Название | Cowboys & Indies |
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Автор произведения | Gareth Murphy |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871612 |
Wissenschaftliche Journale und Ausstellungen waren damals in aller Munde, neue Ideen verbreiteten sich schneller denn je und machten auch vor unüberwindbaren Ozeanen nicht mehr halt. 1866 wurde ein Telegrafenkabel auf dem Grund des Atlantiks verlegt, um Europa und Amerika in Sekundenschnelle zu verbinden. Für junge, neugierige Köpfe mit einem Faible für wissenschaftliche Errungenschaften war es das Goldene Zeitalter.
Einer dieser schlauen Köpfe war ein schottischer Teenager namens Alexander Graham Bell, von seiner Familie Aleck genannt. Sein Name verbindet sich gemeinhin mit der Erfindung des Telefons, doch er war auch dafür verantwortlich, dass die Erfindung aus Paris ihren Weg nach Amerika fand, wo das Phänomen der Telekommunikation schon bald ein explosionsartiges Wachstum verzeichnen sollte. Als Philanthrop und überzeugter Pionier akustischer Innovationen war er indirekt auch für die Gründung von Columbia Records mitverantwortlich – dem ältesten Label der Musikgeschichte. Die Fachwelt dankte es ihm, indem sie die akustische Messgröße »bel« – wie in Dezibel – nach ihm benannte.
In seinem Fall war es eine ungewöhnliche Triebfeder, die seine Neugier beflügelte. Sein Großvater war ein renommierter Sprachtherapeut für taube Kinder gewesen, sein Vater Melville hatte ein phonetisches System namens »Visible Speech« erfunden, das Gehörgeschädigten das Sprechen ermöglichen sollte: Für jeden einzelnen Laut, den die menschliche Stimme erzeugen konnte, gab es eine Schautafel, die genau die Stellung von Lippen, Zähnen und Zunge wiedergab. Aleck, der mit einer tauben Mutter aufwuchs, verstand schon in jungen Jahren, dass Gehörlose weniger unter der ständigen Stille litten, sondern mehr unter der frustrierenden Unfähigkeit, mit der Außenwelt kommunizieren zu können. Es war eine Hilflosigkeit, die mit dafür verantwortlich war, dass viele von ihnen in Gefängnissen oder geschlossenen Anstalten landeten.
Seit seinem 16. Lebensjahr arbeitete Aleck als Lehrer für Spracherziehung in London und Edinburg. Zur gleichen Zeit häuften sich bei Melville Bell die Einladungen, sein »Visible Speech«-Projekt an amerikanischen Universitäten vorzustellen. Von dem Zynismus der englischen Wissenschaftler zunehmend abgestoßen, schienen die Möglichkeiten der Neuen Welt mit jedem Tag attraktiver zu werden.
Es geschah just zu diesem Zeitpunkt, dass die Bell-Familie vom Schicksal gleich doppelt getroffen wurde. Kurz hintereinander starben die beiden Brüder von Aleck an Tuberkulose – in der damaligen Zeit, reich an Kohleöfen und feuchten Behausungen, nicht einmal ungewöhnlich. Als Aleck, von seiner Doppelbelastung durch Lehrtätigkeit und Forschung sichtlich erschöpft, ebenfalls zu kränkeln begann, trafen seine besorgten Eltern eine folgenschwere Entscheidung: Aleck waren 23 Jahre alt, als die Familie alle Besitztümer verkaufte und 1870 in die Neue Welt übersiedelte.
Von ihrer familiären Tragödie noch immer gezeichnet, ließ sich die dezimierte Familie auf einer Farm am Grand River in Ontario nieder. Aleck verbrachte seinen ersten Sommer in Kanada im Zustand der Apathie. Er legte sich ein Kissen ins Gras, las ein Buch nach dem anderen und lebte in seiner eigenen Welt. Die zögerliche Rückkehr zur Normalität begann, als seine Neugier von einem nahegelegenen Reservat geweckt wurde, in dem die hier ansässigen Mohawk-Indianer lebten. Er bat den Häuptling, ihre Sprache studieren zu dürfen – und erhielt die Erlaubnis, dem Unterricht in ihrer Schule beizuwohnen. Der spielerische Kontakt mit den Kindern trug offensichtlich dazu bei, die dunklen Wolken aus seinem Kopf zu vertreiben.
1874 nutzte Melville Bell seine Kontakte zu amerikanischen Universitäten, um seinem Sohn einen frischen Start ins Berufsleben zu ermöglichen. In Boston übernahm Aleck einen Job als Spezialist für Sprachtherapie. Kaum am Hauptbahnhof angekommen, verliebte sich Aleck in die Stadt und fand wieder zurück in seine lieb gewonnene Routine aus Forschung und Lehre. Während eines Ferienaufenthalts in Ontario bastelte Bell seine eigene Version von Martinvilles Phonautograph und beschäftigte sich zunehmend mit den akustischen Möglichkeiten der Maschinen.
