Название | Die Oslo-Connection - Thriller |
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Автор произведения | Olav Njølstad |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788726344127 |
»Enok verstand was von Motoren«, erklärte Brantenborg. »Beim Militär hat er die Lastwagen repariert und auf dem Eismeer die Schiffsmotoren der Fangschiffe.«
»Sind Sie mal mit ihm auf Robbenfang gewesen?«, fragte Tamber neugierig.
»Nein.« Brantenborg lächelte verlegen. »Aber ein paar Touren habe ich schon mit ihm gemacht. Wie gesagt, das ist lange her.«
»Haben Sie selber geschossen?«
»Nein, ich habe die Felle verkauft, mehr nicht. An die großen Pelzhäuser in Paris und London.« Er grinste zufrieden. »Meist gelang es mir, den Bären zu verkaufen, ehe er geschossen war – zu erklecklichen Preisen!«
»Und als was arbeiten Sie jetzt?«, fragte der Polizeibeamte. »Als Kürschner?«
»Nein, die Pelze sind ein abgeschlossenes Kapitel. Jetzt mache ich in Mobiltelefonen und Telekommunikation. Ich betreibe eine kleine Firma, Wireless Systems A/S, von der ich, wenn ich ehrlich sein soll, hoffe, dass sie bald von einem größeren Unternehmen aufgekauft wird.«
»Noch nie davon gehört«, gab Tamber zu.
»Ich habe ja gesagt, dass die Firma klein ist.«
Sie befanden sich jetzt in einem schmalen Gang, von dem zwei Türen abgingen. Die eine führte zu einer Speisekammer mit tiefen Regalen an den Wänden, die mit Konserven, Marmeladengläsern, Saftflaschen und selbst gemachtem Wein gefüllt waren. Und wieder diese penible Ordnung. Etiketten auf jedem Glas und jeder Flasche. Alle mit detaillierter Inhaltsangabe und Datum: Multebeergelee, Granåsen 1998. Stachelbeerwein, eigene Beeren 1999, Alkoholgehalt 8%.
Die andere Tür führte sie in das Allerheiligste des Hauses: die Hobbywerkstatt, in der die Meeresvögel und Säuger ausgestopft wurden. Von der Wandfläche des sicherlich dreißig Quadratmeter großen Raumes war jeder Zentimeter genutzt. Das Ergebnis war ein Naturkundemuseum in Miniatur. Neben den Regalen mit den Seevögeln – Tordalke, Eiderenten, Möwen, Adler und Kormorane – gab es auch noch eine beeindruckende Sammlung von Meeressäugern: Meerotter, verschiedene Seehundarten, ein Walrossjunges. Und last, but not least, ein ausgewachsener Eisbär, der halb aufgerichtet auf einer Holzplatte im hinteren Teil des Raumes stand, eine Tatze zum Schlag erhoben.
»Seht euch das an!«, rief Moe begeistert, dem durch den Kopf schoss, dass der Fall womöglich noch ganz andere Seiten hatte. »Da wollen wir aber mal hoffen, dass er eine Abschussgenehmigung hatte. Ansonsten dürfte es schwierig werden, diesen einbalsamierten Burschen einfach weiterzuvererben.«
»Enok war Jäger, kein Wilddieb«, sagte Brantenborg streng. »Natürlich hatte er eine Abschussgenehmigung. Das war seine Lebensgrundlage!«
»Gehen wir mal davon aus, dass Sie Recht haben«, seufzte der Polizeibeamte. »Im Übrigen glaube ich nicht, dass ein großer Erbstreit zu erwarten ist. Die Leute werden kaum Schlange stehen, um sich einen ausgestopften Alk unter den Nagel zu reißen.«
»Aber vielleicht für einen wie diesen hier?«, sagte Tamber und strich dem Eisbären über den Kopf. Danach drehte sie sich zu Brantenborg um. »Wissen Sie zufällig, wo er ihn geschossen hat?«
»Sie«, korrigierte Brantenborg. »Das ist ein Weibchen. Ansonsten ist die Antwort: nein. Er hat es mir sicher irgendwann mal erzählt, aber das sind Dinge, die ich schnell wieder vergesse. Auf Svalbard, vielleicht?«
»Sie haben gut reden. Aber Sie sind ja aus Oslo«, wandte der Polizeibeamte ein, nachdem Tamber etwas von Tierschutz gemurmelt hatte. »Bestimmt sind Sie auch für ganzjährige Schonfrist für Wölfe?«
Darauf antwortete sie nicht.
