Название | Nur ein kleiner Verdacht |
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Автор произведения | Sabine Howe |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783949298011 |
„Ja, so ähnlich.“
„Wer ist es denn?“
„Kennst du sowieso nicht.“
„Und wo liegt das Problem? Vielleicht kann dir dein alter Herr ja mit einem Rat helfen. Immerhin habe ich ein paar Jährchen mehr Lebenserfahrung auf dem Buckel als du.“
„Danke, Papa, aber ich glaube nicht, dass du mir da weiterhelfen kannst. Obwohl …“ Einen Moment lang hörte Karl nur das Rauschen in der Leitung.
„Du, Papa, darf ich dir mal eine Frage stellen?“
„Ja, natürlich.“
„Es ist aber etwas Privates.“
„Nur zu.“
„Unter welchen Umständen hättest du die Mama betrogen?“
Karl schluckte.
„Was ist das denn für eine Frage?“
„Ich kann es auch anders formulieren. Wenn du die Mama mit einer anderen betrogen hättest, wäre es dann deshalb gewesen, weil du sie nicht mehr geliebt hättest? Oder hättest du es zu deinem reinen Vergnügen getan?“
Karl überlegte einen Moment.
„Ich hätte es wahrscheinlich zu meinem reinen Vergnügen getan.“
„Und hätte es trotzdem passieren können, dass du dich in eine andere verliebt und die Mama und uns verlassen hättest?“
„Kann ich mir nicht vorstellen. Wieso?“
„Nur so.“
„Nee, mein Schatz, so kommst du mir nicht davon. Wieso willst du das wissen?“
„Kannst du dir das nicht denken?“
„Keine Ahnung.“
„Komm, Papa, jetzt stell dich doch nicht so dumm an.“
„Jetzt hör mir mal gut zu, Susanne – es gibt bestimmte Dinge, die gehen nur deine Mutter und mich etwas an.“
„Papa!“ Susannes Stimme unterbrach seinen Vortrag.
„Ich habe ein Verhältnis mit einem Mann, der verheiratet ist.“
Mein Gott. In Gedanken schlug er sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
„Herrje, sag das doch gleich!“
„Diesmal ist es der Richtige, Papa. Ich weiß es.“
„Ach, und woher weißt du das so genau?“
„Alles passt. Er ist erfolgreich, sieht großartig aus und ist sehr großzügig. Außerdem …“
„… ist er verheiratet. Das ist allerdings ein Handicap.“
„Aber warum betrügt ein Mann seine Frau? Doch nur, wenn er sich von ihr nicht mehr geliebt fühlt.“
„Oder weil er ein bisschen Spaß braucht. Vielleicht wächst ihm die Sache zuhause über den Kopf. Zwei kleine Kinder, die ständig schreien, eine Frau, die keine Zeit mehr hat, sich um ihn zu kümmern, Schulden auf dem Haus, ein Chef, der mehr Einsatz verlangt. Was macht er überhaupt beruflich?“
„Er ist Coach.“
„Aha. Und in welcher Sportart?“
„Nicht im Sport. Im Management.“
„Wer braucht denn so etwas?“
„Manager zum Beispiel. Er berät Führungskräfte oder solche, die es werden wollen. Das heißt, er trainiert sie mental für ihre neue Aufgabe.“
„So ein Quatsch. Wenn die erst für ihre neue Aufgabe trainiert werden müssen, sind sie doch ohnehin nicht geeignet. Das kann ich dir gleich sagen.“
„Das ist kein Quatsch, Papa. Das ist ein anspruchsvoller Job, bei dem man bis zu hundert Dollar in der Stunde verdient.“
Karl war zu müde, um sich auf eine Diskussion einzulassen.
„Und, hat er dir schon sein Leid geklagt?“
“Inwiefern?“
„Na, dass seine Frau keine Zeit mehr für ihn hat, dass er einsam ist, keine Liebe mehr bekommt, sich scheiden lassen will und all das Gefasel?“
„Nein, hat er nicht“, gab Susanne zurück.
„Er hat mir noch nicht einmal erzählt, dass er verheiratet ist.“
„Und woher weißt du es dann?“
„Ich habe es eben rausgefunden.“
„Dass ihr Frauen immer so neugierig sein müsst. Jetzt weißt du es, und was hast du nun davon?“
„Na, ich weiß, woran ich bin.“
„Und das macht die Sache einfacher?“
„Nicht einfacher, aber klarer.“
„Aber wenn er es dir nicht gesagt hat, wird er doch seine Gründe dafür haben.“
„Ja, und die wüsste ich gern. Vielleicht hat er ja auch Angst, ich würde mich von ihm abwenden, wenn er es mir sagt.“
Du lieber Himmel, wie romantisch waren die Frauen?
„Mach dir nichts vor, mein Schatz. Du bist ein Verhältnis für ihn, und er hat dir nichts gesagt, weil er dich ins Bett kriegen wollte“, sagte Karl bestimmt.
„Woher willst du das so genau wissen?“, fragte Susanne.
„Weil ich ein Mann bin“, gab Karl zurück.
„Es gibt aber auch andere Männer als dich“, gab Susanne trotzig zurück.
„Setz ihm die Pistole auf die Brust und schau, was passiert. Dann hast du Klarheit.“ Karl tat Susannes Naivität fast körperlich weh.
„Hab ich dich all die Jahre zu Selbstbewusstsein erzogen, hab ich dich zum Gymnasium geschickt und durchs Studium gebracht, damit du dich derartig von männlicher Blendkunst hinter das Licht führen lässt?“
„Natürlich nicht.“ Susannes Stimme wurde schroffer.
„Also Kopf hoch“, munterte Karl sie auf. „Du bist eine attraktive, kluge Frau, die es nicht nötig hat, sich von einem kleinen verheirateten Berater ausnutzen zu lassen. Verstanden?“
„Ja, ja“, gab Susanne zurück.
„Also, dann mach’s mal gut, mein Schatz.“
„Du auch, Papa.“
„Weißt du eigentlich, wer der Vater von dem Kind deiner Schwester ist?“
„Keine Ahnung.“
„Meinst du, du kannst es herausfinden?“
„Ich kann’s versuchen, aber du kennst sie ja. Sie spricht mit keinem von uns wirklich offen.“
„Ja, sie war schon immer anders als wir anderen“, seufzte Karl.
„Weiß der Himmel, woran das liegt.“
„Am Blut des Russen. Hast du doch selbst immer gesagt.“
„Hab ich das?“, murmelte Karl.
„Ja, früher, wenn sie etwas ausgefressen hatte oder frech war, hast du immer gesagt: ‚Das kommt nicht von uns, das ist das Blut des Russen‘.“
„Dann wird es wohl so sein.“
„Also bis bald, Papa.“
„Bis bald, mein Schatz.“
Der Sonntag war verregnet, aber Karl plante trotzdem eine lange Radtour.
„Du brauchst heute Mittag nicht mit mir zu rechnen“, sagte er beim Frühstück.
„Ich esse auswärts.“