Neugier mag dafür verantwortlich sein, Augen zu öffnen, doch die Zufallsbegegnungen sind es, die einem die Türe aufstoßen. Als erfolgreicher Therapeut hatte sich Bell in der Gehörlosen-Gemeinde von Boston schnell einen Namen gemacht. Eines Tages wurde er im Anschluss an einen Vortrag von dem wohlhabenden Geschäftsmann Gardiner Hubbard angesprochen, der für seine taube Tochter Mabel einen Privatlehrer suchte.
Während er Mabel Hubbard das Sprechen beibrachte, hinterließ Bell bei der gesamten Familie Hubbard einen bleibenden Eindruck. Er war der geborene Gentleman, hatte die besten Manieren, war 1 Meter 92 groß, perfekt gekleidet, besaß pechschwarze, nach hinten gekämmte Haare. Er hatte sich selbst das Klavierspielen beigebracht und unterhielt seine Gastgeber mit schottischen Balladen, viktorianischen Walzern oder ein paar Chopin-Sonaten, die er komplett auswendig gelernt hatte.
Es dauerte nicht lange, bis ihn die Hubbards praktisch in ihre Familie aufgenommen hatten. Wie der Zufall es wollte, galten Gardiner Hubbards Interessen – finanziell wie politisch – zu diesem Zeitpunkt gerade der Telegrafen-Industrie. Nach dem Eisenbahn-Boom in den 1840er Jahren war es der zukunftsträchtigste neue Industriezweig, der allerdings daran krankte, dass eine der größten US-Firmen – Western Union – den Markt kontrollierte. Gardiner Hubbard machte sich dafür stark, das Monopol zu brechen und den Markt auch für die Konkurrenz zu öffnen.
Als ihm Hubbard seine Theorien zum Telegrafen-Geschäft darlegte, ließ Bell durchblicken, dass er sich selbst schon seine Gedanken über die Möglichkeit von Klangübertragungen gemacht habe. Er sei sogar nahe daran, eine bahnbrechende Entdeckung zu machen, frage sich aber, ob er ohne Patent damit an die Öffentlichkeit gehen solle. Als Engländer, der er noch immer war, hatte er nicht einmal die Möglichkeit, ein US-Patent zu beantragen. Hubbard, der sich als Anwalt auf derartige Fragen spezialisiert hatte, hörte aufmerksam zu und bot juristische wie finanzielle Hilfe an.
Er sollte nicht der einzige Förderer bleiben. Durch die Kontakte seines Vaters hatte sich Bell mit einem Professor am Massachusetts Institute of Technology angefreundet, der ihn über den Stand der wissenschaftlichen Debatten zu diesem Thema auf dem Laufenden hielt. Eine gewisse Mrs. Sanders, Bells neue Vermieterin, hatte sogar heimlich ein Zimmer ihres Hauses ganz auf Bells Bedürfnisse einrichten lassen. Zu seinem 27. Geburtstag organisierte sie eine Überraschungsparty, zu der auch die Schüler seiner Gehörlosen-Klasse gekommen waren. Bell, den Tränen nahe, erhielt den Schlüssel zu seinem ersten eigenen Laboratorium.
Seine 18-stündigen Arbeitstage, sieben Tage die Woche, sollten bei dem blassen, erschöpften Bell allerdings schnell ihre Spuren hunterlassen. Migräne-Anfälle standen auf der Tagesordnung. Das grundlegende Konzept eines Telefons hatte sich zwar in seinem Kopf herauskristallisiert, doch er wollte sich nicht mit anderen Forschern austauschen, da er mit Recht vermutete, dass auch andere Erfinder dem Geheimnis auf der Spur waren. Als er an einem Abend im Hubbardschen Wohnzimmer wieder einmal Klavier spielte, hielt er plötzlich inne und stand auf. Ihm war die Bedeutung eines kleinen Tricks aufgegangen, den er oft auf seinem alten Klavier in Schottland gespielt hatte: Wenn er einen beliebigen Ton in den Resonanzkörper des Klaviers sang, ließen die Klangwellen die entsprechende Saite harmonisch vibrieren. Sangen zwei Stimmen zwei verschiedene Noten, reagierten die beiden entsprechenden Saiten mit Schwingungen. Was bedeutete: Wenn mehrfache, »harmonische« Signale durch die Luft transportiert werden konnten, mussten sie auch über ein einziges Kabel übertragbar sein.
Hubbard überzeugte Bell, seine Arbeiten an diesem »harmonischen Telegrafen« weiter zu forcieren und ließ seine Verbindungen spielen, um ein Treffen mit Western Union-Boss William Orton zu arrangieren.
Zwei Jahre zuvor hatte Orton die Patente an einem telegrafischen System gekauft, das von einem