Название | Cowboys & Indies |
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Автор произведения | Gareth Murphy |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871612 |
Der junge Mann, der die »Graphophone«-Patente schließlich kaufte, hörte auf den Namen Edward Easton und sollte als Gründungsvater von Columbia in die Geschichte eingehen. Der einstige Gerichtsstenograf, von Natur aus aufgeweckt und ambitioniert, hatte für 25000 Dollar die aufsehenerregende Geschichte des Prozesses verkauft, in dem der Mörder von US-Präsident James A. Garfield vor Gericht stand. Er war danach wieder aufs College gegangen, hatte Jura studiert und war mit 29 Jahren ein betuchter Mann, der nach geschäftlichen Möglichkeiten Ausschau hielt. Sein Partner bei seinem ersten Projekt war Colonel James Payne, ein Veteran des amerikanischen Bürgerkriegs.
1887 überschrieb das »Volta Laboratory« die Patente an Eastons und Paynes neue Firma »American Graphophone Company«. Ihr Plan bestand darin, mit dem Graphophone ein Diktiergerät anzubieten, das in allen Regierungsbehörden in Washington stehen sollte. Um die Maschinen herzustellen, mieteten sie sich einen Teil einer darbenden Nähmaschinen-Fabrik in Bridgeport/Connecticut an.
Es war zu diesem Zeitpunkt, dass sich endlich auch ein etablierter Industriemagnat für das Thema zu erwärmen begann. Jesse Lippincott, ebenfalls Bürgerkriegsveteran, hatte ein Vermögen mit Glaswaren gemacht, sollte aber auch als erster Verlierer in die Annalen des Musikgeschäfts eingehen. Nach dem Tod seiner Frau war er 1884 ins Waldorf Astoria gezogen und ein vertrautes Gesicht in Manhattans High Society geworden. Die New Yorker Zeitungen nannten ihn nur »the Pittsburgh Millionaire«. Von Bells Telefon fasziniert, war sich Lippincott sicher, mit einer Investition in die sprechenden Maschinen ein Vermögen machen zu können.
Er verkaufte die Aktien seiner Glas-Manufaktur für eine Million Dollar und überzeugte Edison, ihm für 500000 Dollar das Phonograph-Patent sowie die Mehrheit der Edison Phonograph Company zu verkaufen. Danach trat Lippincott in Verhandlungen mit Easton und Payne ein. Es sollte sich als cleverer Schachzug erweisen, dass Easton ihm sein Patent nicht verkaufte, sondern stattdessen anregte, Lippincott könne für 200000 Dollar die Lizenz an den US-Rechten erwerben. Ausgenommen davon sollte allerdings Washington DC sein, wo Easton Columbia Phonograph gegründet hatte, um den Regierungsbehörden seine Diktiergeräte zu verkaufen.
Lippincott unterschrieb die entsprechenden Verträge und machte sich daran, das erste und einzige Monopol für eine Industrie aufzubauen, die sich mit der Aufnahme von Sprache und Musik beschäftigte. Er übernahm das erfolgreiche Geschäftsmodell von Bells Telefon-Unternehmen und unterteilte die USA in verschiedene Vertriebsregionen. Lizenzierte Händler konnten für jährlich 40 Dollar ein Gerät mieten, um es dann interessierten Konsumenten zugänglich zu machen.
Trotz eines halbwegs vielversprechenden Starts schrieben Lippincott und seine regionalen Statthalter schnell rote Zahlen. Edward Easton machte sich auf den Weg, um vor Ort der Misere auf den Grund zu gehen. Im März 1890 reiste er von der Ost- zur Westküste, besuchte 31 der Lizenznehmer und führte praktisch die erste landesweite Studie der blutjungen Aufnahmeindustrie durch.
Zu seiner Überraschung wurde Easton mit einem Phänomen konfrontiert, das niemand auf dem Schirm gehabt hatte. Ein Lizenznehmer in San Francisco bot den Phonographen als eine »Pay to Play«-Jukebox an. Er hatte die Maschine in ein attraktiv gestaltetes Holzgehäuse integriert, das Gehäuse mit einem Münzeinwurf ausgestattet – und hatte diese Jukeboxen dann in Spielhallen, Saloons, Drugstores und anderen öffentlichen Plätzen aufgestellt. Das Phänomen war bereits von Kalifornien auf andere US-Städte übergesprungen. Die durchschnittlichen Einnahmen dieser münzbetriebenen Phonographen lagen bei 50 Dollar die Woche. Den größten Zulauf hatte offensichtlich eine Jukebox in einem Drugstore in New Orleans, die angeblich wöchentlich 500 Dollar abwarf.
