Sklavenjäger. Boris Cellar

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Название Sklavenjäger
Автор произведения Boris Cellar
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783944145563



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es gab nur noch die Ecke, in der ich hilflos zwischen Stein und Plastik kauerte, und das Wasser. Ich wurde mit voller Wucht an Rücken, Hintern und Oberschenkeln getroffen. Dabei ließ mein Peiniger sich viel Zeit, kostete meine demütigende Lage genüßlich aus. Ich hatte keine Chance auszuweichen, war auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

      Bis der Strahl schließlich auf dem Po verharrte. Es war, als ob sich etwas Gewaltiges durch meine Kehrseite in den Körper drängte. Schmerzen – bisher nicht gekannte Schmerzen. Widerwärtig und ekelhaft! Sadistisch erniedrigend. Ausweichen war unmöglich. Es war die Hölle!

      Bald konnte ich es nicht mehr aushalten. Der Druck war unermeßlich! Ich rollte mich auf dem Steinblock zu einer Kugel aus schützender Haut zusammen. Verletzt und durchgefroren zog ich Knie und Ellenbogen an die Brust und wartete auf das Ende. Wegen der Kälte und des Drucks des Wasserstrahls versagte mir die Atmung. Schnappend versuchte ich, trockene Luft in die Lungen zu pumpen. Doch die Lungen blieben verschlossen. Nach ewigen Sekunden hörte die Marter endlich auf. Die fürchterlichen Schmerzen blieben.

      Bibbernd preßte ich ein »Es tut mir leid!« heraus. Der Stein, auf dem ich kauerte, blieb weiter naß, kalt und unbequem. Die knirschenden Stiefelsohlen entfernten sich langsam wieder, bis sie nicht mehr zu hören waren. Wieder ertönte das fast geräuschlose Gleiten. Das Gitter wurde hochgefahren.

      Wie war die Lage? Zunächst einmal das Positive: Der Durst war vorerst gelöscht. In gewisser Weise wurde ich sogar sauber. Das Wässerchen im Abflußloch war weggespült, der eklige Geschmack nach dem Aufwachen aus dem Mund verschwunden.

      Dennoch befand ich mich, mit Ketten gefesselt, in einer Zelle ohne Licht. Ich war alleine und fror. Dank des Erbrechens war mein Magen noch leerer als vor der Wasseraktion. Irgend jemand hielt mich gefangen und trieb Psychospielchen mit mir. Von der demütigenden Aktion mit dem Strahl an meinem Hintern ganz zu schweigen. Die Lage war prekär – und ziemlich aussichtslos!

      Ganz langsam versuchte ich, die Beine zu lockern und etwas auszustrecken. Vor Kälte und Anspannung waren sie völlig steif gefroren und versahen nur widerwillig ihren Dienst. Langsam krümmte ich die Zehen und entspannte sie wieder. Die Gelenke knackten. Das war kein gutes Zeichen. Vorsichtig tastete ich mich mit den Füßen über den Zellenboden. Der linke große Zeh, den ich mir angeschlagen hatte, pochte noch immer im Takt meines Herzschlags. Zum Glück linderte die Kälte den Schmerz ein wenig. Hoffentlich war der Zeh nicht verstaucht oder gar gebrochen. Das hätte noch gefehlt!

      Auf dem Boden lag noch immer der durchweichte Sträflingskittel. Angewidert hob ich den schmierigen Stoff auf und wrang ihn aus. Ein Schwall Wasser ergoß sich hörbar auf den Boden. Hätte ich das vielleicht doch lieber über dem Abflußrohr machen sollen? Zu spät!

      Obwohl es mich einiges an Überwindung kostete, streifte ich den nassen Sack schließlich über. Das war immerhin besser, als nackt und frierend in der Zelle zu stehen – den Blicken meiner unsichtbaren Wärter schutzlos ausgeliefert. Sie mußten mich in der Dunkelheit sehen. Irgendwie! Immerhin hatten sich mich mit dem Strahl direkt auf der Brust getroffen.

      Angeekelt verzog ich das Gesicht, als der glitschige Stoff meine Haut berührte. Vorsichtig verschloß ich die Klettstreifen an den Seiten. Das Kleidungsstück war widerlich und versprühte die Wärme eines naßkalten Novembertags, an dem man nicht einmal den Hund vor die Türe schickte. Das bloße Tragen war schlichtweg unangenehm. Aber zumindest bedeckte es meine Blöße. So konnte ich zumindest das letzte bißchen Würde wahren, das mir noch geblieben war.

      Blind krabbelte ich zurück auf den Steinblock – den guten alten Freund – und ließ mich darauf nieder. Mein Rücken lehnte gegen Plexiglas. Die Knie zur Brust gezogen, saß ich schweigend auf dem schmerzenden Po. Ich machte mich klein, wollte ein möglichst geringes Angriffsziel für die nächste Attacke bieten. Wer weiß, auf welche teuflischen Ideen die da draußen noch kamen.

      Verzweiflung, mein treuer Wegbegleiter, gesellte sich zu mir. Eifersüchtig um meine Gunst, vertrieb sie Hoffnung und Glaube. Sie flüsterte mir zu, verschlagen wie die Schlange Ka, daß ich doch gerade aufs heimtückischste gefoltert worden war. Psychoterror – keine sichtbaren Spuren! Willen brechen! Persönlichkeit zerstören! Gefügig machen!

