Название | Trips & Träume |
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Автор произведения | Klaus Fischer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870196 |
Es entstanden ausufernde psychedelische Bildchen mit Kifferfratzen und Sonnenaufgängen. Wir lachten und sahen danach aus wie bunte Hühner, so hatten wir uns mit Farbe eingesaut. Ein paar Spaziergänger kamen vorbei und schüttelten den Kopf, doch sie trauten sich nicht, etwas zu sagen. Dass die Polizei nicht aufkreuzte, war eh schon ein kleines Wunder. In dieser Stadt musste man mit allem rechnen. Das Gemalte hielt leider nicht lange, beim nächsten Regen war alles verschmiert. Der Bus war für uns trotzdem ein Kunstwerk, eine soziale Skulptur oder so was in der Richtung.
Heute gehörte die Treppe Karen und mir allein.
»Ich hau ab«, sagte sie.
Ich war baff. »Was?«
»Hast du keine Träume?«
»Na klar, Artikel schreiben für den Rolling Stone, wie Sartre im Café sitzen und Essays verfassen. Sag mal, was ist denn mit dir los? Du zitterst ja.«
»Meine Eltern haben mir eine Moralpredigt gehalten. Sie sind solche Spießer, das ist nicht zum Aushalten. Auf die hab ich keinen Bock mehr. Ich mach die Fliege. Basta. Ich geh nach Christiania.«
»In diese Freakkommune? Kopenhagen ist aber nicht gerade der angesagteste Ort. Amsterdam, Paris oder London, ja, das könnte ich verstehen. Aber Dänemark? Das gibt es doch nur trinkfeste Seemänner.«
»Erinnerst du dich noch, als ich im vergangenen Jahr ins Allgäu gefahren bin, meine Großmutter besuchen?«
»Auf dem Rückweg hast du im Zug zwei Mädels kennengelernt, richtig?«
»Miti und Rike, die kommen mich bald besuchen. Und dann geh ich mit ihnen nach Kopenhagen.«
»Gib es zu, ihr habt euch in hübsche Dänen-Hippies verliebt, jetzt wollt ihr gemeinsam nach Grönland auswandern«, versuchte ich sie aufzuziehen.
Karen schüttelte den Kopf. »Christiania wird eine ganz große Sache. Jeder ist willkommen, wenn er etwas zum Gelingen beitragen will. Verstehst du, eine richtige Kommune. Miti und Rike haben mir erzählt, die Besetzung des Geländes sei für September geplant. Aber davon darf niemand etwas wissen.«
»September? Das geht nicht, da ist das Festival. Du musst mit dabei sein.«
»Mal schauen. Darüber muss ich aber erst mit Miti und Rike reden. Schön wär das schon, dann könnte ich einen Stand aufbauen, so einen wie von dem Typ bei Guru Guru, und ein paar von meinen selbst geschneiderten Klamotten verkaufen. Um meine Reisekasse aufzubessern.«
»Wir fragen Don wegen des Stands. Mensch, Karen, Christiania, das klingt nach Jesus People, nach Hippie-Dorf, wir haben uns alle lieb.« Ich blickte in ihre braunen Uschi-Obermaier-Augen. Keine Spur eines Zweifels war darin zu sehen. Sie wollte es wirklich.
Karen nahm mein Gesicht in ihre Hände. Kühl und zart, ich spürte jeden ihrer Finger auf meiner Haut. Wir schauten uns an.
»Meine Eltern wollen, dass ich ein braves Töchterchen bin und nicht mehr im Rats mit all den Freaks rumhänge. Sie wollen es mir verbieten. Sie sagen, ihr Ruf würde darunter leiden, weil ich in diesem Haschschuppen verkehre. Die Leute würden sich das Maul zerreißen. Sollen sie doch. Es ist mein Leben, und damit mach ich, was ich will. Ich geh nach Christiania. Und das hab ich meinen Eltern genau so gesagt.«
Sie ließ mich wieder los. Ich würde mich nie in sie verlieben können. Da war ich mir sicher. Sie war einfach zu perfekt. Mark stand auf sie, und Andi anscheinend auch.