Innerhalb eines Jahres begann Lippincotts kunstvoll aufgebautes Monopol zu zerbröckeln. Die regionalen Lizenznehmer verlangten nach besseren Konditionen, Edison und Easton lagen sich wegen der Produktionsquoten ihrer Phonographen in den Haaren – und Ersterer kämpfte sogar darum, die an Lippincott veräußerten Patente zurückzukaufen. Während Edison in einer langfristigen Auseinandersetzung verstrickt war, nützte Easton die Gelegenheit, um sich als alleiniger Geschäftsführer seiner Firma zu etablieren. Eine der ersten Entscheidungen, die er traf, bestand darin, seinem überarbeiteten Graphophone einen Federaufzugsmotor zu geben, der eine gleichmäßige Klangwiedergabe ermöglichte.
Während Edison von einem zweijährigen Prozess in Anspruch genommen wurde, brachte Columbia 1894 das »Graphophone Type G Baby Grand« an den Start, das im Einzelhandel 75 Dollar kostete. Der clevere Edward Easton, der inzwischen die Rechte an einem substanziellen Katalog von Musik- und Comedy-Aufnahmen besaß, spürte instinktiv, dass die Zeit gekommen war, die tönenden Maschinen direkt an den Endverbraucher zu verkaufen.
2
DIE ANWÄLTE HABEN DAS WORT
In einem Museum in Washington DC stand Emile Berliner vor einer Kopie des Phonautographen, den Scott de Martinville 30 Jahre zuvor in Paris entwickelt hatte. Die waagrecht geschnittenen Rillen, die so fundamental anders waren als Edisons senkrechte Zylinder, beschäftigten seine Fantasie. Weitergehende Recherchen führten ihn zu dem Design von Charles Cros und der Frage, ob die waagrechte Scheibe vielleicht sogar noch ein Patent abwerfen würde. Berliner machte sich an die Arbeit und entwickelte das »Gramophone«, das ebenfalls mit einer flachen Scheibe arbeitete. Er hatte noch immer viele offene Fragen zu lösen, doch schließlich war er nicht nur Geiger, Pianist und Komponist, sondern hatte auch – noch bevor in San Francisco die ersten Jukeboxen aufgetaucht waren – die künftige Anwendung der tönenden Maschinen vorausgesagt.
Als er am 16. Mai 1988 seinen Prototypen im Franklin Institute vorstellte, hatte er seinen Vortrag unter den Titel »Das Grammophon – Das Präparieren der menschlichen Stimme« gestellt. Er machte die Prognose, dass »künftige Generationen in der Lage sein werden, das tonale Abbild eines ganzen Lebens auf die 20 Minuten dieser Scheibe zu komprimieren«. Er ließ klingende Namen wie den der italienischen Sopranistin Adelina Patti fallen und behauptete, dass »prominente Sänger, Redner und Bühnenkünstler Tantiemen aus dem Verkauf ihrer Phonautogramme beziehen werden. Wertvolle Aufnahmen werden registriert werden, um die Aufnahme vor unrechtmäßiger Veröffentlichung zu schützen. Die Sammlungen dieser Phonautogramme werden im Wert ständig steigen – und ganze Abende werden damit verbracht werden, durch lange Listen interessanter Aufnahmen zu gehen.«
Berliner mochte ein Hellseher sein, doch glauben wollte ihm damals niemand. 1893 hatte er immerhin einen neuen Prototypen gebaut, dessen Vorzüge gegenüber dem Phonographen er nun mit Nachdruck propagierte: Dank seiner Erfindung konnte man eine Master-Aufnahme künftig unbegrenzt vervielfältigen.
Ein weiterer Geniestreich bestand darin, sich der Dienste von Fred Gaisberg zu versichern. Gaisberg war ein Aufnahme-Ingenieur mit einem immensen musikalischen Wissen – vermutlich der erste A&R-Mann, den die noch junge Industrie kannte. A&R stand für Artist und Repertoire – diejenige Abteilung einer Plattenfirma, die sich mit dem Entdecken und Betreuen neuer Talente beschäftigt.
Berliners Bemühungen, kapitalkräftige Investoren zu finden, war allerdings wenig Glück beschieden, zumal sich die wirtschaftliche Großwetterlage merklich eingetrübt hatte. Nach einem ausgewachsenen Börsencrash hatte die »Panik von 1893« die gesamte Geschäftswelt zum Erliegen gebracht. Ein Überangebot an Silber hatte dazu geführt, dass Silber-Bestände in Gold umgetauscht wurden. Doch als Amerikas Gold-Reserven das gesetzlich festgelegte Mindest-Niveau erreicht hatten und die Banken mit hochverzinslichen Anleihen dagegenzusteuern versuchten, kam es an der Börse zu massiven Verlusten. 15000 Firmen und 500 Banken meldeten Konkurs an. Die anschließende Depression löste antisemitische Sentiments aus: In den populären Cartoons der Tageszeitungen waren es die Rothschilds, die für den Crash verantwortlich gemacht wurden.
Da er selbst kein geborener Verkäufer war, engagierte Berliner einen methodistischen Geistlichen, um bei der Bell