Die Oslo-Connection - Thriller. Olav Njølstad

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Название Die Oslo-Connection - Thriller
Автор произведения Olav Njølstad
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726344127



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und wir kommen. Wir versprechen dir, dich von morgens bis abends so richtig zu verwöhnen!«

      »Wir?« Werner verstand nicht ganz. »Ich dachte, es wäre nur von Katarina und mir die Rede gewesen?«

      Sie grinsten sich verschworen an. Wange an Wange. Als wären sie ein Gesicht. Ein Lächeln.

      »Ich habe eine Überraschung für dich«, sagte Katarina. »Abrasha hat eingewilligt, mit uns zu kommen! Er kennt sich dort ja aus, und ihr versteht euch doch so gut! Ich dachte, es wäre dir recht, nicht nur mich zum Reden zu haben.« Sie warf lachend den Kopf zurück. »Und außerdem habe ich so die Möglichkeit, ein bisschen was auf eigene Faust zu machen. Bummeln gehen, und so etwas.«

      »Nun, was sagst du, Fritz?« Abrasha beugte sich über das Bett. »Ich will mich auf keinen Fall aufdrängen. Aber wo wir schon davon sprechen: Wir können es uns da so richtig gemütlich machen, nicht wahr? Ich nehme natürlich das Schachbrett mit und ein gutes Buch, damit du auch mal Ruhe bekommst. Und wenn Dr. Adler damit einverstanden ist, nehme ich auch eine Flasche von diesem Champagner mit, du weißt schon.« Er zwinkerte ihm geheimnisvoll zu. »Doch, ich habe noch ein paar Flaschen, für Anlässe wie diesen.«

      Werner sah sie an. Er freute sich darüber, sie bei sich zu haben und sie zusammen zu sehen. Seine Frau und sein bester Freund. Eine bessere Gesellschaft gab es auf der ganzen Welt nicht.

      »Aber das ist doch großartig«, platzte er hervor und klatschte mit der Hand hingerissen auf das weiße, kühle Laken. »Auf was für Ideen ihr kommt, um mir eine Freude zu machen. Ich kann euch gar nicht sagen, wie gern ich euch habe, alle beide!« Seine Augen begannen zu glänzen. »Danke. Ich kann es kaum erwarten, hier wegzukommen.«

      21

      Sie spürte es sofort, als sie den Raum betrat: Es herrschte eine andere, leichtere Stimmung. Die Möbel waren die gleichen. Ebenso die Farben. Doch der Mann am Empfang war ein anderer. Er saß mit nach vorn gestreckten Beinen auf dem Rand seines Stuhles und wippte mit dem Oberkörper vor und zurück. Wahrscheinlich hatte ihm jemand ein Trainingsprogramm für seine Bauchmuskeln verordnet, das er sich nicht auszulassen traute, dachte sie. Ein älterer Herr mit einem kleinen, runden Körper, roten Hosenträgern, einem großen, eierförmigen Kopf und einem von Lachfalten durchzogenen Gesicht.

      Jetzt erinnerte sie sich: Frau Hansen war auf einem Computerkurs.

      »Guten Tag, Ulla Abildsø«, sagte der Mann feierlich. »Ich weiß, wer Sie sind. Ihre werte Freundin, Frau Hansen, hat mir eine Nachricht hinterlassen. Sie meinte, Sie seien sehr anspruchsvoll.«

      Sie lächelte schief und streckte ihm die Hand entgegen.

      »Ich glaube nicht, dass sie mich sonderlich mochte.«

      »Laila mag niemanden, nicht einmal sich selbst.« Er fasste sich an den Mund. »Nein, jetzt habe ich etwas Böses gesagt. Frau Hansen ist ein bezaubernder Mensch, besonders aus einer gewissen Distanz.« Er drückte ihre Hand. »Hans Løvdal, Archivchef a. D.« Zufrieden zog er an seinen Hosenträgern. »Ich bin vor anderthalb Jahren in Rente gegangen, aber sie rufen mich immer an, wenn meine Nachfolgerin krank ist oder an einem Weiterbildungskurs teilnehmen will. Es ist schon komisch, aber ich habe mich nie so gefragt gefühlt wie seit meiner Pensionierung.«

      Während er die Tür öffnete, die zum Allerheiligsten des Zentralarchivs führte, einem feuersicheren Gewölbe mit verschiebbaren Regalen voller Ordner und Archivkästen, erzählte er ihr, dass er mehr als dreißig Jahre lang im Archiv gearbeitet habe. Davor sei er in der Physikabteilung Laborant und Mädchen für alles gewesen. Jetzt las er viel über die römische Geschichte. Und über Bellman. Er wisse alles über Bellman! »Ulla, steh grade, halt den Takt, gib die Hand, sei nett!« Er lächelte hingerissen über sein eigenes Zitat. »Sie kennen doch die Epistel Nr. 9? Wer weiß, vielleicht haben Sie Ihren Namen ja nach Ulla Winblad?«

      Sie antwortete nicht. Die Epistel, die ihr in ihrer Jugend laut vorgelesen worden waren, waren von einem ganz anderen Kaliber als jene, an die Hans Løvdal dachte. Sie war mit den Episteln aufgewachsen, die der angetrunkene Fredman, Bellmans Sprachrohr, immer parodierte. Aber es war sinnlos, jetzt mit ihm darüber zu sprechen.

