das Experimentieren mit den Klebestreifen brachte mich in die unmittelbare Nähe des Mundes und der fleischigen Wangen. Vielleicht sind Sie in solchen Dingen abgehärteter oder toleranter. Ich jedenfalls war auf das Äußerste abgestoßen, als ich feststellen musste, dass der Weihnachtsmann blutrot geschminkte Lippen hatte. Ich hatte die beiden mitten in der Verrichtung gestört. Ganz sicher wäre die Schminkerei und Verkleiderei noch weitergegangen. Durchsichtige, duftige Dessous und falsche Wimpern, ausdrucksvolle Lidschatten und Pumps Größe 46. Ich wickelte das Isolierband kurzerhand mehrfach um Kopf und Kapuze, sodass der Weihnachtsmann aussah, als sei er von einem Stümper repariert worden. Ich seufzte tief. Im Bett beschäftigte sich Goldlocke mit einer Art ersticktem Schluckauf. Er schien eine Menge Spaß zu haben, denn er schaukelte hin und her, wie jemand, der den Beginn seiner Behandlung nicht abwarten kann.
Längst hatte ich den Taser wieder betriebsbereit gemacht und längst fixierten mich die eng beieinanderstehenden Augen des Mannes auf dem Stuhl. Ich tat so, als hätte ich nicht bemerkt, dass er seine gesamte Muskelkraft einsetzte, um die Fesseln zu sprengen. Der Stuhl ächzte unter der Zumutung, hielt aber stand. Es ist ein seltsames Gefühl, von den blutunterlaufenen Äuglein eines halb nackten, geschminkten und gefesselten Weihnachtsmannes fixiert zu werden, der im bürgerlichen Leben ein Kopfschlächter ist. Manchmal konnte man sich seine Gesellschaft eben nicht aussuchen. Ich seufzte bei dem Gedanken erneut und beschäftigte mich mit meinen Utensilien. In dem Buch eines chinesischen Kriegsherrn hatte ich gelesen, dass die Nichtbeachtung eines besiegten Feindes eine vielversprechende Strategie ist, diesen kooperationsbereit zu machen.
Was Sie nicht wissen können ist, dass meine Aufmachung ihn ebenso verwirren musste, wie es die Seine bei mir getan hatte. Er sah eine schlaksige Figur in Lederjacke, Schal und Schirmkappe mit dem Gesicht von Nancy Reagan. Nun ja, ich muss gestehen, dass mir nichts Besseres eingefallen war. Kurz vor den Festtagen musste man an Masken nehmen, was von Fasching übrig geblieben war. Der Staubschicht nach zu urteilen, die auf dem dehnbaren Gummigesicht der ehemaligen First Lady der USA Asyl gesucht hatte, war die Maske der Ladenhüter des Jahrhunderts. Beim Anprobieren stellte sich heraus, dass Nancy Reagan meine erste Wahl sein musste. Wenn eine Plattitüde angebracht ist, dann hier, denn die Maske passte im wahrsten Sinne des Wortes wie angegossen. Nancy und ich hatten die gleiche hagere und längliche Gesichtsform. Wir waren beide ehrgeizig und machtbewusst … Sie haben recht. Ich darf es mit den Gemeinsamkeiten nicht zu weit treiben. Nancy Reagan hätte niemals vor Santas Schokopenis gekniet und ihre Messersammlung präsentiert.
Und das war der zweite mögliche Grund, weshalb mich der Weihnachtsmann so gebannt anschaute. Auf meine Maskierung konnte er sich erst einmal keinen Reim machen, aber die Geheimnisse, die ich meinem Koffer entlockte, mussten ihn auf das Höchste beunruhigen. Ich gab mich nicht mit Erklärungen ab, sondern hob meine Schätzchen aus ihrem rosenroten Samtbett. Ich will Ihnen nicht verschweigen, dass es dabei nicht wirklich stilecht vorging. Nachdem ich den Besteckeinsatz entfernt hatte, wollte ich eine Serie elastischer Schlaufen in den Samt einlassen, um die Messer dekorativ zu verwahren. Ich denke, Sie kennen das. Vorsätze sind schnell gebrochen, wenn man vordringlichere Dinge zu erledigen hat, und so blieb die Planung in ihren Urgründen stecken.
