Trips & Träume. Klaus Fischer

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Название Trips & Träume
Автор произведения Klaus Fischer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862870196



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atmete hektisch, als sei er gerannt.

      »Euch habe ich überall gesucht«, stieß er hervor. Als er wieder Luft bekam, hörte es sich an wie ein asthmatisches Pfeifen.

      »Komm wieder runter. Was gibt es denn?«, fragte ich.

      »Wo ist mein Mofa?«

      »Sorry, ich habe ich mich hier festgequatscht«, antwortete ich.

      »Okay.«

      »Nun sag schon«, drängte Karen.

      »Habt ihr es nicht in der Tagesschau gesehen?«, fragte er.

      Andi schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Glotze.«

      »Jim Morrison ist tot.«

      Don sagte es, als sei der Sänger der Doors ein enger Verwandter.

      Für die nächsten Sekunden passierte nichts.

      Aber es gab jemanden in dieser stilvoll abgehangenen Musikantenbude, den diese Nachricht wirklich umhauen würde.

      Jim Morrison, der Rock-Superstar, der Traum heißer Mädchenphantasien, Coverboy beim Rolling Stone, der Kritikerliebling, der zurzeit in Paris eine Pause vom Musikgeschäft einlegte und Gedichte schrieb, war tot.

      Die Hippies hatten ihren letzten Helden verloren.

      Karen hatte das Fenster geöffnet und starrte hinaus.

      Dann hallte ihr Schrei durch die Nacht.

      vier Atom Heart Mother

      In jeder Band sollte es jemanden geben, der das Sagen hat, der alles in die Hand nimmt und die Richtung vorgibt. Jede Band braucht einen Chef.

      Bei Dreamlight war das Mark. Leider konnte Mark manchmal ein rechter Kotzbrocken sein.

      »So werdet ihr nie Rockstars. Ihr müsst euch mehr anstrengen«, schimpfte er. »Gebt alles, was ihr draufhabt!«

      Mit verächtlicher Miene warf er die Trommelstöcke in die Ecke. Sie probten seit zwei Stunden, und bislang war nur Mist herausgekommen.

      Er legte ein Arbeitstempo vor, bei dem die anderen nicht mithalten konnten. Natürlich hatte er seine Hausaufgaben gemacht. Er kloppte den Beat in die Felle, dass es eine Freude war. Hi-Hat, Standtom, Bassdrum, Hängetom und Becken wurden vom Meister virtuos bearbeitet.

      Skip war noch nicht so weit. Zum x-ten Mal verpatzte er seinen Einsatz. Paul hinkte ebenfalls hinterher, er schaffte es nicht, sein Gitarrenriff fehlerfrei über die Runden zu bringen. Gero orgelte entnervt vor sich hin.

      Warum sie sich auch an einem Monstertrack wie »Atom Heart Mother« von Pink Floyd ausprobieren mussten, war mir ein Rätsel. Das Stück war mehrere Nummern zu groß für sie, es überstieg ihre Möglichkeiten. Bei ihnen klang es verschrobener als jede Art von Space-Rock, die ich kannte. Selbst Ash Ra Tempel hätten gekotzt.

      Mark hatte recht, sie mussten alles geben, regelrecht über sich hinauswachsen, sonst würde der Auftritt auf dem Festival ein Desaster werden. Aber dass er seinem Frust freien Lauf ließ, war auch keine Lösung.

      Es brachte nur schlechte Schwingungen ins Spiel. Wie nicht anders zu erwarten, war die Stimmung am Boden. Skip stierte stumm in eine Ecke, Paul kämpfte mit seiner Wut. Und Gero verdrehte entnervt die Augen.

      Ein Motivationsschub musste her. »Dafür, dass es eure erste Probe ist, klang es gar nicht so schlecht«, sagte ich.

      Mark winkte ab. »Du hast doch keine Ahnung.«

      Ich verstand genau, wie er das meinte. Es ist meine Band. Und du hältst dich da gefälligst raus, sollte das heißen.

      »Wir müssen uns nicht ans Original halten. Wir spielen unsere eigene Version. Das nennt man künstlerische Freiheit«, versuchte Skip abzuwiegeln.

      Paul schickte böse Blicke in Richtung seines Drummers. »Ich habe dein Gemecker satt. Verdammt, nie passt dir etwas, an allem hast du was auszusetzen. Kannst ja mal bei Bill Bruford anfragen, vielleicht lässt er dich die Becken putzen.« Der Yes-Schlagzeuger war Marks Lieblingstrommler.

