Die letzte Blüte Roms. Peter Heather

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Название Die letzte Blüte Roms
Автор произведения Peter Heather
Жанр История
Серия
Издательство История
Год выпуска 0
isbn 9783534746620



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musste er seinen Thron gegen seine Widersacher innerhalb des konstantinopolitanischen Establishments verteidigen – allen voran seine Schwiegermutter, Leos Witwe Verina –, aber auch gegen mehrere Goten und sogar rivalisierende isaurische Kriegsherren wie Illus, der Longinus zehn Jahre lang als Geisel hielt. Zenon selbst verbrachte während der Usurpation von Basiliscus, Verinas Bruder, Mitte der 470er-Jahre achtzehn Monate im Exil in Isaurien; dort hob er eine Armee aus, mit der er am Ende Konstantinopel wieder einnahm. Gegen einen anderen Usurpator, den Feldherrn Leontius, der sowohl von Verina als auch von Illus unterstützt wurde, führte er vier Jahre lang Krieg.

      Zenons Herrschaft war geprägt von Exil wie auch von Krieg, Intrigen und Attentaten – alle diese mal mehr, mal weniger erfolgreich. Der springende Punkt ist, was die jetzt anstehende Thronfolge anbelangt: Die Isaurer würden niemals einfach so klein beigeben, nur weil Ariadne und ihre Spießgesellen am Morgen nach Zenons Tod die Menschenmenge im Hippodrom dazu brachten, nach ihrer Pfeife zu tanzen.5

      Binnen eines Jahres trennte das neue Regime Zenons Bruder Longinus von seiner Familie und schickte ihn in die Verbannung in ein ägyptisches Kloster; die übrigen Angehörigen wurden gezwungen, nach Bithynien am Schwarzen Meer überzusiedeln. Aber der andere Longinus, Zenons ehemaliger magister officiorum, war nach wie vor auf freiem Fuß, und Zenons Schergen ließen sich nicht ohne Weiteres aus den inner circles der Macht entfernen.

      492 erhob sich ein Großteil der Isaurer innerhalb des Militärapparats gegen den neuen Kaiser. Rädelsführer waren ein gewisser Konon, der früher der Bischof von Apameia gewesen war, und der damalige Statthalter von Isaurien, Lilingis. Es war eine gefährliche Situation, aber das Regime hatte in den östlichen und den Praesentalis-Feldarmeen ausreichend loyale Truppen zur Verfügung, um die Rebellen in der Schlacht bei Kotiaion (dem heutigen Kütahya) besiegen zu können. Lilingis fiel in dieser Schlacht. Der Versuch, mit Gewalt einen neuen Kaiser zu installieren, war nun passé, und die überlebenden Rebellen flohen zurück in die Berge, wo sie im verbliebenen Jahrzehnt immer wieder für Unruhe sorgten. Nach und nach wurden die Anführer der Rebellen aber zur Strecke gebracht. Konon wurde 493 getötet, vier Jahre später wurde Longinus gefasst; seinen Kopf steckten die Häscher auf eine Stange und schickten ihn nach Konstantinopel, wo er mit großem Jubel empfangen wurde. Zwei weitere Rebellenführer, die noch auf freiem Fuß waren (darunter schon wieder ein Longinus), gingen den Truppen des Kaisers schließlich im Jahr 498 ins Netz. Sie brachte man nun lebendig nach Konstantinopel und führte sie durch die Straßen, um sie der Lächerlichkeit preiszugeben; den dritten Longinus schickte man dann nach Nicäa, folterte ihn und richtete ihn hin. Erst jetzt war der Isaureraufstand endgültig niedergeschlagen.6

      Dass Anastasios’ Regime gleich zu Beginn eine solche Krise meisterte, war keine geringe Leistung. Eine ganze politische Generation einflussreicher Isaurer, die dafür gesorgt hatten, dass im Herzen des Imperiums das Mächtegleichgewicht aus den Fugen geriet, war ausgerottet. Man darf durchaus behaupten, dass Anastasios’ weitere Herrschaft durch sorgfältige und – zumindest für spätantike Verhältnisse – relativ effiziente administrative Kompetenz gekennzeichnet war. Unter anderem gab es eine Steuerreform, im Rahmen derer ein Großteil der bisherigen Sach- in Barzahlungen umgewandelt wurden, was es erheblich erleichterte, Steuern zu erheben und zu verteilen (wenn auch nicht unbedingt zu bezahlen). Die Quellen urteilen durchweg positiv darüber, wie Anastasios das Imperium regierte.7 In einem ganz zentralen Punkt hatte er allerdings überhaupt kein glückliches Händchen: bei der Thronfolge.

      Anastasios war sechzig Jahre alt, als er den Thron bestieg, und die Kaiserin, Zenons Witwe, ungefähr vierzig, also hätten sie vielleicht gerade noch einen Thronfolger hervorbringen können, doch das taten sie nicht (ob gezielt oder ob es einfach nicht gelang, wissen wir nicht, aber ich vermute Ersteres). Dass Anastasios keinen eigenen Erben hatte, hinderte ihn jedoch nicht daran, enge Familienangehörige auf prominente Positionen zu setzen. Er hatte drei Neffen, Kinder seiner zwei Schwestern: Pompeius, Probus und Hypatius, der sein Favorit war. Pompeius erhielt das Konsulat für das Jahr 501 und später, gegen Ende von Anastasios’ Herrschaft, ein wichtiges Militärkommando (wahrscheinlich als Oberbefehlshaber der thrakischen Feldarmee). Probus war 502 Konsul, doch das blieb bis zur Herrschaft Justins sein einziger hoher Posten. Hypatius hingegen war bereits während des Isaureraufstands ein bedeutender Militärkommandant, und er war der erste Neffe des Kaisers, der ein Konsulat erhielt (500); in den ersten zwei Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts erhielt er diverse hochrangige Feldherrnposten: 503 und noch einmal zehn Jahre später war er magister militum praesentalis, dazwischen Oberbefehlshaber der thrakischen und der östlichen Feldarmee.

