Название | Bleierne Schatten |
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Автор произведения | Erik Eriksson |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941895522 |
Als Sara den Lippenstift zurücklegte, nahm sie gleichzeitig einen anderen, verbarg ihn in der Hand und trat einen Schritt zurück, um einige andere Mädchen vorzulassen, die ebenfalls zusehen wollten.
»Wir hauen ab«, flüsterte sie Marika zu.
Sie nahmen die Rolltreppe hinauf in die Damenabteilung. Sara steckte den Lippenstift in ihre kleine schwarze Schultertasche. Bevor sie die Hand wieder herauszog, fühlte sie das Handy und das Teppichmesser, das harmlos mit eingezogenem Blatt in der Tasche lag.
Marika wollte eine Jacke anprobieren. Sie griff nach drei taillenlangen, glänzenden Modellen, eins in Rosa und zwei in Dunkelbraun. Dann zeigte sie sie der Verkäuferin vor den Umkleidekabinen.
»Ganz hinten ist noch frei«, sagte die Verkäuferin.
Sie gingen in die Kabine. Marika zog sich um, und auch Sara probierte eine der dunklen Jacken an.
»Ich will nur eine schwarze haben«, sagte sie.
»Willst du eine kaufen?«
»Nein, meine alte geht noch.«
Sara hatte eine enge, taillenlange Jacke an, unter der sie einen dunkelroten Pullover trug. Die Hose war schwarz und die Schuhe ebenfalls, mit Ausnahme der Außenseiten der Sohlen, die grün waren.
Ihr kurzgeschnittenes Haar war dunkelbraun mit einem leicht roten Ton. Es war ihre natürliche Farbe, aber sie war ihr nicht dunkel genug. Vielleicht sollte sie es schwarz färben.
Marika hatte eine dunkelrote Jacke, die etwas länger als Saras war. Beide Mädchen hatten kleine Schultertaschen.
»Die Jacken hier sind nichts«, sagte Sara.
»Ich weiß nicht«, meinte Marika.
»Hol ein paar andere«, entgegnete Sara.
»Nein, wir gehen wieder.«
Sara hielt die rosa Jacke hoch. Sie war wirklich hässlich und dazu noch teuer, zweitausendeinhundert Kronen.
»Was für eine verdammt hässliche Jacke«, sagte sie.
Marika nickte. Sara ließ die Jacke auf den Boden fallen. Sie öffnete ihre Tasche, nahm das Messer, drückte das kurze dreieckige Blatt heraus, hob die Jacke wieder hoch und zog einen Ärmel auf links. Dann schnitt sie langsam mit dem Messer an dem glatten Stoff auf der Innenseite des Ärmels entlang. Als die Fäden rissen, war ein schwach knisterndes Geräusch zu hören, ein langgezogenes Raaaatsch.
Sie zog auch noch den anderen Ärmel auf links und machte einen ebensolchen Schnitt, aber nun zog sie das Messer etwas schneller. Das Geräusch war nicht so deutlich, nicht so herausfordernd.
Sie versuchte es noch einmal, aber jetzt war das Futter lose, sodass sie mit dem Blatt keinen Halt mehr bekam.
Das musste reichen. Sara drehte die Ärmel wieder auf rechts und betrachtete die Jacke. Es war nichts zu sehen. Dann tauschten sie ihre Jacken. Das machten sie manchmal. Marika mochte Saras schwarze Jacke und überlegte, genauso eine zu kaufen.
Sie verließen die Kabine und gaben die drei Jacken einer Verkäuferin, die sie, ohne etwas zu sagen, auf einen Wagen legte. Sie war gerade mit einem anderen Kunden beschäftigt und nahm kaum Notiz von Sara und Marika.
Sara hatte das Messer noch in der Hand. Das Blatt war reingeschoben, niemand sah, was sie da versteckte. Bevor sie die Abteilung verließen, blieben sie an einigen Ständern mit Kleidern und Röcken stehen. Sie schauten sich die Teile an, nahmen sie herunter und hängten sie wieder zurück.
Als Sara die Hand zwischen einige dicht an dicht hängende Seidenröcke schob, fingerte sie mit dem Daumen das Messerblatt heraus. Dann zog sie das Blatt langsam von oben nach unten an einem dünnen lila Seidenstoff entlang. Und wieder fühlte sie den schwachen Widerstand, als die Fäden zerschnitten wurden, das fast unhörbare reißende Geräusch, den Weg der kurzen Stahlschneide durch den Stoff.
So einfach war das, so unglaublich leicht und problemlos. Sie tat, was sie wollte, und niemand konnte sie hindern. Sie wollte am liebsten weitermachen, aber Marika zog leicht am Riemen ihrer Schultertasche und flüsterte, dass sie jetzt gehen müssten.
