Cowboys & Indies. Gareth Murphy

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Название Cowboys & Indies
Автор произведения Gareth Murphy
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783862871612



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der Wellenlänge vier verschiedene Signale gleichzeitig durch ein Kabel zu jagen. Und dummerweise hatte Orton erst vor kurzem das Patent eines »harmonischen Telegrafen« gekauft, das ihm von einem gewissen Elisha Gray angeboten worden war. Der mächtige Western Union-Boss lehnte sich also lächelnd in seinem Sessel zurück und zeigte an Bells Prototypen wenig Interesse.

      Auch wenn das Meeting enttäuschend verlaufen war, so wussten Bell und Hubbard doch immerhin, wo ihre Konkurrenz stand. Bell widmete sich daraufhin verstärkt dem Telefon, während sich Hubbard durch die Unterlagen des Patentamts kämpfte, um sicherzustellen, dass Bells revolutionäre Idee noch nicht von einem anderen Erfinder angemeldet worden war. Offensichtlich war das nicht der Fall, doch Hubbard begann sicherheitshalber damit, alle Briefe und Notizen von Bell zusammenzustellen, in denen er das Telefon erwähnt hatte.

      Es war für Bell eine nervenaufreibende Zeit, da ihn alle Menschen in eine andere Richtung zu zerren versuchten. Sein Vater predigte ihm, sich lieber um seine regulären Jobs zu kümmern, also die tauben Kinder zu betreuen und »Visible Speech« an der Boston University zu lehren. Gardiner Hubbard, inzwischen offiziell als Investor eingestiegen, war hingegen genervt, dass Bell so wenig Zeit in seinem Labor verbrachte. Und um die Gemengelage noch zu verkomplizieren hatte sich Bell auch noch in Mabel Hubbard verliebt.

      Bezeichnenderweise war es die Beschäftigung mit der Taubheit, die ihm weiter auf die Sprünge half. Mit Hilfe des Phon­autographen wollte er demonstrieren, wie eine defekte Mechanik im Ohr zur Taubheit führt – und beschäftigte sich daher immer mehr mit einer künstlichen Membran. Als ihm bewusst wurde, dass er in punkto Elektrizität noch erhebliche Wissenslücken hatte, engagierte er einen versierten Tüftler namens Thomas Watson. Gemeinsam entdeckten sie schon bald, dass der Elektromagnet Eigenschaften besaß, die ihn zur Klang­übertragung prädestinierten.

      Bells erster wichtiger Durchbruch war der Transmitter – so etwas wie ein frühes Mikrofon, das Klangwellen in elektrische Impulse umwandelte. Es war nicht zuletzt Hubbards juristischem Know-how zu verdanken, dass es Bell war, dem 1876 das Patent für das Telefon zugesprochen wurde. Der krönende Augenblick aber kam, als ihm im gleichen Jahr auf der Weltausstellung in Philadelphia eine »Gold-Medaille« überreicht wurde. Es dauerte nicht lange, bis es in Wissenschaft und In­dus­trie niemanden gab, der nicht über Bells Erfindung sprach.

      Zufall oder Schicksal? Einer der Zuschauer, die sich auf der Weltausstellung das Telefon anschauten, war Emile Berliner, der wenig später das Konzept der Schallplatte entwickeln sollte. Auch wenn er damals nur einer der anonymen Besucher war, so entdeckte Berliner doch gleich die Achillesferse von Bells Apparatur: Es mangelte an der notwendigen Verstärkung der Klangwellen – anders gesagt: Der Sprecher musste schon schreien, um am anderen Ende gehört zu werden.

      Emile Berliner schien allerdings keineswegs prädestiniert, Bells Modell zu verbessern. Sechs Jahre zuvor hatte der junge Deutsche mit jüdischen Wurzeln seine Heimat verlassen, um der Einberufung zum Deutsch-Französischen Krieg zu entgehen. Er hatte keinerlei wissenschaftliche Vorbildung, arbeitete inzwischen aber immerhin als Hausmeister in einem Chemielabor, nachdem er sich zuvor mit allen möglichen Jobs über Wasser gehalten hatte. Seit seiner Ankunft in Amerika war Berliner aber wild entschlossen, seine berufliche Situation zu verbessern. Er hatte nicht nur die Abendschule besucht, sondern hielt auch im Labor die Augen auf, wenn die Chemiker ihre Versuche machten.

      In seinem gemieteten Zimmer begann er selbst mit Experimenten. Er bastelte einen Transmitter, den Vorläufer des heutigen Mikrofons, mit dem sich die Lautstärke des Inputs erhöhen. Bell kaufte umgehend das Patent und engagierte Berliner für sein Entwicklungsteam.

      Es gab aber noch einen dritten Mann, der die technische Entwicklung genau verfolgte: Thomas Edison. Da Bells Telefon die von Edison dominierte Telegrafen-Industrie revolutionieren würde, fragte sich Edison, ob das geschriebene Telegram vielleicht von einem gesprochenen Telegramm abgelöst werden würde. Er beschäftigte sich bereits mit einer Schreibmaschinenähnlichen Tastatur, die dem Abspielen von Sprach­aufnahmen dienen sollte.

