Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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einem glänzenden Cirkel hervor, prächtig geschmückt, dem Ankömmling entgegen. Es war Alles wie damals, und er empfand auch die Blödigkeit, welche sich immer zwischen ihm und Mathildens hohe Schönheit gestellt hatte. Seine holde Freundinn bot ihm gütig die Hand, und stellte ihn einer Menge von unbekannten Personen vor. Das Leben oder vielmehr der Tod der großen Welt griff wieder nach ihm in mannigfachen Gestaltungen; je fremder ihm dergleichen seit einiger Zeit geworden war, je gewaltiger und feindseeliger drang es auf ihn ein: dazu kam jene schwächliche Gutmüthigkeit, vor deren Einreden er nie zu einem keck abstoßenden Betragen gelangen konnte; – er befand sich gleichsam in einem fortgesetzt drückenden Rausche. Mathildens schöne Gestalt erschien ihm nur hin und her wie durch einen Nebel, wie eine ganz ferne Verheissung, daß diese ganze Wirthschaft sich doch einmal verlaufen müsse, und er dann mit seinem himmlischen Idol allein bleiben werde. Jedoch glaubte er kaum selbst recht aufrichtig daran, um so weniger, da Mathilde ihm keinen Wink gab, kein Mittel zum Bleiben offenbarte, indem Alles nach und nach aus einander ging, so daß er selbst, zwar der Letzte beinah, im halben Taumel Abschied nahm, und dem großen Portal zuwankte.

      Es zupfte an seinem Kleide: ein freundlicher Page sagte: Gräfin Mathilde wünscht Euch noch allein zu sprechen, und erwartet Euch in ihrem Kabinet, oben gleich links die erste Thür.

      O, wie flog der Glückliche die Steigen hinan! Die letzten Worte des Pagen hatte er nur undeutlich gehört, aber aus dem halboffnen Zimmer wallte süßer Blumenduft ihm entgegen, mit zwei Schritten stand er in einem kleinen, verschwiegnen Gemach, von mildem Lampenschimmer erhellt. Mathilde umfaßte ihn traulich, und sagte: unartiger Stürmer, bist Du nun zufrieden? Ich habe Dir's wohl angemerkt, wie ärgerlich Du in der Gesellschaft warst.

      Er schmiegte sein Haupt an ihre Brust, während sie mit seinen Locken tändelte, und ihm voll tiefer Rührung Stirn und Schläfen küßte. Sie erhob sich aber bald, und zog auch ihn neben sich auf das Sopha, indem sie einige lustige Worte fallen ließ, wie es schien absichtlich, um den ernsten Geist in sich zurück zu bannen, welcher eben seine gewaltigen Fittige durch das zierliche Gemach ausdehnen wollte. Alwin befand sich, vermöge seiner Lenkbarkeit, bald in den Ton gestimmt, welchen sie angegeben hatte, und sie fragte ihn, seit wann er angekommen sei, und vorzüglich, wie er sich aus dem Klostergebäu losgemacht habe, und wie gegenwärtig dort Alles stehe?

      Du achtest so wenig auf meine Bitte, antwortete Alwin, in seine wehmüthige Stimmung zurückfallend. Ich hatte Dich doch gebeten, keine Fragen zu thun, nur die reichen Liebeswonnen von Deinen Lippen strömen zu lassen.

      Wo hast Du denn das gethan? fragte sie ihn ganz fremd.

      In dem Sonett, erwiederte er, welches ich Dir voraussandte.

      Ja so, sagte sie, und besann sich einen Augenblick lang. Dann fuhr sie fort: lieber Alwin, ich kann mich auf keine Weise verstellen, und muß Dir bekennen, alle Formen, die mich an jenen Kreis erinnern, und an das Furchtbare, welches mich darin bedrohte, sind mir so zuwider geworden, daß ich auch Dein Sonett, eben weil es ein Sonett war, nur flüchtig überlas, und deshalb sehr leicht etwas darin unbemerkt lassen konnte. Du warst da, das gnügte mir. Sonette, Dezimen, Canzonen, und all ihre Verwandten kann ich fortan nie mit reiner Freude betrachten.

      O, meine liebsten Spiele! seufzte Alwin.

      Du hast doch wohl am wenigsten Ursach, antwortete sie, Dich an jenen Erinnerungen fest zu halten. Dein Widerwille, mir zu erzählen, wie Du geschieden bist, beweist mir, daß es dabei nicht versöhnend zugegangen sei, und früher brauchst Du wohl nur jenes sogenannten Traumes zu gedenken, um einen Abscheu gegen Florismarte zu empfinden, und gegen Alles, was ihm angehört.

      Von Herzen, sagte Alwin, aber was können die lieblichen Sylbenmaaße dafür, welche wir dort erlernten? Die gehören ihm nicht an; sie sind Genien, die unsre freundlichsten Gedanken an Gold- und Purpurfäden in seelige Lande führen.

      Du bist wie Raimund, sagte Mathilde lachend, der auch nicht von jenen Tändeleien lassen wollte, und deshalb beinah in halben Unfrieden von mir gegangen ist.

