Название | Verrat der Intellektuellen |
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Автор произведения | Stephan Reinhardt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941895775 |
Jüngers Verhältnis zu Hitler war lange von Bewunderung geprägt. 1923 hatte er ihm im »Zirkus Krone« zugehört, seither war er für ihn »vielleicht der größte deutsche Redner« und die große politische Hoffnung. Beeindruckt hatte ihn auch, daß Hitler gemeinsam mit Ludendorff am 9. November 1923 einen Putsch gegen die gehaßte Demokratie gewagt hatte. Noch im Oktober 1929 pries er das fehlgeschlagene Unternehmen unter der Überschrift »Reinheit der Mittel« als eine aus »reinstem Metall« geschmiedete Waffe. In Hitler, so begeisterte sich Jünger im September 1925 in der »Standarte«, kündige sich das große »Naturereignis« eines »starken Mannes«, des »geborenen Führers« an: »… in der völkischen Bewegung … taucht aus dem Dunkel die Gestalt des Gefreiten Hitler auf, eine Gestalt, die unzweifelhaft schon wie die Mussolinis die Vorahnung eines ganz neuen Führertypus weckt«.5 Einige Monate nach dieser Eloge ließ Jünger Hitler ein Exemplar seines Essays »Feuer und Blut« mit der Widmung zukommen: »Dem nationalen Führer Adolf Hitler!« Daraufhin bedankte der sich am 27. Mai mit einem Exemplar von »Mein Kampf« und der Bemerkung, daß er alle Schriften Jüngers gelesen habe. Zu einem von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß vage avisierten Treffen in Leipzig kam es jedoch nicht.
Die Übereinstimmung zwischen Jünger und Hitler war – abgesehen vom rassischen Antisemitismus, den der kulturelle Antisemit Jünger für übertrieben hielt und nicht teilte – groß. Sie bestand, so führte Jünger unter der Headline »Nationalismus und Nationalsozialismus« in der von ihm gegründeten Zeitschrift »Arminius« am 27. März 1927 selbst aus, in der nationalen, völkischen und autoritären Idee. Unterschiede gab es nur in der Ausführung, in Strategie und Taktik: »Es besteht jedoch der Unterschied, daß der Nationalsozialismus in seiner Eigenschaft als politische Organisation auf die Gewinnung von tatsächlichen Machtmitteln angewiesen ist, während die Aufgabe des Nationalismus eine andere ist. Auf der einen Seite besteht der Wunsch, eine Idee zu verwirklichen, auf der anderen Seite der, sie möglichst tief und rein zu erfassen. Für den Nationalsozialismus spielt daher die Masse mit Recht eine Rolle, während dem Nationalismus die Zahl ohne Bedeutung ist.«6
Ungetrübt, allenfalls von Rivalität geprägt, blieb Jüngers Verhältnis zu Hitler in den Jahren der Weimarer Republik. Im Gespräch mit Helmut Franke, Jüngers Mitherausgeber des »Arminius«, äußerte Hitler erneut »den dringenden Wunsch«, Jünger endlich kennenzulernen. Und Goebbels, der Jünger davon unterrichtete, fügte in seinem Brief an Jünger vom 10. Mai 1927 hinzu: »Sie können mir glauben, es bereitet mir besondere Freude, daß zum wenigsten einer von denen, die nicht direkt in der NSDAP organisiert sind, sich zu unserem Kampf und unserem Handeln bekennt.«7 Wie sehr, das zeigt auch Jüngers programmatischer Artikel »Der neue Nationalismus«, in dem er am 23./24. Januar 1927 im »Völkischen Beobachter« erneut den Schulterschluß zu den Nationalsozialisten herstellte. Und dabei, eine »straffe Staatsgewalt von schärfster autoritativer Prägung« fordernd und seinem Affekt gegen Meinungs- und Pressefreiheit freien Lauf lassend, hinzufügte: »Wenn diese Gewalt es verhindert, daß jeder Schmierfink die eigene Nation herunterreißen darf, wenn sie also die Pressefreiheit abschafft, so ist das nur begrüßenswert. Daß eine solche Gewalt … die Todfeindin des Parlamentarismus sein muß, ist selbstverständlich.«8 Das ihm seitens der NSDAP sowohl 1927 als auch 1933 angetragene Reichstagsmandat lehnte Jünger ab. Er wollte sich nicht einer Führung unterwerfen, sondern selbst führen. Dem Journalisten Ludwig Alwens gegenüber – der ihm empfahl, der NSDAP beizutreten, um sie und Hitler in seinem Sinne zu benutzen – begründete er sein reserviertes Verhalten am 22. Oktober 1927: »Die Hitler-Angelegenheit liegt so: Unsere Aufgabe … ist es, einen bestimmten Typ, besonders geeignet, die modernen Entscheidungen zu schlagen, … anziehend zu machen … Eine große Apparatur ist vorläufig noch nicht nötig, im Gegenteil scheint es mir, als ob eine etwas exklusivere Haltung nichts schaden könnte … Bei Hitler besteht für uns allerdings eine Gefahr, die in anderen Verbänden weniger scharf ausgesprochen ist: Die Anhängerschaft ist nämlich schon zum Teil nach unserem Prinzip aufgebaut, allerdings aus brüchigerem und schwerfälligerem Material … Daß sie zahlreich sind, spielt nur dort eine Rolle, wo es auf Zahlen ankommt, also in Bezug auf Geld, Propaganda usw. Alles in allem sehen Sie mich also nicht abgeneigt; ein praktischer Modus wird sich auch bei Gelegenheit wahrscheinlich finden.«9 Auf den nichtabgeneigten Jünger ging Hitler schließlich ein drittes Mal zu und ließ ihm im Mai 1929 durch seinen Stellvertreter Heß eine Einladung als Ehrengast des Nürnberger Parteitages vom 1. bis 4. August 1929 zukommen. Jünger nahm die Einladung an, fuhr dann aber doch nicht hin. Möglicherweise, weil eben dorthin auch der von ihm mittlerweile publizistisch attackierte Stahlhelmführer Theodor Duesterberg eingeladen war. Erneut empörte den ideologischen Scharfmacher Jünger der Legalitätskurs der Nationalsozialisten, als am 1. September 1929 vor dem Berliner Reichstag eine Bombe explodierte. Alle Parteien, auch die NSDAP, distanzierten sich von diesem Anschlag. Verübt worden war er von der militanten Landvolkbewegung in Schleswig-Holstein – von Bauern, die ihrer Forderung nach staatlicher Hilfe gegen ausländische Konkurrenz sowie ihrem Protest gegen das »jüdisch-parlamentarische System« mit Sprengstoff Nachdruck verliehen. Jünger, der 1927 von Hannover nach Berlin-Steglitz gezogen war und einen Kreis von Nationalisten um sich geschart hatte, war am Rande mitbetroffen. Die Brüder Ernst und Bruno von Salomon, die zu seinem Kreis gehörten, wurden als Verdächtige verhaftet. Bruno von Salomon hatte als Redakteur der neugegründeten Zeitschrift »Das Landvolk« die sich ausweitende Bewegung unterstützt. Jünger befürchtete,