      Zweifellos war er bei seinem Onkel besonders wohlgelitten, und zweifellos sah sich Hypatius selbst als rechtmäßigen Thronfolger – dieser Ehrgeiz sollte noch ganz deutlich zutage treten, später, Anfang der 530er-Jahre. Doch Anastasios unternahm keinerlei Schritte, seinem Lieblingsneffen die Thronfolge zu sichern. Der Kontrast zu Justin, der in den 520er-Jahren Justinian allmählich zu seinem Nachfolger aufbaute (525 war Justinian Caesar, 527 Augustus), ist deutlich. Anastasios’ Verhalten wird normalerweise – und korrekterweise, wie ich finde – so interpretiert, dass ihm das nötige politische Kapital fehlte, um einen solchen Schritt zu wagen, ohne dass er auf erbitterten Widerstand seitens der anderen Interessenten an seinem Hof gestoßen wäre.8 Sein Verhalten spiegelte teilweise die Art und Weise wider, wie er selbst auf den Thron gekommen war, wie auch die vielen unschönen Vorfälle während seiner Regierungszeit.

      Als Kandidat für den Thron war Anastasios von vornherein ein Kompromiss gewesen. Ein sechzigjähriger Beamter bei Hofe ohne Kinder und mit wenig Zeit, noch welche zu zeugen: Der Grund, weshalb sich alle auf so einen Kandidaten einigten, lag wohl in erster Linie darin, dass man Longinus auf dem Thron verhindern wollte. Wie bereits erwähnt, starb Anastasios erst mit 87 Jahren und übertraf damit bei Weitem die damalige Lebenserwartung. Genau wie heute, wenn ein hochbetagter Kardinal zum Papst gewählt wird, gingen Anastasios’ Hintermänner im Jahr 491 wahrscheinlich davon aus, dass er es ohnehin nicht mehr allzu lange machen würde – eine kurzfristige Lösung für das Isaurer-Problem, weniger riskant, als wenn man eine Dynastie auf den Thron setzte, die den kaiserlichen Purpur auf lange Sicht nicht mehr aus den Händen geben würde (wie geschehen im Falle der Theodosianischen Dynastie, die Ende des 4. bis Mitte des 5. Jahrhunderts regiert hatte). Dass Anastasios so lange an der Macht blieb, viel länger, als irgendjemand hätte erwarten können, brachte es mit sich, dass er die Zügel der Macht im Laufe der vielen Jahre immer fester in Händen hielt. Doch es waren unruhige Zeiten – auch nach der Niederschlagung des Isaureraufstands kämpfte Anastasios den größten Teil seiner Herrschaft buchstäblich ums Überleben. Das Reich stand unter Druck, und zwar gleich aus zwei verschiedenen Richtungen.

      Sein erstes Problem nach einer kurzen Ruhepause nach dem Aufstand in Isaurien war der erneute Krieg mit Persien im zweiten Jahrzehnt seiner Regierung. Der Aufstieg Persiens zur Supermacht Mitte des 3. Jahrhunderts hatte den Kontext, in dem das Römische Reich strategisch operierte, grundlegend verändert und dafür gesorgt, dass sich die politisch-administrativen Strukturen des Imperiums grundlegend veränderten (siehe Kapitel 2). Dank des Truppenausbaus (und der dazu nötigen Steuerreform) hatten sich die Katastrophen des 3. Jahrhunderts ab den 290er-Jahren nicht mehr in nennenswerter Weise wiederholt, obwohl es bis in die 370er-Jahre hinein immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Imperien kam. An diesem Punkt allerdings änderte sich das Muster: Hatten die zwei Großmächte bislang keine Gelegenheit ausgelassen, ihrem Erzrivalen Ärger zu bereiten, versuchten nun beide, die Auswirkungen ihrer Konflikte möglichst gering zu halten, auch wenn es solche Konflikte natürlich immer noch gab. Zum Beispiel im Jahr 456, als sich der römische Klientelkönig von Lasika am östlichen Ende des Schwarzen Meers immer mehr von Konstantinopel bevormundet fühlte und die Perser um Hilfe bat, um sich größere Unabhängigkeit zu verschaffen. Doch die Perser nutzten diese Chance, den Römern zu schaden, nicht, und so musste der König von Lasika seine Krone an seinen Sohn übergeben und selbst nach Konstantinopel gehen, um sich zu erklären. Ein so kooperatives Agieren zwischen den beiden Imperien bei einer möglichen Streitfrage war im 5. Jahrhundert absolut die Regel.9

      Man sollte an dieser Stelle allerdings darauf hinweisen, dass diese lange kooperative Phase mitnichten ganz freiwilliger Natur war, sondern den notorisch verfeindeten