      Stattdessen fragte sie vorsichtig nach, mit welchen früheren Angestellten des FFI sie sprechen müsste, um mehr über den radioaktiven Fallout in den frühen 60er Jahren zu erfahren. Insbesondere interessiere sie, welche Forscher Zugang zu den Trockenproben des Fallouts hatten, die im Keller des Physikgebäudes aufbewahrt wurden.

      »Die meisten von denen sind inzwischen gestorben«, antwortete er langsam.

      Aber es müsse doch jemanden geben, der noch am Leben war? Sie hörte sich so flehend an, dass ihr beinahe selber flau wurde.

      Nein, er glaubte nicht. Forschungschef Hvinden war tot, natürlich, und auch ...

      »Warten Sie!«, unterbrach er sich und schnippte mit den Fingern. »Natürlich, Fritz Emil Werner! Der lebt noch! Ich habe ihn bloß vergessen, weil er seit Beginn der 60er Jahre nicht mehr bei uns ist. Er hat damals aus Protest gekündigt, weil er der Meinung war, keine interessanten Arbeitsaufgaben mehr zu bekommen. Stattdessen hat er bei unseren Nachbarn, im Institut für Atomenergie, den reinsten Sahnejob bekommen.«

      Løvdal machte mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung Fenster. »Auf dem Heimweg können Sie ja einen Abstecher ins IFA machen, oder besser gesagt ins IFE, wie sich das Institut heute nennt, und nachfragen, ob er noch immer dort arbeitet.« Ein nachdenklicher Zug huschte über sein faltiges Gesicht. »Werner ist ein paar Jahre jünger als ich. Und ich bin uralt, wie Sie sehen; ich durfte arbeiten, bis ich siebzig wurde. Das heißt, dass er jetzt Ende sechzig sein muss. Wenn Sie Glück haben, ist er noch da.« Er wurde plötzlich ernst. »Aber er kann natürlich auch tot sein oder pensioniert. Ich habe seit Jahren nichts mehr von ihm gehört. Ich glaube, er hatte Herzprobleme.«

      Sie erzählte ihm, dass sie tags zuvor im Keller des Physikgebäudes gewesen sei, wo die alten Falloutproben aufbewahrt wurden. Ganz zufällig habe sie dabei bemerkt, dass die Proben einer bestimmten 10-Tages-Periode im Jahr 1961 fehlten. Sie fragte ihn, ob er eine Ahnung habe, wo die sein könnten.

      »Wir haben über diese Proben genau Buch geführt«, erklärte er. »Niemand durfte sie ohne Erlaubnis des Forschungschefs nutzen oder damit arbeiten, und selbst dann wurde das notiert. Wollen Sie, dass ich im Register nachsehe?«

      Ihr Gesicht hellte sich auf. Das war genau das, was sie gehofft hatte! Sie gab die Datumsperiode der fehlenden Kassette an.

      Während sie sprachen, hatte Løvdal die Archivmappen des physikalischen Fernarchivs herausgesucht. Gemeinsam trugen sie sie zu ihrem kleinen Arbeitsplatz.

      »Ich sehe, Sie hinken«, sagte er neckend. »Wasser im Knie?«

      »Prothese«, antwortete sie und lachte. »In unserem Fach sagt man allerdings nicht ›Wasser im Knie‹, wir sprechen von hydrops genu

      Nachdem er ihr geholfen hatte, alles auf dem Schreibtisch zu platzieren, und ihr einen Kaffee gekocht hatte, zog sich Løvdal diskret zurück. Sie hörte ihn leise pfeifend im Gewölbe herumkramen, doch das störte sie nicht. In den nächsten Stunden arbeitete sie sich langsam, aber stetig durch die Mappen der Jahre 1959 und 1960. Sie enthielten wenig Interessantes, doch sie hatte Angst, etwas zu übersehen, und zwang sich selbst, jeden Bericht zu überprüfen. In der Regel handelte es sich um die Ergebnisse der unzähligen Messungen von Luft, Regen, Wasser und Schnee, die aus den Messstationen überall im Land sowie von den Meeresforschungsschiffen in den Keller des FFI übermittelt worden waren. Auch Proben von Fisch, Tang, Rentierfleisch und Milch wurden routinemäßig untersucht.

      In einer der Mappen fand sie einen Brief an Forschungschef Hvinden vom 13. November 1958, der nur wenige Zeilen umfasste: »Gemäß Absprache übersende ich zwei Trockenproben aus den Filtern der Klimaanlage an Bord eines unserer Forschungsschiffe. Ich hoffe, Sie können sie im Massenspektrometer untersuchen.«

      Das Ganze klang etwas kryptisch, aber sie war sich ziemlich sicher, worum es ging. Vergeblich durchsuchte sie die Archivmappe nach weiteren Informationen. Nach ein paar Stichproben in den anderen Mappen gab sie auf. Das heißt, sie