Название | Nur ein kleiner Verdacht |
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Автор произведения | Sabine Howe |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783949298011 |
„Du hast mich gefragt, womit du mir eine Freude machen kannst, und ich habe dir geantwortet.“
Ein Nerzmantel.
Zum Sonntagskrimi verzog Karl sich in sein Büro. Ihm ging die frostige Stimmung auf die Nerven. Der nette Kommissar, der ihn immer ein wenig an seinen Lehrer aus der achten Klasse, Herrn Hirschmeier, erinnerte, musste einen Mord lösen. Ein Geschäftsmann war tot in seinem Ferienhaus gefunden worden. Die Todesursache deutete zunächst auf Herzinfarkt hin, aber die Obduktion gab den Ermittlern ein Rätsel auf. Der Mann war offenbar vergiftet worden. Schleichend. Aber womit? Und von wem? Es folgte die langwierige Spurenlegung des Regisseurs: Sein Partner hätte es sein können, weil der dunklen Geschäften nachging, denen der Tote auf die Schliche gekommen war. Sein Bruder kam ebenfalls infrage, weil er mehr Anteile an der Firma forderte. Eine weitere Spur führte ins unvermeidliche Prostituiertenmilieu, in dem sich der Ermordete aufgrund seiner bisexuellen Veranlagung herumtrieb.
Am Ende war es seine Frau gewesen, die ihren Mann schon seit langem mit einem anderen betrog, aber nicht auf das Geld verzichten wollte.
Mitten in der Nacht erwachte Karl wegen seines Magens. Er nahm sich vor, am nächsten Tag bei der Apotheke vorbeizufahren und Tabletten zu kaufen. Etwas für die Verdauung konnte sicher nicht schaden. Als er nach einer Stunde immer noch nicht eingeschlafen war, zog er mit seinem Bettzeug in das Gästezimmer auf halber Treppe. Der Mond schien durch das schräge Fenster und erhellte den Raum. An der Schräge hing ein Poster aus Andreas Jugendzeit. „El Pueblo Unido Jamas Sera Vencido“ stand in großen schwarzen Buchstaben auf dem vergilbten Plakat. Darunter sah man einen Menschenzug – lauter schwarze Silhouetten. Andrea hatte es aus Spanien mitgebracht. Mein Gott, dieses Mädchen. Wie viel Energie hatte er in sie gesteckt. Sie war anfangs wirklich nicht die Schnellste gewesen. Manchmal saß sie da, den Mund leicht geöffnet, und schaukelte mit ausdruckslosem Gesicht vor sich hin. Bei diesem Anblick konnte einem angst und bange werden. Meistens genügte es, sie streng zu ermahnen, aber manchmal musste er sie regelrecht anbrüllen, damit sie aufwachte. Wenigstens kam sie in der Schule einigermaßen mit, nur fehlte ihr jeder Sinn für Logik. Er versuchte es mit Denksportaufgaben: „Bauer Huber hat sein Obst in drei Kisten einsortiert. In der einen sind nur Äpfel, in der anderen sind nur Birnen, und in der letzten sind sowohl Äpfel als auch Birnen drin. An allen drei Kisten ist jeweils ein Schild angebracht, welches den Inhalt der jeweiligen Kiste angibt. „Äpfel“ steht auf dem Schild, das an der Apfelkiste hängt, „Birnen“ steht auf dem Schild an der Birnenkiste, und „Äpfel und Birnen“ ist auf dem Schild an der Kiste mit den Äpfeln und Birnen zu lesen. Nun kommt der freche Hans und vertauscht zwei Schilder miteinander.
Wie kannst du jetzt herausbekommen, welche Früchte in welcher Kiste sind, ohne hineinzusehen? Dazu darfst du zweimal je eine Frucht aus zwei verschiedenen Kisten nehmen. Du darfst aber nicht herumwühlen und fühlen.“ Sie schaute ihn an.
„Denk nach!“
Panik in ihren Augen.
„Jetzt schalte dein Gehirn ein.“
Sie konnte einen zur Weißglut treiben.
Noch schlimmer war es mit dem räumlichen Denken. Wie oft hatte er versucht, sie mit einfachen Streichholzaufgaben zu fördern. Er legte aus zwölf Hölzern ein Quadrat, das aus vier gleich großen Quadraten bestand. Nun sollte sie drei Hölzchen so umlegen, dass drei Quadrate entstanden. Als sie nach fünf Minuten noch immer keine Lösung wusste, wischte er die Hölzchen vom Tisch.
Das musste sie von ihrer Mutter haben, die hatte es auch nicht mit der Logik. Im Gegensatz zu ihm war es Maggie ganz recht, dass Andrea keine Überfliegerin war.