»Ach, Sie sind aus Oslo?«, fragte Brantenborg beiläufig. »Ihrem Dialekt nach hätte ich geschlossen, Sie kommen aus Trøndelag.«
Tamber bestätigte ihm, dass sie tatsächlich aus Trøndelag kam, inzwischen aber in der Hauptstadt lebte und arbeitete. Bei der Polizei.
»Und was macht die Polizei aus Oslo an diesem Fleckchen Erde? Haben Sie nicht genug mit dem Kampf gegen die Gewalt auf den Straßen zu tun?«
»Na ja, wie Sie vielleicht gehört haben, ist Ihr Freund nicht eines natürlichen Todes gestorben. Ich bin hier, um den Fall zu untersuchen.«
Brantenborg wandte sich an die beiden hiesigen Polizisten.
»Ihr müsst also das Kriminalamt zu Rate ziehen«, sagte er höhnisch, nahm eine Packung Lutschtabletten aus der Jackentasche und bot sie der Reihe nach an. »Na ja, jedenfalls kann man euch nicht vorwerfen, dass ihr die Sache auf die leichte Schulter nehmt.« Sein Blick verdunkelte sich. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas mal erleben muss: Enok ermordet und die Polizei ohne jede Spur vom Täter. Haben Sie überhaupt eine Idee, wer es gewesen sein könnte?«
Moe schüttelte den Kopf.
»Nix. Wir wissen erst seit knapp neun Stunden, um wen es sich bei dem Toten überhaupt handelt. Und das rauszukriegen war alles andere als einfach. Glücklicherweise war er aktenkundig.«
»Aktenkundig?« Brantenborg war offensichtlich ehrlich überrascht. »In welcher Akte?«
»Im Kriminalregister. Er wurde wegen unerlaubter Einfuhr von Branntwein verhaftet und verurteilt. Es ging um acht Kisten schottischen Maltwhisky. Da er sich weigerte, die 500 Kronen Bußgeld zu, zahlen, was damals eine Stange Geld war, ist er stattdessen 21 Tage ins Gefängnis gewandert.«
»Das ist mir ja völlig neu«, sagte Brantenborg aufrichtig entrüstet. »Und wann war das?«
»Im Frühjahr 1962. Lange vor meiner Dienstzeit. Und komischerweise gab es im Polizeiarchiv keine einzige Akte zu diesem Fall, als wir jetzt danach gesucht haben. Nur in Oslo gab es noch Unterlagen, inklusive seiner Fingerabdrücke von dem Tag, an dem er verhaftet wurde. Wir wussten zuerst gar nicht, worum es ging, als die Zentrale Kriminalbehörde uns informierte, sie hätten einen positiven Treffer bezüglich einer Person aus unserem Bezirk gelandet.«
»Das passt überhaupt nicht in mein Bild von ihm«, sagte Brantenborg. »Ich kannte ihn als durch und durch anständigen Kerl.«
»Sollten Sie sich dann nicht vielleicht die Frage stellen«, sagte Tamber ruhig, »wie gut Sie ihn eigentlich kannten? Ich meine, er wird erschossen, und dabei stellt sich heraus, dass er wegen eines geringfügigen Vergehens verurteilt wurde.«
»Da kann ich Ihnen nicht zustimmen«, sagte Brantenborg. »Ich bin hundertprozentig sicher, dass diese Schmugglerepisode eine ganz natürliche Erklärung hat.«
»In dem Fall hätte er doch wohl protestiert«, gab Tamber zu bedenken. »Wieso hat er keine Berufung gegen das Urteil eingelegt, wenn es so aus der Luft gegriffen war?«
Brantenborg schwieg.
Der Polizist, der in der Zwischenzeit das Haus nach eventuellen Spuren durchsucht hatte, teilte mit, dass er nichts Außergewöhnliches gefunden habe.
»Na, was hab ich gesagt«, fragte Brantenborg rhetorisch. »Enok ist das Opfer und nicht der Täter, und stellvertretend für alle, die ihn gekannt haben, vertrete ich die Meinung, dass es höchste Zeit ist, den Fall unter Berücksichtung dieser Tatsache endlich aufzuklären.«
Er ging auf die Tür zu.
»Ja, gehen wir«, sagte Moe. »Hier ist nichts mehr zu holen.«
»Nur noch eine Kleinigkeit, Moe.« Tamber stand an dem Tisch, auf dem die Präparierungen gemacht worden waren. Sie zeigte auf ein paar Flocken Polyetherschaum auf der Arbeitsplatte. »Vielleicht sollten wir eine Probe hiervon mitnehmen.«
»Wie Sie wollen«, sagte der Polizeibeamte ungeduldig. »Es soll uns ja niemand vorwerfen können, wir hätten etwas übersehen.«
Auf