      »Hör einfach auf, wie ein Neandertaler auf deiner Gitarre die Akkorde zu schrubben. Bereite dich besser vor, dann kannst du auch dein Zeugs richtig spielen«, konterte Mark, ohne Paul anzuschauen.

      Dann knöpfte er sich Skip vor. »Ich sehe es an deinen Augen, du bist zugeknallt bis unter den Haaransatz. Wir hatten doch verabredet, dass wir auf der Probe ungedopt auftauchen?«

      Skip hatte eine Anordnung des Chefs missachtet und begann sich um Kopf und Kragen zu reden. »Mann, das verstehst du nicht. Ich spüre dann die Musik intensiver. Ich entwickle irgendwie ein besseres Gefühl. Meine Finger flutschen wie von selbst über die Saiten.«

      Seit Drogen in die Musik Einzug gehalten hatten, und das musste schon in der Steinzeit passiert sein, experimentierten Künstler damit, unter allerlei chemischen und natürlichen Rauschmitteln tolle Werke hinzubekommen. Über das Ergebnis wurde heftig gestritten, und eine abschließende Meinung gab es nicht. Für eine bestimmte Phase der künstlerischen Entwicklung konnte es gutgehen, neue Horizonte schienen sich zu eröffnen.

      Charlie Parker, der frühverstorbene Bebop-Pionier, war die letzten Jahre seines Lebens auf Heroin. Ganz Schlaue meinten, da hätte er besonders gut gespielt. Aber war das nicht letztlich eine Beleidigung von Parkers Können, so etwas zu behaupten? Mit oder ohne Drogen, Parker blies das Altsax auf einem atemberaubend hohen Niveau.

      Über Miles Davis, den Trompeter, hatte ich kürzlich gelesen, dass er seine Drogensucht überwunden habe. Mit oder ohne Drogen, Davis’ Werk gehörte zum Besten im Jazz.

      Mal davon abgesehen, dass mein geliebter Krautrock durch und durch drogengeschwängert daherkam, gab es jede Menge Songs über Drogen: »White Rabbit« von Jefferson Airplane, »Purple Haze« von Jimi Hendrix, »Cold Turkey« von der Plastic Ono Band, »Heroin« von Velvet Underground, um nur die zu nennen, die mir spontan einfielen. Selbst die Small Faces hatten ihren Drogensong mit »Here Come the Nice«. Fats Waller, der dicke Jazz-Pianist, huldigte einst mit »The Reefer Song« dem guten alten Gras.

      Mark und seine Jungs hatten ganz andere Sorgen. Sie mussten erst mal überhaupt einen Song hinbekommen.

      Zum Glück hatten sie Gero. Er war jemand, der für Ausgleich sorgte.

      Gero war bei Dreamlight der ruhende Pol. »Beruhigt euch. Lasst es uns einfach noch mal probieren. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.«

      Ich klinkte mich aus, wollte ihren Streitereien nicht mehr folgen und schaute mich im Proberaum um. Die Wände des Kellers waren tatsächlich mit Eierkartons zugepappt, die nackte Glühbirne war verschwunden, dafür hing an der Decke eine Baulampe. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt.

      Irgendwie gemütlich.

      Mark hatte sich mit seinem Schlagzeug an der Längsseite des Kellers, genau in der Mitte der Wand, aufgebaut. Trat man durch die schwere Eisentür, blickte man zuerst auf ihn.

      An der Stirnseite stand ein Sofa vom Sperrmüll. Dort saß ich und machte mir Notizen. Jemand vom großen Regionalblatt, das auch ein Büro in unserem Kaff unterhielt, hatte meinen Artikel in Das Auge gelesen. Don stand im Impressum, also wurde er angerufen, und man erkundigte sich nach dem Autor von Rock Power gegen grauen Spießermief.

      Jetzt sollte ich etwas »Seriöses« über die junge Musikszene in der Stadt schreiben. Mein erster Auftrag für eine richtige Zeitung. Zweihunderttausend verkaufte Exemplare. Dagegen konnte Das Auge mit seiner Fünfhunderter-Auflage nicht anstinken.

      Ich war die Verhandlungen wie ein Profi angegangen.

      Der Typ am Telefon stellte sich mit Schirmer vor und entpuppte sich als Leiter der Lokalausgabe. Klar, sagte er, Honorar würde es geben, er brauche sechzig Zeilen zu je dreiunddreißig Anschlägen, und zwar bis Montag, und weil ich mich anscheinend auskenne, würde er mir fünfzig Pfennig pro Zeile geben. Das mache dreißig Mäuse für den Artikel, mehr sei nicht drin. Für Anfänger gebe es sonst nur die Hälfte. Er käme mir da schon sehr entgegen.

      »Fünfzig