„Sie muss doch kein Abitur machen, sie kann doch auch eine Lehre machen, zum Beispiel als Krankenschwester.“
„Dann heiratet sie mit achtzehn und hat mit zweiundzwanzig vier Kinder. Ist das das Schicksal, das du dir für deine Tochter wünscht?“
„Es reicht doch, wenn Susanne Karriere macht. Die hat das Talent dazu. Aber Andrea? Das kann man doch nicht erzwingen.“
Von wegen.
Er entwickelte ein straffes Programm, das seine Tochter auf Kurs halten sollte. Das wichtigste war Sport. Wer Sport trieb, kam nicht auf dumme Gedanken. Er entschied sich für Schwimmen. Natürlich hatte er nicht die Zeit, sich selbst darum zu kümmern, das war Maggies Aufgabe. Sie meldete das Mädchen im Schwimmkurs an. Damals war Andrea vielleicht neun. Zwei Mal wöchentlich am Anfang, später wurden daraus drei bis vier Trainingsstunden. Gut, sie hatte kein herausragendes Talent, aber für ein paar Regionalwettbewerbe und Urkunden reichte es. Und sie war versorgt. Nach der Grundschule hatte man ihnen geraten, Andrea auf die Realschule zu geben, aber da machte er nicht mit. Das Mädchen wurde auf dem Gymnasium angemeldet, und zu den Schwimmstunden kamen Nachhilfestunden. Keine einfache Zeit, denn Andrea wurde mit den Jahren immer eigenwilliger. Sie zog sich zurück, sprach nur wenig und las überwiegend. Er sorgte sich um ihre Entwicklung und meldete sie bei den Pfadfindern an. Erst Monate später erfuhr er, dass sie dort nie aufgetaucht war. Nun begann eine schwierige Zeit, die darin mündete, dass Karl Andrea mit sechzehn in ein Internat steckte. Von da an war der Kontakt zwischen Eltern und Tochter fast gänzlich erkaltet. Andrea hatte oft keine Lust, in den Ferien nach Hause zu kommen, und die Eltern hatten kaum Zeit, sie zu besuchen. Einmal sahen sie sich über ein Jahr nicht. Aber gut, am Ende schaffte sie ihr Abitur, und heute war sie erfolgreich an der Uni. Sie hatte eine feste Anstellung und ein gutes Auskommen. Wenn er sie nicht unterstützt hätte, wäre sie wahrscheinlich wirklich Friseuse geworden, wie Maggie vorausgesagt hatte. Gut, sie hatte immer noch ein paar Eigenarten, die ihn befremdeten. Ihr Männergeschmack, oder ihr Fimmel mit den Strichlisten. Offenbar erfasste sie das halbe Leben per Statistik. Aber was kümmerte ihn das, sie war nicht zurückgeblieben, und darauf kam es an.
Am nächsten Morgen verabschiedete sich Maggie Richtung Stadt, um ein paar Besorgungen zu machen. Karl hatte schlecht geschlafen. Seine Magenschmerzen wurden immer heftiger.
Auf dem Weg zur Krankengymnastik hielt er an der Apotheke. An der Ladentür stieß er mit seiner Frau zusammen.
„Was machst du denn hier?“
„Ungeziefer-Vernichtungsmittel.“
Sie hielt eine Plastikdose mit rotem Etikett in die Höhe.
„Das hätte ich dir doch auch mitbringen können.“
„Ich wusste ja nicht, dass du zur Apotheke fährst.“
„Du hättest mich ja fragen können.“
„Schon gut – mach du deine Besorgungen, ich mach meine.“
Sie ging an ihm vorbei.
„Bis nachher dann.“
Karl kaufte Tropfen gegen seine Magenschmerzen und Früchtewürfel für die Verdauung. Beides nahm er noch in der Umkleidekabine der Krankengymnastin ein. Ihn langweilten diese Stunden. Die sanfte Art der Therapeutin und die minimalistischen Übungen gingen ihm auf die Nerven. Er beschloss, nach dieser Stunde Schluss zu machen. In derselben Zeit konnte er im Fitnessstudio das Zehnfache schaffen.
Zuhause war Maggie in der Küche dabei, Kartoffeln zu zerdrücken, als er hereinkam.
„Ich habe uns Blaubeeren zum Nachtisch mitgebracht.“
„Gut, ich werde sie in den Joghurt mischen.“
Sein Blick fiel auf das Insektenschutzmittel.
„Parakill Plus“ gegen kriechende Insekten, stand auf der Dose.
„Musste es denn gleich die chemische Keule sein?“, fragte er. „Frag mich vorher. Wozu hast du einen Experten im Haus?“
„Alles andere bringt nichts“, sagte Maggie.
„Also gesund ist das nicht.“
„Soll es ja auch nicht sein.“
Maggie nahm ihm das Mittel aus der Hand. „Lass das mal meine Sorge sein.“
Sie