      Wie Berliner hatte auch Edison keine akademische Ausbildung erhalten, sondern war in einer Kleinstadt in Ohio von seiner Mutter zu Hause unterrichtet worden. Mit zwölf Jahren verkaufte er Süßigkeiten und Zeitungen an den Haltestellen der örtlichen Eisenbahnlinie. Seinen Eintritt in die Welt der Wissenschaft verdankte er einem bizarren Zufall: Nachdem er dem Sohn eines Stationsvorstehers das Leben gerettet hatte, indem er ihn vor einem führerlosen Zug wegzog, gab man ihm zum Dank einen Job in der Telegrafenabteilung von Western Union. Er nützte die Nachtschicht, um eigene Experimente zu machen, wurde aber gefeuert, nachdem er Säure verschüttet hatte, die sich durch den Fußboden fraß und den Schreibtisch seines Vorgesetzten verätzte. Immerhin konnte er 1874, noch vor sei­nem 30. Geburtstag, sein Quadruplex-System an Western Union verkaufen und erhielt dafür die stolze Summe von 10000 Dollar. Mit dem Geld eröffnete er sein eigenes Labor in Menlo Park/New Jersey, wo er sich gleichzeitig mit Klang, Licht und kabelloser Telegrafie beschäftigte.

      In den hektischen Monaten nach Bells Erfindung stieß Edison auf eine neue Idee, um Klänge auf einen Tonträger zu bannen. Da er selbst teilweise taub war, befestigte er eine Nadel an der Membran. Brachten Klangwellen die Membran zum Vibrieren, konnte er die Veränderung der Lautstärke als Nadelstiche spüren. Während er noch mit seiner Apparatur herumspielte, kam ihm eine weitere Erleuchtung: Wenn Klangwellen eine Nadel zum Vibrieren brachten, musste es doch auch möglich sein, dass die Klangwellen Spuren auf einem Papier hinterlassen, ja vielleicht sogar Informationen speichern – ganz so, wie sein Telegraph Löcher in das Laufband stanzte. Er entwarf eine neue Apparatur, bei der die Nadel die Klangwellen auf eine rotierende Walze mit Stanniolpapier gravierte.

      Und er hatte einen weiteren Genieblitz: Wenn man einen Klang »schreiben« konnte, musste es im Umkehrschluss doch auch möglich sein, diesen Klang zu reproduzieren. Niemand, auch nicht der brillante Kopf von Alexander Bell, war bislang auf den Gedanken gekommen, dass das riesige Ohr des Phon­autographen auch als Lautsprecher benutzt werden konnte. Ende 1877 sang Edison ein Wiegenlied in den Prototypen seines Phonographen. Er wollte seinen Ohren nicht glauben, als bereits beim ersten Mal die Wiedergabe einwandfrei funktionierte.

      Sechs Monate zuvor, am 30. April, hatte ein französischer Schriftsteller und Erfinder namens Charles Cros den Entwurf einer vergleichbaren Maschine bei der »Académie des sciences« in Paris eingereicht. Die Idee der Klangwiedergabe lag in der Luft. Das Konzept des Franzosen (das mit einem vertikalen Zylinder arbeitete) lag allerdings ungeöffnet im Archiv, während Edison weiter an seiner Maschine arbeitete. Nachdem die Nachricht von Edisons Erfindung auch in Paris die Runde gemacht hatte, bestand Cros darauf, dass sein versiegelter Brief geöffnet und öffentlich vorgelesen werde.

      In den kommenden Wochen berichteten amerikanische Zeitungen über Edisons Erfindung der »Talking Machine« (wie von nun an alle Aufnahmegeräte genannt wurden). US-Präsident Rutherford B. Hayes lud ihn sogar in Weiße Haus ein, um seine Erfindung vorzustellen – was aber die kursierenden Gerüchte nicht zum Verstummen brachte, dass es sich bei der Maschine um einen ausgemachten Schwindel handele. Eines Tages bekam Edison einen Überraschungsbesuch von dem einflussreichen Bischof John Heyl Vincent, der eine Flut von obskuren biblischen Versen in den Trichter schmetterte. Als der Phonograph den zusammenhanglosen Sermon wortgetreu wiedergab, sagte der Bischof: »Ich bin nun überzeugt. Es gibt keine Menschenseele in den Vereinigten Staaten, die all diese Namen im gleichen Tempo aufsagen könnte.«

      Der öffentlichen Aufmerksamkeit zum Trotz fand Edisons Erfindung keine Investoren. Mit der Erfindung der Glühlampe einige Monate später hatte er mehr Glück: Mit Unterstützung von J. P. Morgan und der Vanderbilt-Familie gründete er die Edison Electric Light Company und prophezeite: »Wir werden Elektrizität so billig machen, dass nur noch die Reichen Kerzen anzünden werden.«

      Nachdem er bemerkt hatte, dass sich Edison fortan auf das elektrische Licht konzentrierte, kletterte Graham Bell erneut in den Ring und finanzierte geheime Forschungen, mit denen er Edisons vielversprechende Entdeckung verbessern wollte. Bells Leben hatte sich radikal verändert, nachdem das Telefon die industrielle Erfolgsgeschichte jener Jahre geworden war. 1880 verlieh ihm die französische Regierung den mit 10000 Dollar dotierten »Volta-Preis«. Da er das Geld nicht anderweitig benötigte, gründete er das »Volta-Labor« und engagierte seinen Neffen Chichester Bell