      Das waren die Methoden der Handlanger von Diktatoren in geheimen Gefängnissen überall in der Welt. Genau das war ein wichtiger Teil meiner Recherchen für die Studienarbeit gewesen. So etwas sollte es doch nicht mitten in Europa geben. Aber wenn es das nicht gab, warum passierte es mir dann genau hier, genau jetzt?

      Ein Albtraum suchte mich heim. Ich war gefangen und saß gefesselt auf einem Verhörstuhl. Um mich herum stand eine Vielzahl von Leuten, die stumm auf mich herabblickten. Ich wollte schreien, mich verständlich machen, mich erklären. Doch ich konnte nichts sagen, war wie geknebelt, obwohl mein Mund frei war. Ich saß einfach nur da, den Unbekannten ausgeliefert. Menschen standen vor mir und sahen mich mit großen, unpersönlichen Augen an. Diese Augen waren genauso leblos wie die Gesichter, in die sie eingepflanzt waren.

      Ich riß die Augen auf und war sofort wach. Gleich machten sich die Sorgen und Bedürfnisse bemerkbar, die artig neben dem Steinblock auf mich gewartet hatten. Hunger und Durst waren spürbar gegenwärtig. Das Kleid war noch immer feucht und klebte mit seiner kratzigen Oberfläche auf der Haut.

      Während ich geschlafen hatte, hatte sich an meiner Situation nichts geändert. Der Po tat von dem harten Wasserstrahl noch immer weh, und die Fesseln saßen unverrückt an Ort und Stelle. Vor und in der Zelle lauerte etwas auf mich in der Dunkelheit und wartete. Irgend etwas. Vielleicht war es nicht sichtbar, doch ich konnte deutlich spüren, daß es in der Nähe war.

      »Hallo?« fragte ich in die Schwärze. »Hallo? Hört mich jemand? Könnte ich bitte etwas zu essen und zu trinken bekommen? Bitte! Ich habe so Hunger und Durst! Bitte!«

      Mist! Ich wollte doch nicht betteln. Ich wollte keine Schwäche zeigen. Doch das Wollen zählte hier im Dunkeln nicht. Der Überlebenswille hatte allen Stolz beseitigt. Jetzt war die Zeit gekommen, den Körper vor dem Untergang zu retten. Nichts anderes! Bedürfnisbefriedigung. Der Stolz durfte gerne später zurückkehren. Dann hatte ich vielleicht wieder dafür Verwendung. Doch hier und jetzt war er fehl am Platz. Das Überleben zählte – und nur das!

      Die nächsten Stunden verstrichen in purer Frustration. Ich durchlebte sämtliche Stadien negativer Emotionen. Ich litt an Hunger und Durst, an beidem gemeinsam und dann wieder an jedem einzelnen getrennt. Dazwischen mußte ich so stark auf Toilette, daß ich mich erneut in das Abflußrohr erleichterte. Dabei empfand ich zwar noch immer eine gewisse Scham – das Gefühl verschwand aber schon bald irgendwo in der Dunkelheit. Wie schnell man sich doch an manche Sachen gewöhnen kann, die man früher für unmöglich hielt!

      Wut, Haß, Verzweiflung, Trauer, Selbstvorwürfe, Hunger, Durst, Müdigkeit, Kälte, Depression, Selbstzerstörung, Leere, Angst, Panik, Selbstmitleid. Die Stimmungen drehten sich wie in einem Karussell und hinterließen erste Narben auf der Seele. Ein bodenloser Strudel zog mich mit den Zellenabwässern in die Tiefe. Die Isolation in der Schwärze trieb mich in den Wahnsinn.

      Die paranoide Angst, daß etwas oder jemand vor der Zelle lauerte und nur darauf wartete, mich in einem unaufmerksamen Augenblick zu schnappen, verwandelte die Gefangenschaft in einen Horrortrip. Man brauchte keine Drogen, um mich verrückt zu machen. Wenn ich mich nicht in der Ecke meines Schlafblocks verkroch, rannte ich unkontrolliert nach vorne zu den Gittern und spähte mit weit aufgerissenen Augen in die Finsternis. Dann wieder drehte ich mich bitterlich weinend an den Plexiglasscheiben entlang und zischte unverständliche Laute durch zusammengebissene Zähne.

      War ich wach? Schlief ich? Halluzinierte ich? Hörte ich Stimmen? Schrie ich etwa? Waren Schritte zu hören? Kam das rote Licht wieder? Wurde der Wasserstrahl vorbereitet, um mich naßzuspritzen? Rattenfüße? Kaltwasserdusche? Wandkettenloch? Lachen oder Weinen? Flossen Tränen vom Himmel? Tanzte ich in meinen Ketten? Leckte ich den Boden, um die letzte Feuchtigkeit aus dem Staub zu saugen? Ist eine Zunge ein Reibeisen, mit dem man Fesseln durchscheuern kann?

      STOP!!

      Du mußt dich konzentrieren, Carola. Du wirst hier drin nicht heulend nach deiner Mami schreien. Sie kann und wird dir nicht helfen. Deine Eltern haben dir beigebracht, wie du