Eine wie wir. Dana Mele

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Название Eine wie wir
Автор произведения Dana Mele
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783038801214



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Vater. Ich zögere, doch dann gehe ich ran.

      »Hey, Dad.«

      »Wie war das Training, Sportsfreundin?«

      »Das musste ich absagen.«

      »Wieso?«

      »Jemand ist gestorben. Eine Schülerin.«

      »Oh. Eine Mitspielerin von dir?«

      »Nein, jemand anderes.« Ich setze mich aufs Bett und ziehe die Knie an die Brust. Normalerweise telefoniere ich sonntags mit meinen Eltern und es macht mich ein wenig nervös, dass Dad außer der Reihe anruft. Als wolle er wegen irgendwas eine Bombe platzen lassen.

      »Hmm.«

      »Ist alles okay?«, frage ich.

      »Vielleicht solltest du bei der gewohnten Routine bleiben. Dich nicht aus der Bahn werfen lassen. Du weißt schon, um der jüngeren Mädels willen. Um mit gutem Beispiel voranzugehen.«

      Plötzlich dämmert mir, dass er wahrscheinlich schon von Jessicas Tod gehört hat und genau aus diesem Grund anruft. »Es war nicht meine Entscheidung, Dad. Die Schule hat alle sportlichen Aktivitäten abgesagt, solange der Todesfall untersucht wird.«

      »Was?«, höre ich die Stimme meiner Mutter im Hintergrund. Na toll. Ich hätte wissen müssen, dass sie mithört. In Gegenwart meiner Mutter darf man nicht vom Tod sprechen. Ich grabe die Fingernägel in meinen Nacken, um mich für diesen Fehler zu bestrafen.

      »Frag sie wegen Montag.« Ich höre, wie sie sich den Hörer schnappt. »Was ist mit dem Spiel am Montag?«

      Ich rolle mich zu einem Ball zusammen und kneife die Augen zu. »Ist gestrichen. Ich kann absolut nichts dagegen tun. Ich bin auch nicht gerade froh darüber, genau wie ihr. Glaub mir.«

      Mein Vater flucht im Hintergrund.

      »Das ist nicht akzeptabel«, sagt meine Mutter. »Hast du mit Dr. Klein gesprochen?«

      »Nein, Mom. Ich wende mich nicht an die Schulleiterin. Ich kann sie doch nicht einfach anrufen und nach irgendwas verlangen. Sie ist nicht der Kongress.«

      »Du hast es nicht mal versucht? Soll ich es probieren? Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich einfach zurückzulehnen und auf das Beste zu hoffen. Wir müssen weiter an dem Plan festhalten.«

      »Jemand ist gerade gestorben«, sage ich leise. Und mit Absicht. Denn ich muss dieses Gespräch beenden.

      Sie will etwas sagen, aber ihre Worte gehen in einem tiefen Seufzen unter.

      Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ein langes Schweigen entsteht. Dann beginnt meine Mutter wieder zu sprechen, ihre Stimme bebt. »Gibt es sonst noch etwas, worüber du reden willst, Schatz?«

      »Nein«, sage ich und halte den Atem an, bis es sich anfühlt, als würde mein Kopf jeden Moment platzen.

      »Lass uns bald wieder telefonieren«, sagt sie.

      Mein Vater kommt noch einmal ans Telefon. »Zeit für Brainstorming. Ruf die Leute an, schreib Briefe. Was auch immer nötig ist, um dir die Angebote zu sichern. Du hast viel zu hart gearbeitet, um dir jetzt etwas durch die Lappen gehen zu lassen. Du stehst das durch, wie alles andere. Alles klar?«

      »Alles klar.«

      Ich lege auf und stoße Luft mit einem enormen Zischen aus, dann schlage ich auf meine Matratze ein und drücke mein Kissen fest an die Brust. Ich wünschte, Spencer wäre nicht so überaus untreu. Ich wünschte, Justine wäre nicht aufgewacht, dann könnte ich Brie anrufen, um mich abzureagieren. Ich wünschte, meine Eltern würden nur ein Mal den Mund halten und zuhören. Nichts läuft so, wie ich es gern hätte. Ich kann am Montag nicht spielen. Mir sind die Hände gebunden. Zur Hölle mit dir, Jessica Lane.

