Trips & Träume. Klaus Fischer

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Название Trips & Träume
Автор произведения Klaus Fischer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862870196



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Schülerzeitung, deren Herausgeber er war und für die ich mal geschrieben hatte, über die Existenzialisten, versteht sich.

      »Was zum Teufel willst du?«, fragte ich.

      »Ich hab da eine Idee. Von der würd ich dir gern mal erzählen. Aber nicht hier, irgendwann die Tage im Hot Rats. Okay?«

      Ich zuckte mit den Schultern. »Von mir aus.«

      Er tat geheimnisvoll. »Merkst du nicht, was hier vor sich geht? Da ist etwas ganz Großes im Gange. Größer als alles, was du bisher erlebt hast.«

      Von was quatschte der? Aber er war schon wieder weg.

      Das Trio infernal hatte sich um Mark versammelt.

      »Ich mache eine Band auf. Seid ihr dabei?«, fragte er.

      Skip, Gero und Paul starrten ihn an. Dann nickten sie.

      *

      Als ich ins Hot Rats kam, waren sie alle schon da.

      Ich quetschte mich zu ihnen auf die Sitzbank neben dem Podest für den Discjockey.

      »Wir nennen uns Dreamlight.« Mark erwartete meinen Kommentar.

      Ich schaute in die Runde. »Was ist das denn für ein Name?«

      Skip kicherte. »Klingt doch gar nicht schlecht. Da kann man sich alles Mögliche drunter vorstellen. Musik zum Träumen, aber trotzdem aufregend und strahlend wie das Licht.«

      Paul fläzte sich lässig auf der Bank. »Wie wir uns nennen, ist mir schnuppe. Namen sind Schall und Rauch, die kann man ändern. Hauptsache, wir machen endlich Musik.«

      Gero, Goldlöckchen und Schlauberger, kratzte sich am Kopf. »Eine schöne Band sind wir. Wir haben keinen Proberaum, keine Anlage, wir haben nichts. Mark hat noch nicht mal ein Schlagzeug. Einen Sänger haben wir auch nicht.«

      »Guru Guru haben keinen Sänger, Popol Vuh haben keinen Sänger. Tangerine Dream haben auch keinen«, sagte ich. Noch mehr Bands fielen mir auf die Schnelle nicht ein.

      In diesem Moment tauchte Kief auf. Ihm gehörte das Rats. Er zauberte einen Lappen hervor und wischte über den Tisch. »Was wollt ihr trinken, Jungs? Bei mir wird nämlich was verzehrt. Wenn ihr einen Aufenthaltsraum sucht, dann geht zur Bushaltestelle.«

      Mit diesem Spruch hatte er sich, als er den Laden vor einem Jahr übernommen hatte, sofort Respekt verschafft. Er war schon über vierzig. Kantiges Gesicht, dünne Lippen und ein starrer Blick. Man erzählte sich, er sei mal Zuhälter gewesen.

      Er redete weiter, ohne unsere Bestellung abzuwarten. »Mark, ich hab von deiner kleinen Trommeleinlage gehört. Respekt, die soll sensationell gewesen sein. Schade, dass ich das verpasst hab. Du sollst Mani Neumeier die Show gestohlen haben, alle Achtung.«

      »Ganz so wild war es nicht«, antwortete Mark und strahlte wieder wie bei seinem großen Auftritt im Wilhelm-Leuschner-Haus.

      Guru Guru hatten zwei Stunden gerockt. Der Gitarrist, Ax Genrich, ließ die Saiten jaulen, arbeitete mit Wah-Wah-Pedal und Feedback. Uli Trepte, der Bassist, sauste mit den Fingern furios über den Hals seines Instruments. Und Mani Neumeier, ja der, der war halt ein Profi, da kam auch Mark noch nicht ran. Neumeier hatte ein Solo abgeliefert, das Ginger Baker und Keith Moon zur Ehre gereicht hätte. Guru Guru mussten drei Zugaben geben.

      »Und du, Satti, was spielst du?« Kief verstaute grinsend den Lappen in der Gesäßtasche seiner Jeans.

      »Ich werde den Jungs journalistisch zur Seite stehen«, sagte ich.

      »Das klingt so, als hättet ihr das alles richtig durchdacht. Also, ihr angehenden Rockstars, habt ihr schon einen Proberaum?«

      Mark rieb sich die Nase. »Nein, das ist ja das Problem.«

      Kief machte eine gönnerhafte Geste. »Wenn ihr wollt, könnt ihr den Keller unterm Rats haben, der steht leer. Alles dicke Mauern. Da stört ihr niemanden. Aber herrichten, das müsst ihr schon selber machen, und ein bisschen Kohle für Unkosten wie Strom und so müsstet ihr auch abdrücken. Versteht sich doch, oder?«

      »Alter Gauner, hast du heute deinen sozialen Tag?«, fragte ich.