Der Freitag dieser Woche war der wärmste Tag des Winters. Sara ging nach dem Mittagessen nicht wieder zur Schule. Sie hatte vor, eine Entschuldigung mit dem Namen ihrer Mutter zu schreiben und am Montag abzugeben. Das hatte sie auch früher schon getan.
Sie nahm den Pendelzug in die Stadt, lief eine Weile herum und fuhr dann zurück nach Älvsjö.
Nachmittags ging sie zu ihrer Schwester Hanna nach Hause. Sie hatte einen eigenen Schlüssel, aber sie rief immer vorher an. Hanna arbeitete in der Stadt, manchmal abends, und dann schlief sie tagsüber.
Sara rief an, aber es nahm niemand ab. Nach einer Viertelstunde rief sie noch einmal an. Auch dieses Mal keine Reaktion.
Hanna hatte eine Wohnung am Telefonplan in Hägersten, direkt hinter dem großen Bürogebäude von Ericsson. Von der Schule in Solberga aus dauerte es zu Fuß eine Viertelstunde dorthin.
Sara klingelte ein paar Mal an der Tür und wartete sicherheitshalber eine Weile, bevor sie die Tür aufschloss, für den Fall dass Hanna schlief. Es kam vor, dass Hanna tief und fest schlief, wenn sie Tabletten genommen hatte. Sara wusste, dass Dosen mit Tabletten im Badezimmerschrank standen. Sie kannte sich in der Wohnung aus, weil sie dort manchmal in der Bettnische neben der Küche schlief.
Mitten in der Nacht oder früh am Morgen konnte das Telefon klingeln. Sara wachte beim kleinsten Geräusch auf und hörte das Handyklingeln aus Hannas Zimmer. Es klingelte oft viele Male, bevor Sara die gedämpfte Stimme ihrer Schwester hörte.
Einmal hatte Sara gefragt, wer so spät noch anrief, aber Hanna hatte eine ausweichende Antwort gegeben. Eigentlich konnte es Sara egal sein, wer es war. Es hatte bestimmt mit der Arbeit ihrer Schwester zu tun. Hanna mischte sich nicht in Saras Angelegenheiten ein, und da hatte sie wohl auch kein Recht, ihre Schwester auszufragen.
Aber sie hätte es doch gern gewusst.
Hanna besaß ein normales Telefon mit Anrufbeantworter und Fax und zwei Handys. Von einem der Handys hatte Sara die Nummer. Auch ihre Mutter kannte diese Nummer, und ebenso Hannas alte Freunde in Älvsjö und Solberga.
Das andere Handy war von der Arbeit, hatte Hanna gesagt.
Sara wusste, dass Hanna mit Menschen arbeitete; sie war so eine Art Hostess, die sich um Leute kümmerte und ihnen die Stadt zeigte, sie zu Festen begleitete und solche Sachen.
Hanna verdiente anscheinend ziemlich gut, glaubte Sara. Ihre Schwester war immer gut angezogen und konnte es sich leisten, ihren Urlaub in Thailand und ähnlichen Ländern zu verbringen.
Hanna war vor Kurzem zweiundzwanzig geworden. Die Schwestern sahen sich ziemlich ähnlich mit ihren schmalen Schultern, dunklen Augen und dem rotbraunen Haar.
Sara warf einen Blick in den Kühlschrank, als sie in Hannas Wohnung kam. Es waren Milch und Käse und ein paar andere Dinge da. Sie machte sich ein Butterbrot und goss sich ein Glas Milch ein.
Dann nahm sie das Butterbrot und die Milch mit ins Wohnzimmer und setzte sich an den Glastisch. Auf dem Tisch lagen neben dem Telefon zwei Bücher. Ein kleines grünes Lämpchen blinkte, was vermutlich bedeutete, dass Nachrichten auf dem Anrufbeantworter waren. Sara drückte auf die Abhör-Taste. Sie sollte das nicht tun, konnte es aber nicht sein lassen.
Es waren drei Nachrichten eingegangen, eine von jemandem, der ein paar Worte murmelte und dann auflegte, eine von einer Frau namens Sibylla, und dann noch eine Nachricht von einem Mann, der sich als Paul vorstellte. Er wollte, dass Hanna sich meldete, es wäre wichtig. Er hatte eine sehr tiefe Bassstimme und klang wie jemand in einem amerikanischen Film.
Sara wusste, dass die Nachrichten nicht gelöscht werden würden. Sie hoffte, dass Hanna nicht merken würde, dass sie sie heimlich abgehört hatte.
Sie ging zurück in die Küche, stellte das Glas in die Spülmaschine und ging ins Wohnzimmer