Die letzte Blüte Roms. Peter Heather

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Название Die letzte Blüte Roms
Автор произведения Peter Heather
Жанр История
Серия
Издательство История
Год выпуска 0
isbn 9783534746620



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zu werden, musste ein Kandidat über ausreichende Unterstützung verfügen, musste also die wichtigsten Männer im Reich – senatorische Großgrundbesitzer, leitende Verwaltungsbeamte, Hofbedienstete und hochrangige Offiziere – hinter sich scharen. Der adoptierte Chosrau hätte bei keiner dieser Gruppen einen Stein im Brett gehabt und hätte sich insofern genauso wenig Hoffnung auf den Thron von Konstantinopel machen können, wie Theodosius II. nach der Adoption durch Yazdegerd (falls sie wirklich stattgefunden hat) einen Anspruch auf den persischen Thron gehabt hätte.

      Doch auf der Grundlage dieses fadenscheinigen juristischen Vorwands bot Justin, statt dem Wunsch der Perser in vollem Umfang nachzukommen, den Persern an, Chosrau als Schwiegersohn anzunehmen – diese Praxis wurde inzwischen oft von den Herrschern der westlichen Nachfolgestaaten Roms und anderen sogenannten Barbaren angewendet. Dieses Gegenangebot wurde den Persern im Rahmen eines formellen Gipfeltreffens am Tigris direkt an der Grenze übermittelt. Anastasios’ Neffe Hypatius, damals noch magister militum für den Osten, führte die römische Delegation an, und sogar der persische Königssohn Chosrau war persönlich anwesend. Prokop beschreibt die Reaktion auf den neuen Vorschlag:

      Chosrau ging und begab sich zu seinem Vater. Er hatte nichts erreicht, und was geschehen war, hatte ihn tief verletzt. Und er betete, dass er für diese Beleidigung Rache nehmen könnte.34

      Meines Erachtens kann man aus dieser Episode nur eine sinnvolle Schlussfolgerung ziehen: Justins Regime wollte die Perser bewusst provozieren. Kavadhs Annäherung auf der Grundlage einer solchen juristischen Absurdität abzulehnen und dann bei einem offiziellen Gipfeltreffen, an dem der Sohn des Königs persönlich teilnahm, eine dermaßen erniedrigende Alternative zu verkünden, war ein regelrechter Affront. Die Perser reichten Rom die Hand, doch statt sie zu ergreifen, entschied sich Justin dafür, das Perserreich zu destabilisieren, indem er Chosrau seinen formellen Segen verweigerte. Damit setzte Justins Regime die neue, aggressivere Haltung gegenüber Persien fort, die es bereits im Fall von Lasika an den Tag gelegt hatte, nur eben in einem viel größeren Ausmaß.35

      Dass die Ereignisse auf diesen Weise korrekt interpretiert sind, bestätigt ein dritter Vorfall. Ungefähr zur selben Zeit, als Kavadh seine Bitte um Adoption seines Sohnes übermittelte, traf eine Nachricht von Gurgenes, dem König von Iberien in Transkaukasien, in Konstantinopel ein. Während Lasika immer mal dem einen, mal dem anderen Reich die Treue schwor, gehörte Iberiens Loyalität seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert ununterbrochen Persien. In den 520er-Jahren drängte Kavadh die christlichen Iberer jedoch, zum Zoroastrismus überzutreten. Doch seine kulturimperialistischen Bestrebungen schlugen fehl. Ermutigt durch die enthusiastische Reaktion, die der Nachbarstaat Lasika aus Konstantinopel erfahren hatte, bat Gurgenes Justin nun seinerseits um Unterstützung. In der Praxis war Iberien zu weit vom Schwarzen Meer entfernt, als dass der Kaiser dort direkten militärischen Beistand leisten konnte, doch er ermutigte die Iberer dennoch, sich gegen die Perser zu erheben, und gewährte ihnen immerhin indirekte Unterstützung, in Form einer Intervention durch Nomaden aus der Region nördlich des Kaukasus. Leider zeigte deren Angriff gegen die Perser nur wenig Wirkung, und Gurgenes wurde aus seinem Königreich vertrieben. Letztlich war Justins Weigerung, Chosrau zu adoptieren, nur eines von vielen Details, die von einer kompletten Kehrtwende in der römischen Außenpolitik zeugen. Die Maxime Konstantinopels im Umgang mit seinem mächtigen Nachbarn lautete nun nicht mehr Kooperation, sondern Konfrontation.36