      Ich finde ihn nicht hier? rief Alwin schmerzlich bewegt. O mein lieber, lieber Meister!

      Aber Mathildens Küsse verschlossen den Mund des Klagenden.

       Inhaltsverzeichnis

      Viele Tage hintereinander gingen und kamen, einer wie der andre, obgleich jedweder ein neues Kleid anzunehmen bemüht schien. Aber es waren beständig ermüdende Gastereien; selten zwischendurch ein Sonnenblick der Liebe. Wenn Alwin, von Wein und Gesellschaft belebt, einmal freudige, begeisterte Worte sprach, blickte man sich einander zweifelnd, halbspöttisch an; vor Allen Mathilden's Anverwandte, welche sich mit dem neuen Ankömmling überhaupt unzufrieden zeigten, und was er sagen wollte gern durchaus unterdrückten, oder es doch baldmöglichst verwandelt und verstellt in ihren eignen Kreis herüberzogen. Mathilde war deshalb mit ihrem Freund unzufrieden. Ich kenne Dein feuriges, hochstrebendes Gemüth, pflegte sie bei solchen Gelegenheiten zu sagen, ich weiß, daß Du wie ein allzuergiebiges Erdreich das Gold aus Deinen Tiefen unangeschlagen zu Tage förderst, aber bedenke nur, daß die auf der Oberfläche wohnen, keine Chemiker sind, und Dein edles Metall als nutzlosen Flitter verachten.

      Laß sie doch achten, oder verachten, wie es ihnen gefällig ist, erwiederte Alwin eines Abends auf ähnliche Vorstellungen. Wir können doch nicht ewig in ihrem Kreise leben. Mich zieht's mit zaubrischer Gewalt nach Deinem Schloß hinaus, in die hohen, altväterlichen Gemächer, unter die Schatten des Thiergartens hin. Dort laß uns leben und lieben, meine süße Freundin, dort erst alle Freudenbecher der Welt genießen.

      Dein Blick ist getrübt lieber Alwin, sagte Mathilde. Das Leben der andern Menschen kommt Dir fratzenartig vor, wenn irgend etwas darin gegen Deine Lieder und Mährchen anstößt, und Du wunderst Dich doch über keinen Baum, der seinen graden Wuchs in einen häßlichen verstellt hat.

      Ich rotte ihn aber aus, oder verbrenne ihn, antwortete Alwin mit gezwungner Kaltblütigkeit, und das würde man mir bei Menschen nicht gut aufnehmen.

      Du bist hypochondrisch, fuhr Mathilde fort. Die Leute sind fürwahr Alle recht gut, und ertragen auch uns mit unsern Schwächen. Eine Liebe ist der andern werth.

      Das nennst Du Liebe, sagte Alwin. Diesen erbärmlichen Tauschhandel, wie einmal Adalbert etwas Aehnliches nannte! Kennst Du denn die Göttlichen nicht mehr, welche uns einander im Pyrenäenthale zuführte, daß Du ihren Namen so schmählich entweihen kannst! Liebe, dies einige, durchdringende Gefühl unsers Lebens, nein dies einige Leben selbst, und jenes erbärmliche Ertragen von Erbärmlichkeiten.

      Wir misverstehen uns jetzt öfters, sagte Mathilde, und es bedarf eines klaren Aussprechens unsrer Gefühle.

      Du sprichst so ruhig Mathilde, seufzte Alwin, indem er sich bleich und zitternd ihr gegenüber setzte.

      Ich finde meine liebste Freude in der großen Welt, fuhr Mathilde fort, und würde es für Falschheit halten, Dich fortan darüber im Irrthum zu lassen, so wie es eigne Thorheit war, vermöge deren ich selbst mich lange darüber betrogen habe. Es mag Gemüther geben, die Walddunkel, Einsamkeit, stilles wiederhohltes Leben, so wie die Sterne auf und untergehn, Thalgesang von uns allein vernommen, Gemüther, sage ich, die dergleichen über Alles lieben; ich gehöre nicht zu dieser Art. Wenn so etwas auch bisweilen recht behaglich an mir vorüber zieht, bleibt es doch niemals mein rechter Ernst, mein bleibendes, beseeligendes Gefühl. Ich bedarf der lichten Kreise, die sich hier regenbogenfarbig um meine Schönheit ziehn; in Braunschweig trafst Du mich zuerst in meinem wahren Dasein an, hier triffst Du mich in dessen Mitte wieder. Denke nicht an das vergebliche Streben, mich meinem Glück zu entführen.

      Unsre Liebe ist also nicht mehr Dein Glück? fragte Alwin sehr betrübt.

      Ja doch, Du seltsames, unartiges Kind, antwortete Mathilde lachend, aber nicht mein einziges, mein ausschließliches. Als ob ich auf Deine Zither eifersüchtig sein wollte!

      Meiner Zither, sagte Alwin, erzähle ich nur immer von Dir.

      Und