Trips & Träume. Klaus Fischer

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Название Trips & Träume
Автор произведения Klaus Fischer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862870196



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erstickt, Janis Joplin zu Tode gefixt. Wer verdient am Tod von Rockstars? Die Plattenbosse und die Manager. Und so ein Leben willst du führen?«

      »Vielen Dank für die Belehrung, du Spaßverderber.«

      Mark schien genervt zu sein. Er sprang auf und lief im Zimmer umher, während er zur Replik ansetzte.

      »Kennst du dieses Lied von Ton Steine Scherben? ›Ich will nicht werden, was mein Alter ist‹. Genau so fühle ich mich. Wenn ich nach Hause komme, sitzt da mein Alter und erzählt mir was davon, dass ich was Anständiges lernen soll. Und dass ich, solange ich die Füße unter seinen Tisch stecke, nix zu melden hab. Ich ertrag das alles nicht mehr. Ich muss da raus. Wenn ich Musik mache, die Geld einbringt, komm ich da raus. Auf eigenen Füßen stehen, nicht mehr auf meinen Alten angewiesen sein.«

      Er war noch nicht fertig. »Und das geht nur, wenn ich dorthin gehe, wo die echte Szene ist, wo Plattenlabels sind und Studios, wo es Clubs gibt zum Auftreten. Warum, glaubst du, klopfe ich nur auf Bongos herum? Weil ich einen Alten habe, der mir das Schlagzeugspielen verbieten und mir ein Leben aufzwingen will, so ein kleinbürgerliches Spießerleben, wie er es führt. Weißt du, was das Arschloch gesagt hat?«

      »Keine Ahnung. Verrat’s mir«, antwortete ich.

      »Dass ich so enden würde wie Onkel Rudi«, platzte es aus ihm heraus.

      Er stampfte dabei so heftig mit dem Fuß auf, dass die Nadel des Mister Hit zu hüpfen begann und Embryo ein abruptes Ende fanden.

      Jetzt war ich es, der genervt war. »Wer zum Teufel ist Onkel Rudi?«

      »Er ist der Bruder meiner Mutter.«

      »Und?«

      »Früher war er der Stolz der Familie. Sein Klavierlehrer bescheinigte ihm eine glänzende Zukunft. Aber irgendwie hat er es vergeigt. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war ich zehn Jahre alt. Er trug eine Schuhplattleruniform.«

      »Eine was?«

      »So bayerische Lederhosen, Kniestrümpfe, Trachtenjanker und Tirolerhut. Er haust in einem Wohnwagen und tritt als Alleinunterhalter in Münchener Biergärten auf. Für meinen Alten sind Musiker Versager. Wie Onkel Rudi. Musiker, das ist kein Beruf, sagt er.«

      »Warte mal ab, wenn er dich Schlagzeug spielen sieht. Da kann er nicht mehr dran vorbei, dass du gut bist. Du hast eine natürliche Begabung. Es wäre eine Schande, die einfach brachliegen zu lassen. Okay, die Sprüche von deinem Alten sind ziemlich daneben. Aber deswegen würde ich mich nicht verrückt machen.«

      »Ich habe noch nicht mal ein eigenes Schlagzeug. Ich will mit Dreamlight am Festival teilnehmen. Aber ohne Drumset kann ich das vergessen.«

      Ich rollte mich vom Bett, ging zum Schreibtisch, auf dem die Adler-Schreibmaschine stand, die ich von Karrieremama kürzlich zum Geburtstag bekommen hatte, zog die Zeitung vom Samstag hervor und hielt sie ihm hin. Die Anzeige hatte ich mit einem Kuli markiert:

      Schlagzeug günstig abzugeben. Preis: 300 Mark. Selbstabholung.

      Eine Telefonnummer noch, größer war die Anzeige nicht. Die Vorwahl ließ darauf schließen, dass es in der Nähe von unserem Kaff sein musste.

      »So viel Geld hab ich nicht«, sagte Mark.

      »Ich habe etwas gespart. Du gibst mir das Gekd zurück, wenn du deinen Hit gelandet hast und im Privatjet um die Welt fliegst.«

      »Dann müssen wir uns beeilen, sonst ist das Schlagzeug vielleicht schon verkauft. Übrigens, wie kriegen wir das Ding überhaupt transportiert?«

      »Ich habe da eine Idee«, antwortete ich.

      *

      Mein Plan war verwegen, aber er sollte funktionieren.

      Mark telefonierte vom Wandapparat in unserer Küche aus. In einer Stunde könne er vorbeikommen. Nein, das Schlagzeug sei noch nicht verkauft, ja, es sei vollständig und intakt, etwa zehn Jahre alt, mit zwei Becken und Hi-Hat-Maschine, allerdings kein Markeninstrument.

      Bei dem Preis hatte ich auch nichts anderes erwartet.