Karens Eltern waren Zahnärzte. Sie besaßen eine Villa, darin war auch die Doppelpraxis untergebracht. Alles gerade mal zwei Straßen von unserem Haus entfernt. Braves Bürgertöchterchen stand ihr wirklich nicht. Sie war ein Freigeist. Ein Wildfang. Dafür bewunderte ich sie. Auch wenn mir das Getue mit der Kommune auf den Keks ging. Ich meine, ich hatte auch lange Haare, aber das machte mich nicht zum Hippie. Hippies hatten Träume, die entweder im Drogenwahn endeten, oder sie mutierten zu esoterischen Monstern und hüpften des Nachts nackt auf einer Wiese herum, auf der Suche nach Mondgeistern. Wie auch immer, Hippies hatten einen Knall. Der Sommer der Liebe war schließlich schon vor Jahren wie eine Seifenblase zerplatzt. Kiffen und flippen wie bei der Aktion mit dem Bus, das machte Spaß, aber ansonsten waren Hippies von gestern. So sah ich das.
»Verbieten, ins Rats zu gehen? Deswegen musst du nicht gleich abhauen. Verbote sind dazu da, umgangen zu werden«, sagte ich, um den Faden wiederaufzunehmen.
»Du weißt, wie gern ich schneidere. Ich will auch Schmuck entwerfen. Ich habe da schon ein paar Ideen. Ich will das mit anderen zusammen machen, wie in einer großen Familie. Der eine kann tischlern, der andere den Abfluss reparieren. So stelle ich mir eine Kommune vor, wie eine Gemeinschaft, in die jeder das einbringt, was er am besten kann. Ich will mir etwas Eigenes aufbauen, nicht das, was meine Eltern sich für mich ausgedacht haben.«
»Ich dachte immer, in Kommunen geht es nur um Kiffen und Ficken.«
»Plapper du bitte nicht auch den Scheiß von Sonny und Moses nach. Ich bin kein dummes Hippie-Girl. Auch wenn du versuchst, mich so hinzustellen.« Karen strich sich demonstrativ die Haare aus dem Gesicht, eine Geste, die ihren Worten den nötigen Nachdruck verleihen sollte.
»Derzeit entstehen ganz viele dieser Projekte. Hast du schon mal was von Summerhill gehört?«, fragte sie.
»Sagt mir nichts.«
Kannte ich wirklich nicht. Klang wie Ferienlager.
»Das ist eine Schule in England. Nur dass die Kinder dort selbst bestimmen dürfen, was sie lernen wollen. Und wenn sie mal keine Lust haben auf Unterricht, dann wird halt nichts gemacht. Antiautoritäre Erziehung nennt man das.«
»Was soll denn das sein?«
»Du und dein Sartre, ihr seid doch Verfechter eines nicht entfremdeten Lebens, oder wie das heißt. Um dich herum passiert so viel. Sieh dir nur das Musikfieber an, das bei uns grassiert. Das ist auch ein Versuch, der Monotonie und dem Stumpfsinn zu entkommen.«
Das war absolut richtig. Um eine andere, bessere Gesellschaft zu schaffen, musste man irgendwann damit anfangen. Am besten jetzt. Ja, das Musikfieber konnte sich zu einem Aufstand gegen die Spießer entwickeln.
Ich zündete mir eine Selbstgedrehte an. Ich drehte mir immer fünf, sechs Kippen vor und packte sie in den Beutel.
Der Geruch der Kippe brachte sie auf einen anderen Gedanken.
»Ich könnte jetzt einen Joint vertragen«, sagte sie.
»Also doch Hippie-Girl.«
Karen lachte. »Und du, du bist ein Möchtegern-Existenzialist.«
Wenn Andi das gesagt hätte, hätte ich angefangen zu diskutieren. Doch ihr verzieh ich. Sie war wieder gut gelaunt. Der Ärger verraucht.
»Okay, viel Glück mit deiner Kommune. Aber was ist mit Andi?«
»Was soll mit dem sein?«
»Meinst du, ich bin blind? Wie du mit ihm abhängst, könnte man meinen, da läuft was.«
»Da ist nichts. Wir sind Freunde, das ist alles.«
»Dann also Mark mit seinen Schlagzeugermuckis?«
»Hör auf damit, ich will weder über den einen noch den anderen reden, okay?«, sagte sie. »Obwohl ...«
»Du lässt dir wirklich alles aus der Nase ziehen.«
»Mein Traum wäre perfekt, wenn wir alle gemeinsam in einer Kommune leben könnten. Du, Mark, Andi und ich, vielleicht auch noch Don. Das wäre toll«, sagte Karen nachdenklich.
»Das wird nicht funktionieren, weil zwei von denen, die du genannt hast, gern was mit dir hätten. Ich sag doch, es geht nur um Sex in so einer Kommune«, feixte ich.
Karen schaute zum Rats hinüber. Mein Blick folgte ihrem. In der Wohnung darüber war das Licht angegangen. Die beiden Fenster hatten keine Gardinen, doch es war niemand zu sehen.
Karen stupste mich an. »Andi ist zu Hause.«
Seit