Ohne Halterung polterten und klirrten die teuren Errungenschaften lieblos durcheinander und verkeilten sich wie ein Haufen Altmetall, das keine andere Zukunft kannte als die Metallschmelze. Das hatten meine neuen Kameraden nicht verdient, zumal ich wusste, wie sensibel und nachtragend diese Klingen sein konnten. Sie glauben vielleicht, das Zerbrechen eines Spiegels bedeute sieben Jahre Pech und damit hat es sich. Sie sollten den Grundsatz auf beschädigte und vernachlässigte Messer anwenden und die Pechperiode potenzieren. Dann wären Sie auf dem richtigen Weg. Meine Methode den gehörigen Respekt zu zeigen war es, jede Schneide in ein separates, genau auf den Charakter des Messers abgestimmtes Tuch einzuschlagen und mit Gummibändern zu taillieren. Es gab ein rot und weiß gewürfeltes Leinentuch für das Bowiemesser, einen nilgrünen Schal für das Hackebeil und die japanischen Nationalfarben für das Santoku-Allzweckmesser, das geformt war wie ein Tukanschnabel.
Es hatte den Anstrich einer religiösen Zeremonie, als ich mit allem zum Gebote stehenden Ernst die wohlverpackten Schätze aus ihrer Luxusgruft hob und auf einem schmucklosen Beistelltisch drapierte. Manch einer zählt das Aufreihen gefährlicher Gerätschaften vor einem wehrunfähigen Dialogpartner schon zu der subtilsten Form von Folter. Dem vermag ich nicht beizupflichten. Es ist ein gewaltiger Irrtum, dass der mittelalterliche Brauch des hochnotpeinlichen Verhörs, der mit dem Zeigen der Instrumente begann, gleichbedeutend mit der heutigen direkten oder indirekten Androhung von Gewalt ist. Lesen Sie dazu die lohnenswerte Abhandlung „Cautio Criminalis“ des Grafen von Spee, der mit dem Traktat wider die Folter den Wahn der Hexenverfolgung zu beenden half. Das Zeigen der Instrumente war keineswegs eine Drohung, sondern der Anfang der Folter selbst, die nur unterbrochen wurde, um dem Delinquenten Gelegenheit zu geben zu gestehen, bevor er als reuiger Sünder in den Schoß der Kirche zurückkehrte und anschließend voll christlichen Verständnisses zu Tode gebracht wurde.
Bitte beschweren Sie sich nicht darüber, dass die letzten Sätze bedeutungsschwanger und bleischwer ihren Denkapparat belastet haben. Ohne Anstrengung kein Fortschritt. Ich fand es nur notwendig, mich von vornherein gegen gewisse populistische Vorverurteilungen zur Wehr zu setzen. Nein, ich hatte nicht vor, dem Mann physische oder psychische Folter angedeihen zu lassen. Ganz im Gegenteil. Ich begann mit harmlosen, fast freundschaftlichen Fragen, die man mit einem Nicken oder Kopfschütteln beantworten konnte. Ich fragte, ob er Benedikt, der Metzger sei, und erhielt außer einem feindlichen Starren keine Antwort. Meine nächste Frage zielte auf seine momentane Situation und verfolgte keinen anderen Zweck, als meine Neugierde zu befriedigen. Sie lautete, ob das Weihnachtsmannkostüm zur Staffage eines Rollenspiels gehörte, das er mit Goldlocke exerzierte. Die Reaktion war ein verächtliches Schnauben durch die Nase.
So würde ich nicht weiterkommen. Das Steakmesser besitzt eine schlanke, kräftige Klinge, die Gebratenes glatt und mühelos durchschneidet. Es enttäuschte mich nicht und tat genau das mit der rechten Brustwarze des Weihnachtsmannes. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob diese Ausführgänge der Milchdrüsen beim Mann nicht ohnehin eine nutzlose Verkümmerung sind, die die Evolution zu beseitigen vergessen hat. Sicher, sie dienen bei manchen Männern als erogene Zone und können sich mehr noch als bei Frauen durch die umgebende Brustmuskulatur aufrichten. Meine liebe Mutter könnte Ihnen einige Takte dazu erzählen. Aber lassen wir das. Tatsache ist, dass Männer – und allen voran Weihnachtsmänner – bestens ohne Brustwarzen leben können. Schokopenis lebte das vor. Er beeilte sich, den Kopf wild hin- und herzuwerfen und gab eine Salve atonaler Kehllaute von sich, die darauf schließen ließen, dass er kommunikationsbereit war.
Natürlich blutete der Mann. Natürlich erlitt er einen neuerlichen Schock. Grausam war die Behandlung jedoch in keinem Fall. Der rasch entschlossene Schnitt konnte als Anreiz zur Teilnahme am Dialog gelten, eine Art Ermunterung in einer verfahrenen Situation, die durch die üblichen Verhandlungstechniken nicht vorangebracht werden konnte. Zuerst hatte der Weißbärtige