      Wir mussten nach Marienfels, einem Dorf rund dreißig Kilometer entfernt, zu erreichen über eine kurvige Landstraße. Mit dem Auto könnten wir die Aktion in einer halben Stunde hinter uns bringen. Aber wer könnte uns fahren? Meine Mutter nahm ihren Kadett immer mit zur Arbeit.

      Ich rief Don an. Ja, sagte er, er würde uns sein Mofa leihen, es müsse nur aufgetankt werden. In zehn Minuten, logo, kommt vorbei.

      Mark schüttelte ungläubig den Kopf. »Bist du des Wahnsinns?«

      »Weißt du was Besseres?«

      Natürlich hatte er keine andere Lösung parat. Seinen Vater konnte er nicht fragen, und auch sonst kannten wir niemanden, der ein Auto besaß. Halt, Andi konnte man fragen, der war einundzwanzig und fuhr einen Käfer. Doch das war völlig ausgeschlossen. Mark hätte nicht mitgemacht.

      Zuerst holten wir meine Kreidler aus der Garage. Mark setzte sich auf sein Fahrrad und hielt sich an meiner Schulter fest. So düsten wir los.

      »Wie soll das gehen? Ihr braucht noch was zum Festbinden«, sagte Don zur Begrüßung. Ja, mein Plan war absurd. Er gab uns eine Wäscheleine mit. Dons Mofa war leer bis zum Tankboden.

      »Hast du einen Kanister?«, fragte Mark.

      Er schwang sich auf den Drahtesel und besorgte den Sprit. Wir füllten Dons Mofa auf, es blieb sogar noch ein Rest für die Kreidler. Eine halbe Stunde später waren wir auf der Landstraße.

      Auf halber Strecke schob sich eine schwarze Wolke über die Felder und Wiesen. Der Himmel verdunkelte sich. Blitze zuckten. Dann ergoss sich ein feiner, aber dichter Regen über das Land. An einer überdachten Bushaltestelle mitten in der Pampa stellten wir uns unter.

      Wir waren völlig durchnässt, doch eine Umkehr kam nicht in Frage. Aufgeweicht und bibbernd vor Kälte erreichten wir Marienfels. Die Adresse war leicht zu finden, das Dorf bestand nur aus drei Straßen.

      Ein Typ Ende dreißig machte uns auf.

      »Du meine Güte!«, rief er erschrocken. Ich weiß nicht, wen oder was er erwartet hatte, zwei langhaarige Freaks aus der Stadt, denen die feuchte Mähne am Gesicht klebte, anscheinend nicht. Er starrte uns an wie einen außerirdischen Besuch, dann stellte er sich als Rolf vor, bat uns herein und gab uns Handtücher.

      Rolf schien schon länger keine Menschenseele mehr gesehen zu haben, denn er redete ohne Unterlass. Dass er früher mal in einer Beatband gespielt habe, dass er bald fortziehen würde, dass seine Mutter vor einem Jahr verstorben und der Vater jetzt im Altersheim sei. Bald werde er den Hof seiner Eltern verkaufen und in die Stadt ziehen.

      »Vielleicht werde ich auch nur vermieten. An so Typen wie euch«, sagte er. Er habe nämlich in der Zeitung gelesen, dass immer mehr junge Leute das Stadtleben satt hätten und aufs Land wollten. Um eine Kommune zu gründen. Das sei doch merkwürdig, oder nicht? Er als Dörfler wolle weg, und die Städter wollten auch weg. Alle wollten irgendwie weg. Dann verriet er uns noch, obwohl uns das alles gar nicht interessierte, dass er bei der Post arbeite. In der Stadt sei viel mehr los, dort gebe es die hübscheren Mädchen. Hahaha! Er klopfte mir auf die Schulter, als hätte ich mit ihm in der Untersekunda Kondome in Luftballons verwandelt.

      Mark und ich saßen am Küchentisch, rubbelten uns die Haare trocken und ließen ihn reden. Als Rolf schließlich seinen Vortrag beendet hatte, hörte auch der Regen auf.

      folgten ihm hinaus in eine baufällig anmutende Scheune. Er öffnete das Tor, und sofort flogen uns gackernde Hühner entgegen. Heu und anderer Dreck waren plötzlich in der Luft und in meinen Augen. Als sich die Aufregung gelegt hatte, sah ich in der hinteren Ecke neben einem Traktor das Schlagzeug stehen. Es war mit einem Tuch abgedeckt, das Rolf in einer übertriebenen Geste entfernte, als handele es sich um eine Denkmalsenthüllung. Es war keine Schönheit, dieses Drumkit, aber – soweit ich das beurteilen konnte – in guter Verfassung. Es war rot und hatte wirklich zwei Becken, aber nur eine Hängetom.

      »Ihr müsst mir versprechen,