Bleierne Schatten. Erik Eriksson

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Название Bleierne Schatten
Автор произведения Erik Eriksson
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783941895522



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sein müssten. Auf dem Bild waren sie Anfang vierzig. Das war zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Jahre her. Kannte nicht Verner jemanden vom Fernsehen aus dieser Zeit?

      Sie hatte sich eine ganze Weile nicht bei Verner gemeldet. Jetzt beschloss sie ihn anzurufen.

      Er war nicht zu Hause. Und er hatte keinen Anrufbeantworter und kein Handy. Er war altmodisch, wollte nicht gestört werden, er war der einzige von Margrets Bekannten, der nicht jederzeit zu erreichen war.

      Als sie sich kennen lernten, hatte sie Zettel in seinen Briefkasten gelegt. Das war vor zwei Jahren gewesen, als er ihr half, Nordin zu finden, den Rächer von Älvsjö. Nun ja, sie hatte auch Verner geholfen.

      Seitdem hatten sie sich gelegentlich getroffen und ziemlich oft telefoniert. Das letzte Mal war ungefähr einen Monat her.

      Spät an diesem Abend ging Verner ans Telefon. Margret rief aus ihrer Wohnung in Årsta an; sie wollte Verner diesmal unbedingt erreichen.

      Er freute sich und sagte, dass er sie auch hatte anrufen wollen.

      »Arbeitest du?«, fragte Margret.

      »Ich gebe Seminare für angehende Wachleute.«

      »Da kann man mal sehen.«

      »Arbeit ist Arbeit.«

      »Du, Verner, ich hatte heute einen Todesfall, ein älterer Mann in der Bondegata wurde tot in seiner Küche gefunden. Er war ein alter Journalist, hat offenbar für das Fernsehen gearbeitet. Sein Name war Lars Gunnar Bergman. Sagt dir das was?«

      Es wurde still. Verner antwortete nicht. Margret war sich sicher, dass er ihre Worte gehört hatte, und begriff, dass die Stille bedeutete, dass Verner etwas wusste. Sie wartete. Es vergingen nur einige Sekunden, aber sie kamen ihr lang vor.

      »Ich kannte ihn«, antwortete Verner schließlich. »Ich habe vor einiger Zeit noch mit ihm gesprochen. Wie starb er?«

      »Er lag auf dem Boden mit einer tiefen Wunde am Kopf. Die Techniker können wohl in ein paar Tagen etwas sagen, und dann müssen wir mit den Gerichtsmedizinern sprechen. Ich konnte nicht entscheiden, ob es ein Unfall war oder etwas anderes.«

      »Lasse Bergman«, sagte Verner langsam.

      »Wie gut kanntest du ihn?«

      »Es ist lange her, aber wir haben früher recht viel miteinander verkehrt, und wir hatten einen gemeinsamen Bekannten.«

      »War er ein gewöhnlicher ehrenwerter alter Mann?«

      »Absolut, Lasse war ein guter Mensch. Man konnte sich auf ihn verlassen. Aber er trank ziemlich viel. Ich will gerne wissen, was ihr herausbekommt. Ruf mich doch an, sobald du mehr weißt. Vielleicht kann ich euch behilflich sein.«

      »Ich rufe an. Und wenn wir es zu den Akten legen, rufe ich trotzdem an; es wäre schön, wenn wir uns treffen könnten.«

      »Unbedingt, Margret, wir hören voneinander.«

      6.

      Der Mann fasste Hanna hart um die Handgelenke. Sie bat ihn vorsichtig zu sein, aber er hörte nicht, was sie sagte, oder vielleicht war es ihm auch egal.

      Er zwang ihre Arme nach hinten auf das Kissen und dann streckte er sie seitlich aus. Der Griff um die Handgelenke war sehr hart. Sie schrie nicht, aber sie bat ihn wieder und wieder vorsichtig zu sein.

      Dann war es vorbei und er ließ sie los.

      Er wandte sich ab, lag kurze Zeit mit dem Rücken zu ihr. Dann stand er eilig vom Bett auf und ging ins Badezimmer.

      »You go now«, sagte er.

      Sie sah ihn nicht, aber sie verstand ja, was er sagte, und zog sich an, so schnell sie konnte. Das Geld hatte sie schon bekommen.

      Er blieb im Badezimmer. Sie war in zwei Minuten angezogen, stand vor dem Spiegel im Zimmer, brachte schnell ihre Haare in Ordnung, nahm die Handtasche und ging zur Tür hinaus, machte sie leise hinter sich zu.