      Diese zweite Hundertachtziggradwende unter Justin hatte möglicherweise auch eine innenpolitische Dimension. Prokop neigt dazu, die einzelnen Themen getrennt abzuhandeln, doch eigentlich hatte das Gipfeltreffen am Tigris dazu dienen sollen, mit Persien ein umfassendes Friedensabkommen zu schließen, das den Transkaukasus – Lasika und Iberien – umfasste und eine mögliche Adoption beinhaltete. Insgesamt deuten die verfügbaren Quellen (wie Prokops Erzählung von Proculus’ dramatischer Intervention) darauf hin, dass das Kaiserhaus Kavadhs Bitte anfänglich durchaus positiv begegnete, bevor es sich für einen härtere Gangart entschied. Die Frage ist: Wann genau vollzog das Regime diese Kehrtwende?

      Die Tatsache, dass Chosrau persönlich am Gipfeltreffen am Tigris teilnahm, ist ein starker Indikator dafür, dass er von einer positiven Reaktion der Römer ausging. Dies deuten auch diverse Kommentare in unseren Quellen an: Man habe Hypatius, dem ranghöchsten römischen Vertreter beim Gipfeltreffen, später vorgeworfen, sich mit Chosrau gegen Justin verschworen zu haben. Die Beweislage lässt keine absolut sichere Schlussfolgerung zu, aber es sieht ganz so aus, als habe Hypatius, Justins Oberbefehlshaber im Osten, einen umfassenden Friedensvertrag ausgehandelt, der unter anderem Chosraus Adoption beinhaltete, sei dann aber in letzter Minute von den Hardlinern in der Hauptstadt ausgebremst worden. Falls das stimmt, haben wir hier ein weiteres Beispiel dafür, wie Justins Regime politische Initiativen als Mittel zum Zweck einsetzte, um seine politischen Rivalen in Konstantinopel zu isolieren und auszutricksen.37

      Zu dieser Zeit, Mitte der 520er-Jahre, erreichte Justins Dominanz in den politischen Ränkespielen bei Hofe ihren Höhepunkt. Im Jahr 525 erhob Justin, während noch darüber diskutiert wurde, wie man auf Kavadhs Adoptionsbitte reagieren sollte, Justinian formell in den Rang eines Caesars. Dies signalisierte nicht nur, dass sich der Kaiser Justinian als Thronfolger wünschte – was hinter den Kulissen, wie ich vermute, längst klar war –, sondern dass sich Justin in politischer Hinsicht sicher genug fühlte, um dieses Arrangement offiziell zu machen, allen alternativen Präferenzen der anderen Parteien zum Trotz. Wenn wir Prokop Glauben schenken wollen, so zog Justinian während Justins Regentschaft ohnehin die ganze Zeit über die Strippen, und sein Onkel war kaum mehr als ein Strohmann.38 In Justins letzten Jahren im Amt mag das durchaus der Fall gewesen sein, aber letztlich war Justinians Prominenz das Ergebnis eines langen und komplizierten politischen Prozesses, den sein Onkel ganz aktiv gestaltet hatte, um zunächst selbst an die Macht zu kommen und später dann seinem Neffen die Thronfolge zu sichern.

      Es hatte unterwegs viele Stolpersteine gegeben, für Justin selbst, noch unter Anastasios, und für andere unter ihm, die nicht wollten, dass Justinian das Zepter des Kaisers in die Hände fiel. Anastasios’ Unterstützer mussten ausgerottet, Vitalian eliminiert und Hypatius ausgetrickst werden. Wir sollten auch nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, dass sich Onkel und Neffe über die Sache mit Theodora und die marodierende Zirkuspartei beinahe zerstritten hätten, so wie es damals bei Konstantin unruhig geworden war, als jener beschloss, Crispus aus der Thronfolge zu eliminieren.

      Nun, selbst wenn wir nicht alle Details rekonstruieren können, sticht doch ein Punkt ganz deutlich hervor: Weder Justin noch Justinian sträubten sich gegen Julians »purpurnen Tod«. Beide hatten aktiv nach Macht gestrebt und bestimmte politische Entscheidungen zumindest teilweise zu dem Zweck getroffen, sich diese Macht zu sichern. Infolgedessen erbte Justinian im August 527 von seinem Onkel nicht nur den Kaiserthron, sondern zugleich eine Reihe bereits gefällter Entscheidungen, die die Anfangsjahre seiner Regierung entscheidend prägen sollten.

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