      »Nein, aber Andi hat mir erzählt, dass Marks Schlagzeugeinlage richtig gut war. Und wenn man schon mal so ein Talent unter seinen Gästen hat, sollte man das fördern. Aber wie gesagt, umsonst ist der Tod. Und noch nicht einmal der. Denkt darüber nach. Und jetzt bring ich euch ein Bier.«

      So so, Andi war also von Marks Getrommel beeindruckt, darüber musste ich Genaueres in Erfahrung bringen.

      *

      Das Hot Rats war das Sammelbecken für Freaks, Flippies und Musikverrückte. Von denen gab es in unserem Kaff reichlich.

      Der Laden war immer voll. Außer montags, da war Ruhetag.

      Der Dienstag gehörte den Alt-Hippies. Wir – die Korona – nannten sie so. Zu ihnen gehörten Jule, Hucky und Werner vom Hausboot. Sie waren fünf bis sechs jahre älter als wir und hatten schon gekifft und Trips eingeworfen, als Brian Jones und Janis Joplin noch lebten. Sie fuhren ab auf diesen Westcoast-Sound, auf Gruppen wie Quicksilver Messenger Service, Jefferson Airplane und Grateful Dead. Na ja, ein wenig britischer Rock von Stone the Crows, Family und Traffic durfte es auch sein.

      Donnerstag und Freitag waren für die Progressiv-Rocker reserviert. Dann wurden Platten von Gentle Giant, Yes, Genesis, Colosseum, Renaissance, aber auch The Flock und If rauf und runter gespielt. Samstags gab es die obligatorische Rockdisco. Die Tanzfläche, auf der höchstens zwanzig Leute Platz hatten, quoll über. In erster Linie war sie von Jungs bevölkert, die auf Led Zeppelin und Deep Purple die Matte kreisen ließen. Besonders beliebt waren auch, obwohl schon über ein Jahr alt, »All Right Now« von Free und neuerdings »Locomotive Breath« von Jethro Tull.

      Immer öfter setzte sich auch eine Runde mit Soul Music durch, Sachen von Curtis Mayfield, Stevie Wonder und James Brown. Das war die Stunde der Mädels. Karen tanzte am liebsten zu Edwin Starrs »War« und »Get Ready«, einem Stück der Temptations in der Version von Rare Earth. Und auf The Doors rockte sie ab. Obwohl das nicht gerade viel mit Soul zu tun hatte. Die Truppe um Jim Morrison war aber ihre absolute Lieblingsband.

      Sonntags ging es gemächlicher zu. Kief stieg selbst hinters DJ-Pult und legte Blues auf. Er liebte Muddy Waters und John Lee Hooker, manchmal spielte er was von John Mayall und Alexis Korner. Diese Blues-Songs konnten mich, wenn ich sie allein zu Hause hörte, zum Heulen bringen.

      Der Eingang zum Rats lag fast ebenerdig zur Straße. Zwei Stufen, und schon war man durch die Tür. Gleich rechts stand ein Flipper, an der Stirnseite thronte die Theke, flankiert von einer Reihe Barhocker, die fest im Boden verankert waren. An der Theke vorbei ging es zu den Toiletten.

      Der Laden war nur spärlich ausgeleuchtet. Kleine Lampen über den Tischen verliehen dem Ganzen die Atmosphäre eines Speakeasy zur Zeit der amerikanischen Prohibition. Illegal und gefährlich. Wo man auch hinblickte, überall war Holz, das dringend einer neuen Lackierung bedurfte. Tische, Bänke und die Vertäfelung der Wand verwiesen deutlich auf ihre Vergangenheit als »Western-Saloon«. Vielleicht hatte das mal gut ausgesehen, als der Laden noch Treffpunkt hieß und die Kinks und Small Faces die Heroen waren. Doch der Glanz jener Jahre war verblasst.

      Die Freaks machten sich keine Gedanken darüber, sie liebten es so.

      Den Mittwoch hatte vor drei Monaten Andi übernommen. Kurz zuvor war er in die Einzimmerwohnung über dem Rats gezogen und brachte seine eigenen Platten mit. Andi stand auf Virtuosität. Ein Musiker musste sein Instrument beherrschen, besonders Saxophonisten hatten es ihm angetan, wenn sie ihr Horn ordentlich röhren ließen.

      Sehr zum Missfallen der Alt-Hippies, die den schrägen Tönen eher skeptisch gegenüberstanden. Außerdem hatte der Mittwoch einst ihnen gehört. Doch Kief ließ Andi gewähren. Zumal seine Anhängerschar immer größer wurde und ordentlich Asbach-Cola wegschlürfte. Es waren Gymnasiasten; einige aus meiner alten Klasse, der Oberprima, gehörten auch dazu.

      Zum Beispiel Dixie, der in seiner Makellosigkeit gut als Zwilling von Dorian