      Ich setze mich auf und zwinge mich zu einem tiefen, beruhigenden Atemzug. Ich kenne die Todesursache, ich habe die Leiche gesehen und ich weiß, dass ihre Familie und ihre Organisation aus der Umgebung sind. Aufgeschnittene Pulsadern, hoher Druck an der Schule. Wenn die Polizei keinen Selbstmordfall lösen kann, liegt das nur daran, dass die Beamten überfordert sind. Aber das bin ich nicht. Ich habe es schon erlebt. Ich musste hilflos mit ansehen, wie alles um mich herum zusammenbrach, war zu langsam, um es aufzuhalten, bis alles in Trümmern lag. Meine beste Freundin und mein Bruder sind tot, mein Vater war am Boden zerstört, meine Mutter stand kurz davor, ihr Leben ebenfalls wegzuwerfen. Und ich, eingeschlossen in Eis.

      Ich schließe die Finger um mein Handy und stelle es auf stumm, die Stimme meiner Mutter hallt noch in meinem Kopf wider. Ich bringe das in Ordnung. Ich kann das. Bevor auch das nächste Spiel abgesagt wird.

      Ein Ping kündigt eine neue E-Mail an und ich sehe zum Computerbildschirm hinüber. In der Betreffzeile steht »Update Sportstipendium«. Mein Herz beginnt zu rasen. Ich ziehe den Laptop zu mir und öffne die Nachricht.

      Liebe Kay,

      ich bedaure, dir mitteilen zu müssen, dass mir zweifelhafte Handlungen aus deiner Vergangenheit zu Ohren gekommen sind und deine Berechtigung, ein Sportstipendium zu erhalten, auf dem Spiel steht. Mir selbst wird es nicht möglich sein, ein College zu besuchen, deshalb hast du mein aufrichtiges Mitgefühl. Aus diesem Grund wäre ich vielleicht auch bereit, über deine Vergehen hinwegzusehen, aber nur, wenn du einverstanden bist, mir bei der Vollendung meines letzten Projektes zu helfen.

      Klick auf den Link am Ende dieser E-Mail und folge meinen Anweisungen. Nach jeder Aufgabe, die du ausgeführt hast, wird ein Name aus der Liste verschwinden. Solltest du bei einer der Aufgaben innerhalb von vierundzwanzig Stunden versagen, wird ein Link dieser Website zusammen mit einem Beweis deines Verbrechens an deine Eltern, die Polizei und jede Schülerin der Bates Academy geschickt.

      Solltest du es schaffen, wird niemand je erfahren, was du getan hast.

      Ganz herzlich

      deine Jessica Lane

       PS: Auch auf die Gefahr hin, dass es klischeehaft klingt, Kay: Es wäre nicht gerade gut für dich, wenn du mit der Polizei sprichst. Das war es nie, stimmt’s?

      Die E-Mail wurde von Jessicas Bates-Account verschickt. Für einen Moment schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass sie noch am Leben ist, und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Vielleicht ist das alles nur ein gewaltiger, surrealer Irrtum. Was natürlich auch bedeuten würde, dass wir ein blutendes Opfer allein im See gelassen haben. Es wäre ein Wunder, aber wir wären wahrscheinlich des versuchten Mordes schuldig oder etwas in der Art. Oh Gott, ich bin erledigt. Dann beruhige ich mich wieder. Ich weiß ganz sicher, dass sie tot ist.

      Es ist möglich, dass eine andere Person die E-Mail von ihrem Account gesendet hat. Aber der Gedanke ist so grotesk, dass ich mir das kaum vorstellen kann. Sie muss die Nachricht vor ihrem Tod geschrieben und zeitlich so geplant haben, dass sie erst jetzt bei mir angekommen ist. Anhand der Formulierung sieht es so aus, als hätte sie gewusst, dass sie sterben würde. Ihr letztes Projekt. Kein Collegebesuch. Vielleicht interpretiere ich aber auch nur zu viel hinein. Irgendwann steht immer ein letztes Projekt bevor und es gibt eine Menge Gründe, nicht aufs College zu gehen.

      Diese E-Mail könnte die Cops davon überzeugen, dass sie doch nicht ermordet wurde. Ich könnte sie der Polizei weiterleiten und die Ermittlungen damit womöglich sofort beenden.

      Aber der Nachtrag jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken.

      Am Ende der Seite steht der Link jessicalanefinalproject.com. Ich klicke darauf.

      Der Bildschirm wird für eine Weile schwarz, dann erscheint die Abbildung einer rustikalen Landhausküche mit gusseisernem Backofen. Langsam tauchen Buchstaben auf der Scheibe des Ofens auf, bis der Name der Website glasklar vor mir steht:

       Rache ist süß: Eine köstliche Anleitung

      zum Beseitigen von Feinden.

      3

      Ich klicke hektisch auf den Link, aber die Seite ist mit