      War er Südamerikaner? Sie wusste es nicht genau. Aber er hatte ihre Handynummer von der Internetseite bekommen, die sich an ausländische Geschäftsmänner richtete. Er sah aus, als könnte er aus Südamerika kommen.

      Zuerst hatten sie sich in der Bar getroffen. Er hatte auf ihrem Handy angerufen und wollte, dass sie im Hotel direkt auf sein Zimmer kommen sollte, aber sie wollte zuerst unter anderen Menschen sein, um die Chance zu haben abzulehnen.

      Er wirkte freundlich. Er erwähnte einiges von dem, was er auf ihrer Homepage im Netz gelesen hatte, und er wählte die netten Dinge, die weichen Dinge: dass sie sich kümmern und da sein, es warm und schön machen wollte.

      Es gab anderes, das er hätte wählen können, aber er wählte die netten Dinge. Und das war entscheidend für sie. Er war freundlich und wählte die ruhigen und netten Dienste, die sie anzubieten hatte.

      Trotzdem war er grob geworden.

      Hanna hatte sich einige Male geirrt. Dieser Mann war nicht richtig brutal gewesen, es gab schlimmere. Aber er hatte ihr wehgetan. Jetzt waren ihre Handgelenke rot; vielleicht würde sie blaue Flecken bekommen. Nun ja, die würden nach einer Woche wieder weg sein, und sie konnte sie ja immer noch überschminken.

      Eine Stunde war sie bei dem Mann gewesen. Er gab ihr zweitausend Kronen; das war ihr Preis für einen Besuch. Fünftausend, wenn sie die ganze Nacht blieb.

      Niemand wusste dieses Mal, wo sie gewesen war. Manchmal wusste Rina, wohin sie gegangen war. Sie trafen sich manchmal in der kleinen Wohnung in der Regeringsgata, die Rina benutzen durfte, wenn sie einen besonders wichtigen Kunden empfangen musste, jemanden, der Paul kannte. Hanna benutzte die Wohnung ebenfalls gelegentlich.

      Jetzt war Hanna in einem Taxi auf dem Weg nach Hause. Es war halb zehn abends. Der Wagen fuhr von Tegelbacken über Norr Mälarstrand Richtung Essingeled. Als sie am Rålambshovspark waren, nahm Hanna eine Tablette aus der Dose, die sie in der Handtasche hatte. Sie hatte einen leicht trockenen Mund und brauchte eine Weile, um die Tablette hinunterzubekommen. Gerade da klingelte das Handy. Es war ein Mann mit einer Bassstimme, der Englisch ohne Akzent sprach. Er fragte nach Shirley. Hanna antwortete mit einer sehr weichen, etwas kindlichen Stimme, dass er bei ihr ganz richtig sei.

      Der Mann sagte, dass er die Frau treffen wolle, die diese wunderbaren Dienste anzubieten hätte. Er könne nicht warten, er wolle Shirley jetzt sofort treffen.

      »An welche Dienste denkst du?«, fragte Hanna.

      »Du schreibst, dass du gerne lutschst«, sagte der Mann.

      »Ja, das stimmt ganz genau«, sagte Hanna mit ihrer allerkindlichsten Stimme.

      »Ich will dich jetzt sofort treffen«, sagte der Mann.

      Hanna bat den Taxifahrer, zu wenden und zur City zurückzufahren. Sie waren schon oben auf dem Essingeled.

      »Ich muss in Gröndal runter und drehen, um auf die andere Seite zu kommen«, sagte der Fahrer.

      »Du sitzt am Steuer«, sagte Hanna.

      Als sie von der Autostraße abgefahren waren, murmelte der Fahrer etwas, was Hanna nicht verstand.

      »Was hast du gesagt?«, fragte sie.

      »Mist, sie haben die Auffahrt gesperrt«, sagte er. »Wir müssen über Hornstull und die Västerbro fahren.«

      »Du bist immer noch derjenige, der am Steuer sitzt«, sagte Hanna.

      Als sie über die Västerbro fuhren, sah Hanna, dass ein leichter Nebel über dem Riddarfjärd lag. Die kleinen Schneehaufen, die die Lastwagen der Straßenreinigung ins Wasser hinuntergekippt hatten, waren weggeschmolzen. Nun war die Wasseroberfläche teilweise mit zerbrochenen Eisschollen bedeckt. Entlang der südlichen Seite waren die Eisschollen davongetrieben, und dort glänzte das Wasser schwarz und bedrohlich.

      »Wohin fahren wir?«, fragte der Taxifahrer.

      »Grand Hôtel«, antwortete Hanna.

      7.